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2.5Reise Hagens und Eichmanns nach Palästina – „Zusammenarbeit“ mit den Zionisten

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Bei allen deutschen Überlegungen spielten die Auswanderung der Juden und die Exportmöglichkeiten nach Palästina in Verbindung mit dem Haavara-Abkommen eine führende Rolle. Ein merkwürdiger Aspekt dieses Abkommens bestand darin, daß es zwangsläufig zu einer Zusammenarbeit zwischen den Nationalsozialisten und den Zionisten führte. Dabei muß klar darauf hingewiesen werden, daß es den Zionisten vor allen Dingen darum ging, den sich in einer Zwangslage befindlichen deutschen Juden eine Auswanderungsmöglichkeit zu bieten. Die Zionisten konnten ganz gewiß nicht die nationalsozialistische Politik befürworten, aber das Ergebnis – die Auswanderung der Juden nach Palästina – stimmte mit ihren eigenen politischen Zielen überein. Außerdem darf nicht übersehen werden, daß die Zionisten zu dieser Zeit eher den Feind in der britischen Mandatsmacht sahen, die die Auswanderungsquoten der Juden einschränken und – gemäß dem Peel-Report – den Juden bei der Teilung Palästinas ein Gebiet zuteilen wollten, das keineswegs deren Vorstellungen entsprach.

Im Reichswirtschaftsministerium saßen, wie Vogel30 schreibt, durchaus einige Beamte, die Görings Wunsch zur Abschaffung des Haavara-Abkommens umgehen konnten und sogar trotz Denunziationen im Amt bleiben durften. Im AA befürworteten von Weizsäcker und von Hentig ein Fortbestehen des Abkommens sowie eine Politik der Nichteinmischung in den Nahen Osten. Schon aus diesen Gründen nahmen sie bezüglich der Wünsche und Erwartungen des Mufti von Jerusalem eine äußerst reservierte Haltung ein. Es war gewiß nicht leicht für die gemäßigten Beamten im AA, den Bemühungen des Referats Deutschland und der Auslandsorganisation um eine Abschaffung des Abkommens wirksam entgegenzutreten. Noch Anfang 1938 konnten sie durchsetzen, daß das Abkommen nicht ohne weiteres „verschwinden“31 sollte, solange kein „anderes Verfahren“32 an seine Stelle treten würde.

Auch der SD befaßte sich zunehmend mit der Frage der jüdischen Auswanderung. Er verfügte über ein Netz von Vertrauensleuten, die ihre Informationen direkt an das SD-Hauptquartier sandten, ohne daß das AAdavon Kenntnis erhielt. Der Leiter des Judenreferats, Herbert Hagen,33 entschied sich, eine Reise nach Palästina mit Adolf Eichmann34 zu unternehmen, um u.a. Informationen über die organisatorische Struktur der zionistischen Bewegung von einem gewissen Feivel Polkes zu erhalten, der „infolge seiner entscheidenden Stellung in der Hagana über alle bedeutenden Vorgänge innerhalb des Weltjudentums unterrichtet“ war und bereit wäre, „Dienste in Form von Nachrichten zu leisten, soweit sie nicht seinen politischen Zielen entgegenstünden“.35 Für Polkes ging es hauptsächlich darum, daß sich die deutschen Juden verpflichten sollten, ausschließlich nach Palästina auszuwandern.

Hagen und Eichmann wollten anläßlich dieser Reise auch mit el-Husseini zusammentreffen36, aber bei ihrer Ankunft am 2. Oktober 1937 in Haifa hielt sich der Mufti bereits im Haram al-Sharif auf, so daß kein Gespräch zustande kommen konnte. Am darauf folgenden Tag reisten sie weiter nach Alexandria und Kairo, von wo aus sie sich um ein Visum für die Einreise nach Palästina bemühten, aber dieses wurde „wahrscheinlich wegen der am 15.10. ausgebrochenen Unruhen in Palästina“37 nicht erteilt. Inzwischen konnte der Mufti aus dem Haram-al-Sharif nach dem Libanon entkommen. Mit Bezug auf seine Flucht erwähnten Hagen und Eichmann in ihrem Reisebericht vom 4. November, daß er dadurch „erheblich“ an Einfluß verloren haben soll; denn „entgegen den zuerst gebrachten Meldungen“ sei dieser Schritt von „den meisten national denkenden Arabern nicht gebilligt“ worden. Ferner sei es durchaus plausibel, „daß man englischerseits die Flucht des Mufti absichtlich nicht verhindert hat, um damit nicht in die religiöse Sphäre des Islam einzugreifen“38 Was das eigentliche Palästinenserproblem betraf, meinten Hagen und Eichmann, es ginge hauptsächlich um Grundbesitzrechte und Geschäfte. Eine Judenfrage im nationalsozialistischen Sinne bestehe aber nicht.

Festzustellen bleibt, daß im Gegensatz zu den Akten des AA dieser Bericht von einem unverhohlenen Antisemitismus geprägt war. Es ist ganz offensichtlich, daß sich jetzt der harte Kern der Nationalsozialisten immer intensiver mit der Palästinapolitik beschäftigte. Am 12. Juli 1961 schrieb die Neue Zürcher Zeitung: „Es sei auch richtig, daß einer der Zwecke seiner Palästinareise vom Jahr 1937 die Herstellung einer Verbindung mit dem Mufti el Husseini war. Den übel anti-semitisch gefärbten Bericht über jene Reise schiebt er (Eichmann) dagegen seinem Begleiter Hagen zu; er selbst will an ihm nur orthographische Korrekturen vorgenommen haben. Alles andere sei ‚eine falsche Auslegung der Wahrheit‘.“

Der Mufti von Jerusalem

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