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3.7Zufluchtsort Teheran

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Als der Mufti und Gailani am 1. Juni 1941 in Teheran ankamen, verfaßte Staatssekretär von Weizsäcker am gleichen Tag ein an die Gesandtschaft in Teheran gerichtetes Telegramm, das allerdings als „Geheime Reichssache“ erst drei Tage später abgesandt wurde. Von Weizsäcker instruierte den Gesandten Ettel dahingehend, daß er sich sofort mit Gailani in Verbindung setzen solle, damit nicht der Eindruck entstehe, Deutschland lasse seine Freunde fallen, sobald sie einen Mißerfolg erlitten haben. Der irakische Freiheitskampf sei „keineswegs als verloren“ anzusehen, und das Dritte Reich sei weiterhin bereit, „Mittel für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen“. Von Weizsäcker betonte außerdem, er lege Wert darauf, daß auch der Mufti davon überzeugt werde, daß Deutschland ihn und den arabischen Freiheitskampf weiter unterstütze. Auch könne der Mufti mit weiteren Geldzuwendungen rechnen.56 In seinem Schreiben machte von Weizsäcker keinen Hehl daraus, daß Deutschland von den Geschehnissen im Irak überrascht wurde. Ettel möge den verstimmten Gailani beschwichtigen. Allerdings riet der Staatssekretär im Umgang mit Gailani und dem Mufti zur Vorsicht.57

Am 4. Juni berichtete Ettel in einem Telegramm über sein Treffen mit dem Mufti und Gailani: „Beide erblicken in derzeitigem Rückschlag nur Etappe auf Weg zum endgültigen Sieg über England. Sie sind fest entschlossen, in [sic] Kampf so schnell wie möglich wieder aktiv einzugreifen. Beide wünschen Iran baldmöglichst zu verlassen, um sich über Berlin nach Syrien zu begeben. Sie versprechen sich von nur kurzem Aufenthalt Berlin gute Auswirkung auf arabische Bewegung, da England im Irak mit Schlagwort arbeite, daß selbst Deutschland kein Vertrauen zu Gailani und irakischer Freiheitsbewegung habe.“58

Das alte ambivalente Verhältnis war wieder hergestellt. Der Mufti machte neue Pläne, die im Grunde nicht mit denen Deutschlands übereinstimmten, das auf ein gutes Verhältnis zur Vichy-Regierung angewiesen war und außerdem nichts unternehmen wollte, was eventuell eine Verärgerung der Türkei zur Folge haben könnte. So stand die vorgesehene Einreise nach Syrien nicht mehr zur Diskussion, aber gegen einen kurzen Aufenthalt in Berlin wäre laut Woermann eigentlich nichts einzuwenden, vorausgesetzt, daß der Mufti und Gailani nicht „auf die Dauer in Berlin“ blieben. „In Frage käme ein deutscher Kurort wie etwa Karlsbad oder der Semmering oder auch ein dem Orient näher gelegener Ort wie etwa ein Ort in der Umgegend Salonikis oder am Schwarzen Meer.“59

Den Deutschen waren die beiden arabischen Nationalisten offensichtlich unbequem geworden; aber ganz auf ihre Mitarbeit wollten sie dennoch nicht verzichten. Die Begründung, daß sie nicht nach Syrien einreisen sollten, weil sie „dort unnötig Gefahr laufen“ würden, scheint nur ein Vorwand gewesen zu sein, um ein unerwünschtes Einmischen des Mufti und Gailanis in die dortigen politischen Verhältnisse zu verhindern. Es zeichnete sich aber ab, daß von den beiden Gailani jetzt als der nützlichere für Deutschland zu betrachten sei. Sollte Deutschland zu einem späteren Zeitpunkt den Irak „befreien“, würde Gailani unter bestimmten Bedingungen die Regierung übernehmen. Es müßte aber umgehend „ein Geheimabkommen mit der Reichsregierung über eine enge militärische, politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit“ getroffen werden.60 Bereits zu diesem Zeitpunkt empfand Grobba mehr Verständnis für Gailani als für den Mufti, so daß eine bittere Rivalität zwischen den beiden arabischen Führern vorprogrammiert war.

Der Mufti suchte seinerseits den Kontakt zu Ettel. Er griff zu der Methode, die er am besten verstand: die Intrige. Über seinen Sekretär Haddad ließ er Ettel über das Doppelspiel der Italiener aufklären. Natürlich sollte die Angelegenheit als „streng vertraulich“ behandelt werden. Haddad teilte Ettel mit, daß der Mufti und Gailani bedrängt werden, „schon jetzt, das heißt also vor Kriegsende politische und wirtschaftliche Abmachungen mit Italien“ zu treffen. Deutschland als „nordischer Staat“ habe „kein Interesse im Mittelmeerraum“. Der Mufti und Haddad hätten sich dagegen auf den Standpunkt gestellt, daß, „wenn Abmachungen getroffen werden, diese nur zusammen und mit vollem Einverständnis mit Deutschland getroffen werden könnten“.61

Als der Iran von den Briten und Russen am 25. August besetzt wurde, mußten die Panarabisten ihre Hoffnung auf einen schnellen Vorstoß der Achse in den Nahen Osten begraben. Der Schah wurde zur Abdankung gezwungen, und der Mufti suchte Zuflucht in der japanischen Gesandtschaft.62 Natürlich konnte dies nur eine Zwischenlösung sein. Am 14. Oktober meldete der Botschaftsrat Kroll von der deutschen Botschaft in Ankara, daß Gailani ihm berichtet habe, die Italiener hätten den Mufti herausgeschmuggelt.63

Khadduri berichtet, daß el-Husseini bei seinem Zwischenaufenthalt in Istanbul erfahren habe, daß kurz zuvor die Panarabisten Gailani zu ihrem offiziellen Sprecher für die bevorstehenden Verhandlungen mit Deutschland ernannt hatten.64 Über diese Entwicklung war der Mufti äußerst verbittert. Der Grund, daß die Deutschen Gailani den Vorzug gaben, hing damit zusammen, daß jetzt die Möglichkeit erwogen wurde, erst nach siegreicher Beendigung des „Unternehmens Barbarossa“ vom Norden her in den Irak einzudringen. Als „rechtmäßiger Regierungschef“ des Irak wäre Gailani für die Deutschen von besonderer Bedeutung gewesen. Ferner machte er aus seinem Mißtrauen gegenüber Italien keinen Hehl. El-Husseini dagegen schien als „Mufti von Palästina“ weniger wichtig, zumal die Briten ihren Teilungsplan aufgegeben hatten und die Gefahr eines jüdischen Staates nicht mehr zur Debatte stand. Noch zu diesem Zeitpunkt glaubte Hitler, auf Italien, die Türkei sowie die Vichy-Regierung Rücksicht nehmen zu müssen. Die deutsche Regierung verkannte offensichtlich die Macht des Mufti, der zumindest im Irak eine für sie außerordentlich günstige Lage vorbereitet hatte. Durch ihren Mangel an echtem Interesse und durch ihre Verzögerungstaktik verspielten die Nationalsozialisten eine große Chance, im Nahen Osten Fuß zu fassen.

Der Mufti von Jerusalem

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