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3.3Der Mufti entsendet Emissäre in die Türkei, nach Italien und Deutschland

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Nach dem Scheitern der türkisch-irakischen Gespräche in Ankara fuhr der irakische Justizminister Naji Shawkat nach Istanbul, wo er dem deutschen Botschafter von Papen ein Schreiben des Mufti vom 21. Juni 1940 überreichte. In diesem Brief wies der Mufti darauf hin, daß Shawkat die geeignete Person sei, mit dem Botschafter von Papen vertraulich arabische Angelegenheiten besprechen könne. Der Mufti freue sich besonders, daß er sich mit der deutschen Regierung über die Botschaft in Ankara in Verbindung setzen könne, da seit Kriegsanfang derartige Kontakte auf anderem Wege unmöglich seien. Er bat um die Übermittlung seiner herzlichsten Glückwünsche an „Son Excellence le Grand Chef et Leader“19 anläßlich der großen politischen und militärischen Triumphe, die Hitler durch seine „Vorsehung und sein großes Genie“ errungen habe. Der Mufti wünschte Hitler weiterhin viel Erfolg für seine bereits begonnene Aufgabe, eine „neue Ordnung“ zu schaffen. Er bedankte sich auch für das Interesse und die Aufmerksamkeit, die Hitler in den letzten vier Jahren ohne Unterlaß der arabischen und besonders der palästinensischen Frage entgegengebracht habe. Anläßlich seiner großen Erfolge empfinde die arabische Nation überall größte Freude und vollste Zufriedenheit.

Ferner erwähnte der Mufti, daß Palästina, das seit vier Jahren die Demokratien und das „internationale Judentum“ bekämpfe, jederzeit bereit sei, eine aktive Rolle zu übernehmen und seine Bemühungen auch in anderen arabischen Ländern zu verdoppeln. Das durch den gemeinsamen Feind „verleumdete, mißhandelte und betrogene“ arabische Volk erwarte zuversichtlich, daß das Ergebnis des deutschen Sieges die arabische Unabhängigkeit und gänzliche Befreiung sowie die Schaffung seiner Einheit sein werde, wobei es mit Deutschland durch einen Vertrag der Freundschaft und Kooperation verbunden bleiben wolle. Der Mufti bat darüber hinaus von Papen, mit Shawkat die arabische Frage, die Zukunft Palästinas und Syriens sowie das Programm, das die deutsche Regierung für angebracht halte, im Detail voll zu diskutieren, um den Grundstein für eine Zusammenarbeit beider Völker zu legen.

Im Gespräch, das von Papen „völlig rezeptiv“ geführt wurde, brachte der irakische Justizminister zum Ausdruck, daß der Irak eher an einer Zusammenarbeit mit Deutschland als mit Italien interessiert sei. In Anbetracht des italienischen Imperialismus möge Deutschland seinen Einfluß auf Italien zugunsten der arabischen Bewegung einsetzen. Auf die Frage, ob der Irak Deutschland im bevorstehenden Endkampf gegen Großbritannien unterstützen würde, äußerte sich Shawkat jedoch sehr zurückhaltend. Shawkat empfahl die Wiedereinsetzung der arabischen nationalen Regierung in Damaskus, da als Ergebnis französischer Maßnahmen die Beteiligung arabischer Nationalisten an der Administration 1939 beendet wurde. Diese Empfehlung sei auch vom Mufti stärkstens befürwortet worden, zumal die dortige nationale Regierung auch in Palästina den Kampf wieder aufnehmen werde, was für Deutschland besonders wertvoll wäre, da in Syrien die verschiedensten Interessen aufeinanderträfen.20

Während Naji Shawkat seine vertraulichen Gespräche mit von Papen führte, setzte sich Gailani – im Einverständnis mit dem Mufti und den vier Obersten – mit Gabrielli, dem italienischen Gesandten in Bagdad, in Verbindung, um von der italienischen Regierung eine Sympathieerklärung für die arabischen nationalen Aspirationen zu erhalten. Nach Rücksprache mit seinem Außenminister Ciano kam Gabrielli diesem Wunsch am 7. Juli 1940 nach, wobei die Erklärung allerdings aufgrund der vagen Instruktionen Cianos schriftlich und nicht – wie vorgesehen – mündlich erfolgte. Am 22. Juli schrieb der Mufti erneut an von Papen. Er bedankte sich für das Naji Shawkat gewährte Gespräch und teilte dem Botschafter mit, er habe seinen Privatsekretär damit beauftragt, nach Berlin und Rom zu reisen, um Vorverhandlungen für eine enge und sofortige Kooperation zwischen den arabischen Ländern und der Achse einzuleiten. Sein Sekretär als Überbringer des Briefes werde inkognito reisen, sei aber gut bekannt bei „unseren Freunden in Berlin“.21

Von Papen schrieb dem AA am 6. August, daß der gesamte Fragenkomplex vom Sekretär des Mufti mit Berlin und Rom besprochen werden solle. Der Sekretär, der in Berlin unter dem Namen Osman Kemal Haddad bekannt sei, sei zuletzt am 3. September 1939 dort in der Pension Sydow gewesen. Sein irakischer Paß Nr. 593 laute auf den Namen Tewfik Ali al-Shakir. Er habe die Einreiseerlaubnis Ungarns und erbitte, daß der deutsche Gesandte von Erdmannsdorf angewiesen werde, ihm die Einreiseerlaubnis nach Berlin zu erteilen. Anläßlich des Treffens gab Haddad Papen zu verstehen, die italienisch-arabischen Verhandlungen mit Bagdad hätten die „schriftliche Zustimmung Italiens ergeben, daß sämtlichen unter Mandat oder Protektorat befindlichen arabischen Ländern seitens Italiens Unabhängigkeit fest zugesichert“ sei. Auf dieser Grundlage wünsche die irakische Regierung die „Wiederherstellung der Beziehungen zu Deutschland“. Sie werde sich dann von Nuri as-Said trennen.22

Haddad reiste unter dem Pseudonym Max Müller über Budapest nach Berlin, wo er sich am 26. August mit Grobba traf. Im Auftrag des Mufti erklärte er u.a., daß sich im Irak unter dem Vorsitz des Mufti „ein Komitee für die Zusammenarbeit zwischen den arabischen Ländern gebildet“ habe. Dieses Komitee habe schon seit einigen Monaten versucht, Kontakt zu Deutschland aufzunehmen; aber dies sei daran gescheitert, daß es ihm nicht gelungen sei, das erforderliche Transitvisum seitens der Türkei oder des Iran für einen Vertrauensmann zu erhalten. Der Privatsekretär des Mufti wies darauf hin, daß sich der Irak nunmehr in einer stärkeren Lage befinde und nicht mehr unbedingt den Briten gehorchen müßte, denen er gegenüber „eine selbständige Haltung eingenommen“ habe. Für eine Erklärung seitens Deutschlands und Italiens, daß sie das arabische Recht auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung anerkennen und daß die arabischen Länder die „Frage der jüdischen Elemente“ so lösen dürften, wie Deutschland und Italien es getan haben, wäre der Irak zu weitgehenden Konzessionen bereit. Es sollten nicht nur die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland wieder aufgenommen werden, sondern Deutschland und Italien sollte auch „eine Vorrangstellung“ eingeräumt werden, was die „Ausbeutung der irakischen Bodenschätze, insbesondere seines Erdöls“ betreffe. Ferner sollte in Palästina und Transjordanien ein allgemeiner Aufstand gegen die Briten entfesselt werden, dessen Kosten zu je einem Drittel vom Arabischen Komitee, Deutschland und Italien gedeckt werden sollten.23 Es ist offensichtlich, daß der Mufti seine Macht im Irak den Deutschen gegenüber dokumentieren wollte. Dem Komitee unter seinem Vorsitz gehörten nicht nur wichtige Persönlichkeiten der irakischen Armee an, sondern auch der Premier Rashid Ali al-Gailani. El-Husseini betonte, daß die palästinensischen Interessen durch ihn selbst vertreten werden. Die Bezeichnung „Großmufti von Palästina“ diente zweifellos dazu, auf eine Aufwertung seines Status hinzudeuten.

Staatsekretär von Weizsäcker informierte den deutschen Botschafter in Rom, von Mackensen, über die Vorschläge des Mufti und brachte u.a. zum Ausdruck, daß die Reichsregierung der Angelegenheit positiv gegenüberstehe, „d.h. sie wäre unter Umständen bereit, mit Beutewaffen und Geldmitteln zu helfen“. Allerdings würde sie „nur im Einvernehmen mit Italien vorgehen“.24 Zu diesem Thema erwiderte Mackensen in einem Telegramm vom 10. September, er habe Graf Ciano über die ganze Angelegenheit unterrichtet und erfahren, daß der italienische Außenminister seit langem Verbindungen zum Mufti unterhalten habe, wovon die Geheimfonds des Mufti „ein Lied singen könnten“.25 Trotz aller Skepsis versprach Ciano, die Vorschläge prüfen zu lassen.

In einem weiteren Telegramm vom 14. September übermittelte Mackensen die Übersetzung der italienischen Aufzeichnung, aus der hervorging, daß eine öffentliche Erklärung nicht für nützlich gehalten werde. Ciano, der zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht wußte, daß der Gesandte Gabrielli am 7. Juli 1940 bereits eine schriftliche Erklärung abgegeben hatte, bezeichnete die diesbezügliche Behauptung des irakischen Justizministers Shawkat als „reine Phantasie. Am Gegenteil interessiert, werde er sich hüten, solche Erklärungen abzugeben.“26 Nach Meinung Cianos sollte man den Arabern gegenüber „eine dilatorische Haltung“ einnehmen und lediglich allgemeine mündliche Versprechungen machen. Im übrigen sei Italien bereit, den Mufti weiterhin finanziell zu unterstützen, aber keinesfalls in der von el-Husseini geforderten Höhe.27 Am 20. September wurde Haddad nunmehr vom AA informiert, daß die deutsche Regierung zwar der Idee einer Sympathieerklärung zustimme, aber der Meinung sei, diese solle zunächst von italienischer Seite erfolgen. Peinlich wurde die Angelegenheit, als Haddad darauf hinwies, daß die italienische Erklärung bereits vorliege.

Inzwischen bemühte sich der Mufti unermüdlich darum, die Zusicherung Deutschlands zu erhalten, zumal trotz finanzieller Unterstützung die umstrittene italienische Erklärung keineswegs das Mißtrauen der Araber gegenüber Italien zerstreute. In einer geheimen Aufzeichnung vom 30. September berichtete Grobba, daß Haddad ihn über die Einstellung der arabischen Staaten gegenüber Sowjetrußland vertraulich informiert habe. Aus diesem Dokument geht hervor, daß die arabischen Führer nach eingehender Überprüfung der Weltlage zum Schluß kamen, daß ein Zusammengehen mit der Sowjetunion nicht zweckmäßig sei, da „Sowjetrußlands Streben nach einem warmen Hafen eine Bedrohung der arabischen Länder bedeute und da das kommunistische System für die Mohammedaner unannehmbar sei“. Aus diesen Gründen schien die Zusammenarbeit mit den Achsenmächten sinnvoller. Allerdings würden die arabischen Führer – sollte ihre Unabhängigkeit durch Italien bedroht werden – „den Anschluß an Sowjetrußland als das kleinere Übel ansehen, da sie als Sowjetrepublik voraussichtlich größere Selbständigkeit genießen würden als unter italienischer Herrschaft“.28 Am 18. Oktober verlas Staatssekretär von Weizsäcker dem Privatsekretär des Mufti die gewünschte Erklärung, wobei allerdings die Garantie für die Unabhängigkeit der arabischen Länder fehlte.29 Obwohl die Angelegenheit in der Presse nicht erwähnt werden sollte, wurde der Wortlaut der Erklärung am 23. Oktober und „an mehreren folgenden Tagen […] durch den Rundfunk in arabischer Sprache abgegeben“.30

Der Mufti von Jerusalem

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