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3.6Der Putsch im Irak

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Ab Januar 1941 überstürzten sich die Ereignisse im Irak: Aufgrund von Differenzen mit dem Parlament reichte Gailani seine Demission ein und wurde durch Taha el-Hashimi ersetzt, der ebenfalls achsenfreundlich eingestellt war, aber jegliches Handeln zurückstellte, solange keine konkreten Versprechungen aus Berlin und Rom vorlagen. Inzwischen aber drängten die Briten darauf, daß eine deutliche pro-britische Politik befolgt werde und der Irak die diplomatischen Beziehungen zu Italien abbreche. Natürlich wäre ein derartiger Schritt für den Mufti von Nachteil gewesen, da er auf die italienische Botschaft angewiesen war, um seine Kontakte zur Achse aufrechtzuerhalten. Ferner gingen die Zahlungen der Achse für ihn über die italienische Botschaft ein. Durch die Ergebnisse von Haddads Gesprächen in Berlin und Rom ermutigt, entschlossen sich die vier Obersten und der Mufti, sofort zu agieren.

Der Putsch vom 1. April, der Gailani wieder an die Regierung brachte, kam überraschend und ungelegen für die Achse, deren ganze Aufmerksamkeit auf den Kriegsschauplatz Kreta gerichtet war. Peinlich für Deutschland war auch die Tatsache, daß jetzt konkret nach der Unterstützung gefragt wurde, die von Weizsäcker in seinem Schreiben vom 11. März zugesagt hatte. Offensichtlich war sich das AA überhaupt nicht darüber im klaren, wie es sich zu verhalten hatte. Trotz wiederholter Diskussionen über Waffenlieferungen lag noch kein „positives Ergebnis“ vor. Zunächst wußte man nicht einmal, was man in der Tat liefern sollte. Ribbentrop hatte lediglich „beim Führer festgestellt, daß Waffen aller Art zur Verfügung gestellt werden können“.44

Verzögert wurde auf deutscher Seite die Angelegenheit auch noch durch das Mißtrauen, das zwischen dem AA und der Abwehr herrschte. Das AA faßte den Entschluß, daß der Nachrichtendienst der Abwehr sich auf „militärische Angelegenheiten beschränken müsse“.45 Ribbentrop beauftragte Woermann, „sofort einen eigenen, von der Abwehr unabhängigen Nachrichtendienst des Auswärtigen Amtes aufzuziehen“. Der Privatsekretär des Mufti sollte vom AA „mit einer Sende- und Gebe-Funkanlage ausgerüstet“ werden, „damit das Auswärtige Amt aus dem Irak, von der Abwehr unabhängig, politische Nachrichten erhalten könne“.46

Italien sah sich auch außerstande, sofort auf die irakische Bitte um Hilfe einzugehen. Ferner mißtraute Rom dem plötzlichen Interesse Berlins am Nahen Osten, und die italienische Regierung ließ jetzt wissen, daß sie zwar mit dem ihr vorgelegten Text von Weizsäckers Brief an den Mufti einverstanden sei; es müsse aber berücksichtigt werden, daß – trotz aller Zusicherungen – die arabischen Länder einschließlich Syrien und Ägypten „natürlich in die zukünftige Ordnung der Welt und damit in die italienische Interessenzone am Mittelmeer“ eingeordnet werden müßten.47 Nach der britischen Landung im Irak glaubte Hitler selbst nicht mehr an die Möglichkeit einer erfolgreichen Intervention der Achse.48 Er wurde von Ribbentrop in einer Notiz vom 27. April erneut über die Situation informiert, wobei der Außenminister deutlich zum Ausdruck brachte, daß die irakische Regierung nicht „zum offenen Kampf gegen England veranlaßt werden“ soll, „ehe nicht sichergestellt ist, daß der Irak mit Hilfe der Achse stark genug ist, um sich gegen die Engländer halten zu können“.49

Die offenen Feindseligkeiten zwischen Großbritannien und dem Irak brachen am 2. Mai aus. Formell wurde jedoch von keiner Seite der Krieg erklärt. Anfang Mai wurde Grobba nach Bagdad entsandt, um Kontakte zum Mufti und Gailani aufzunehmen. Eine umfangreiche praktische Hilfe war jedoch nicht zu gewähren. Der Mufti unternahm aber weiterhin alles in seiner Macht Stehende, um sich die Unterstützung der Achse zu sichern. Unermüdlich arbeitete er weiter an der Schaffung und Ausdehnung einer Pro-Achsen-Atmosphäre: In einer am 9. Mai im Radio übertragenen Rede rief er sogar zum Djihad (heiliger Krieg) gegen Großbritannien auf.50 Es steht außer Frage, daß es ohne das ständige politische Schüren des Mufti erst gar nicht zum Pro-Achsen-Putsch gekommen wäre. Der Widerstand gegen den britischen Vormarsch war aber kaum nennenswert. Sicherlich kann die Tatsache, daß die Hilfe der Achsenmächte zu spät kam und keinesfalls ausreichte, als wesentlicher Grund für das Scheitern des Putsches angesehen werden.51 Fest steht aber auch, daß Hitler von Anfang an nicht bereit war, sich intensiv im Irak zu engagieren; zu mehr als einer Geste seines guten Willens war er nicht bereit.

Eigentlich war für die Achse die Möglichkeit eines wirksamen Eingreifens schon verloren, als Hitler am 23. Mai 1941 seine „Weisung Nr. 30“ unterzeichnete. Zwar betonte er, daß die arabische Freiheitsbewegung „unser natürlicher Bundesgenosse gegen England“ sei, wobei der Erhebung im Irak besondere Bedeutung zukomme. Der Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Reichsmarschall Göring, sollte „Art und Umfang des deutschen Eingreifens“ bestimmen. Hitler hatte jedoch zu diesem Zeitpunkt keine Absicht, aus dem Irak einen Hauptkriegsschauplatz zu machen; denn sein geplantes „Unternehmen Barbarossa“ war ihm wichtiger. Das mißlungene Eingreifen deutscher Flieger im Irak war lediglich ein Versuch, das Gesicht zu wahren. Hitler meinte, der Einsatz der Luftwaffe diene „dem Zweck, Selbstvertrauen und Widerstandswillen der irakischen Wehrmacht und des Volkes zu stärken“.52

Noch gegen Ende Mai versuchte el-Husseini die Deutschen unter Druck zu setzen und warnte eindringlich davor, daß „wenn der Irak in diesen Tagen falle, so würden nach und nach im ganzen Mittleren Osten die anti-englischen Bewegungen den britischen Waffen oder dem Gold und den englischen Intrigen erliegen“. Für die Achse wäre es dann schwer, denn sie müßte „eine Stellung nach der anderen erobern […], ohne dann mit dem gegenwärtigen Kampfgeist der arabischen Welt und ihrer Hilfe rechnen zu können, die ihr jetzt noch zur Verfügung stehe“.53

Nachdem sich der Mufti, Gailani und die vier Obersten bereits am 29. Mai 1941 nach Teheran in Sicherheit abgesetzt hatten, herrschte immer noch eine Welle der Einschüchterungen und des Terrors seitens der Pro-Achsen-Anhänger im Irak. Am 1. und 2. Juni kam es zu einem Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung, dem 179 Juden zum Opfer fielen. Zahlreiche jüdische Einrichtungen und Geschäfte wurden geschändet bzw. geplündert.54 Es bleibt bis heute ungeklärt, warum die britische Armee, die sich bereits vor Bagdad befand, nicht sofort eingriff, um dem Gemetzel ein Ende zu bereiten. In vielen Fällen bekamen die Juden lediglich von islamischen Nachbarn Hilfe, die sich schützend vor sie stellten – sowohl aus humanitären als auch aus religiösen Gründen. Dieser Pogrom, der als die Farhud bezeichnet wird, traumatisierte die jüdische Bevölkerung derart, daß er letztendlich mit zu der Massenauswanderung der irakischen Juden nach der Gründung des Staates Israel beitrug. Mit der Auswanderung der irakischen Juden nach Palästina hatten der blinde Haß und das Wirken des Muftis wieder einmal das Gegenteil von dem erreicht, was er eigentlich wollte. Ein von der Regierung im Irak eingesetztes Untersuchungskomitee nannte Amin el-Husseini als einen der Mitschuldigen für die anti-jüdischen Ausschreitungen vom 1. und 2. Juni 1941.55

Der Mufti von Jerusalem

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