Читать книгу Vom Wind verweht - Маргарет Митчелл - Страница 13

KAPITEL 5

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Es war zehn Uhr früh. Für einen Apriltag war es warm, und das goldene Sonnenlicht strömte hell durch die blauen Vorhänge der breiten Fenster in Scarletts Zimmer. Die cremefarbenen Wände leuchteten im Licht, die Mahagonimöbel schimmerten tief weinrot, während der Boden, wo ihn keine farbenfrohen Flickenteppiche bedeckten, glänzte, als wäre er aus Glas.

Sommer lag in der Luft, der erste Hinweis auf Georgias Sommer, wenn die Fluten des Frühlings widerstrebend vor der unerbittlichen Hitze weichen. Linde Wärme floss ins Zimmer, erfüllt von den samtenen Düften vieler Blüten, sprießender Bäume und der feuchten, frisch umgepflügten roten Erde. Durch das Fenster konnte Scarlett die leuchtende Pracht der Doppelreihen von Narzissen sehen, die den Kiesweg der Auffahrt säumten, sowie die goldenen Massen des gelben Jasmins, der seine Blütenzweige sittsam wie einen Reifrock auf die Erde breitete. Die Spottdrosseln und Häher zankten wie eh und je um den Besitz des Magnolienbaums unter Scarletts Fenster, die Häher schrill und erbittert, die Drosseln mit süßen Klagetönen.

Solch ein strahlender Morgen rief Scarlett gewöhnlich ans Fenster, wo sie sich mit den Armen auf die breite Fensterbank stützte, um die Düfte und Laute von Tara zu genießen. Doch heute hatte sie kein Auge für die Sonne oder den azurblauen Himmel, sie dachte nur kurz: Gott sei Dank regnet es nicht. Auf dem Bett lag das apfelgrüne Ballkleid aus Moiréseide mit dem Besatz aus ungebleichter Spitze bereit, fein säuberlich in einem großen Pappkarton verpackt, um nach Twelve Oaks gebracht und dort vor Beginn des Balls angelegt zu werden, doch Scarlett zuckte bei seinem Anblick nur die Achseln. Wenn ihre Pläne aufgingen, dann würde sie dieses Kleid heute Abend nicht tragen. Lange bevor der Ball begann, wären sie und Ashley schon auf dem Weg nach Jonesboro, um zu heiraten. Die schwierige Frage war nur – welches Kleid sollte sie beim Barbecue tragen?

Welches Kleid brachte ihre Reize am besten zur Geltung und machte sie für Ashley am unwiderstehlichsten? Seit acht Uhr probierte sie Kleider an und verwarf sie, und nun stand sie entmutigt und verdrießlich da in ihren Spitzenhosen, ihrem leinenen Korsettschoner und drei wogenden spitzenbesetzten Leinenunterröcken. Um sie herum lagen Kleider auf dem Boden, auf dem Bett und den Stühlen, bunte Stoffhaufen mit losen Bändern.

Das rosa Organzakleid mit der langen violetten Schärpe stand ihr gut, aber sie hatte es letzten Sommer getragen, als Melanie in Twelve Oaks zu Besuch war, und die würde sich bestimmt daran erinnern. Das schwarze Bombasinkleid mit Puffärmeln und Spitzenkragen brachte ihren weißen Teint wunderbar zur Geltung, aber es machte sie ein bisschen alt. Scarlett beäugte sich ängstlich im Spiegel, als befürchte sie, an ihrem sechzehnjährigen Gesicht Falten oder ein Doppelkinn zu entdecken. Auf keinen Fall durfte sie neben Melanies Jungmädchencharme behäbig und ältlich wirken. Das lavendelfarben gestreifte Musselinkleid mit seinen breiten Saumbesätzen aus Spitze und Tüll war wunderschön, aber es passte nicht zu ihrem Typ. Es hätte perfekt mit Carreens zartem Profil und unausgeprägtem Gesichtsausdruck harmoniert, aber Scarlett fand, dass sie selbst darin wie ein Schulmädchen aussah. Auf keinen Fall durfte sie neben Melanies Gelassenheit schulmädchenhaft wirken. Das grünkarierte Taftkleid mit seinen vielen Volants, von denen jeder mit einem grünen Samtband eingefasst war, stand ihr ausnehmend gut, es war eigentlich ihr Lieblingskleid, weil es ihre Augen smaragdgrün erscheinen ließ. Aber es hatte einen unübersehbaren Fettfleck vorne auf dem Mieder. Natürlich hätte sie ihre Brosche darüber befestigen können, aber vielleicht hatte Melanie scharfe Augen. Es blieben noch verschiedenfarbige Baumwollkleider, die für Scarletts Gefühl nicht festlich genug waren, Ballkleider und das grüngeblümte Kleid, das sie gestern getragen hatte. Aber das war ein Nachmittagskleid und nicht ganz passend für ein Barbecue, denn es hatte nur winzige Puffärmel und war am Hals tief genug ausgeschnitten, um als Tanzkleid durchzugehen. Doch es blieb keine Wahl, sie musste es tragen. Schließlich brauchte sie sich für ihren Hals, ihre Arme und ihren Busen nicht zu schämen, auch wenn es sich nicht schickte, sie am Vormittag zu zeigen.

Während sie so vor dem Spiegel stand und sich drehte, um sich von der Seite zu sehen, hatte sie an ihrer Figur nicht das Geringste auszusetzen. Ihr Hals war kurz, aber schön gerundet, ihre Arme waren drall und verlockend. Ihre Brüste, vom Korsett hochgestützt, waren sehr hübsch. Sie hatte nie nötig gehabt, kleine Halbmonde aus Seidenrüschen in das Futter ihres Mieders zu nähen, wie es die meisten Sechzehnjährigen taten, um ihrer Figur die gewünschten Rundungen zu geben. Sie war froh, dass sie Ellens schmale weiße Hände und ihre kleinen Füße geerbt hatte, und gerne hätte sie auch Ellens Größe gehabt, aber ihre eigene gefiel ihr auch sehr gut. Wie schade, dass man kein Bein zeigen durfte, dachte sie, raffte ihre Unterröcke und betrachtete bedauernd ihre drallen und adretten Beine unter dem Spitzenhöschen. Sie hatte so schöne Beine. Selbst die Mädchen an der Fayetteville Academy hatten das neidlos zugegeben. Und was ihre Taille anbetraf – kein Mädchen in Fayetteville und Jonesboro beziehungsweise in den drei umliegenden Countys hatte eine so schlanke Taille.

Der Gedanke an ihre Taille brachte sie zurück zu praktischen Überlegungen. Das grüne Musselinkleid maß um ihre Taille siebzehn Zoll, und Mammy hatte sie für das achtzehn Zoll weite Bombasinkleid geschnürt. Mammy würde sie fester schnüren müssen. Sie stieß die Tür auf und hörte schon Mammys schwere Schritte in der Halle unten. Ungeduldig rief sie nach ihr, denn sie konnte ihre Stimme ungestraft erheben, da Ellen im Räucherhaus Cookie das Essen für den Tag zumaß.

»Manche glauben wohl, ich kann fliegen«, grummelte Mammy und stapfte die Treppe herauf. Außer Atem und mit einer Miene, die Kampfbereitschaft verriet, trat sie ein. In ihren großen Händen trug sie ein Tablett, auf dem Essen dampfte, zwei große Yams mit Butter, ein Stapel Buchweizen-Pfannkuchen, die vor Sirup troffen, sowie eine dicke Scheibe Schinken, die im Bratensaft schwamm. Als Scarlett Mammys Last sah, wandelte sich ihr Gesichtsausdruck von leichtem Ärger zu störrischer Streitlust. Im Eifer des Anprobierens hatte sie Mammys eiserne Regel völlig vergessen, die O’Hara-Mädchen, bevor sie zu einer Party gingen, zu Hause so mit Essen vollzustopfen, dass sie dort keinen Bissen mehr zu sich nehmen konnten.

»Es ist zwecklos. Ich esse das nicht. Du kannst es gleich wieder in die Küche bringen.«

Mammy stellte das Tablett auf dem Tisch ab und stemmte die Hände in die Hüften.

»Und ob du was isst, Ma’m! Ich will nich noch mal erleben, was beim letzten Barbecue passiert is, wie mir von den Kutteln so schlecht war, dass ich dir kein Essen gebracht hab, bevor du aufgebrochen bist. Du isst das hier ratzekahl alles auf.«

»Das tu ich nicht! Komm lieber her und schnür mich fester, wir sind schon zu spät dran. Ich habe die Kutsche vorfahren hören.«

Mammys Stimme bekam einen schmeichlerischen Tonfall.

»Miss Scarlett, sei lieb und iss wenigstens ’n bisschen. Miss Carreen und Miss Suellen ham ihrs ganz aufgegessen.«

»Das sieht ihnen ähnlich«, sagte Scarlett verächtlich. »Die haben nicht mehr Temperament als ein Karnickel. Aber nicht mit mir! Ich hab genug von deinen Tabletts. Ich erinnere mich noch, wie ich mal das ganze Tablett leer gegessen habe, und dann gab es bei den Calverts Eiscreme aus echtem Eis, das sie aus Savannah hatten kommen lassen, und ich habe nur einen Löffel davon geschafft. Ich will es mir heute gut gehen lassen und so viel essen, wie ich mag.«

Angesichts dieser ketzerischen Aufmüpfigkeit runzelte Mammy unwillig die Stirn. Was ein junges Mädchen tun durfte und was nicht, das war für Mammy so grundverschieden wie schwarz und weiß. Bei den Benimmregeln gab es keinen Mittelweg. Suellen und Carreen waren wie Wachs in ihren mächtigen Händen und folgten respektvoll ihren Warnungen. Aber es war immer ein Kampf gewesen, Scarlett beizubringen, dass die meisten ihrer natürlichen Regungen undamenhaft waren. Mammys Siege über Scarlett waren hart und mit listigen Winkelzügen erkämpft, wie sie einem Weißen nicht leicht beikommen.

»Dir isses vielleicht egal, wie die Leute über die Familie reden, aber mir nich«, polterte sie. »Ich hör mir nich an, dass alle auf der Party sagen, du bist nich gut erzogen. Ich hab mir den Mund fusselig geredet, dass man ne Lady daran erkennt, dass sie wie ’n Vögelchen isst. Und ich will nich, dass du zu Mister Wilkes gehst und wie ’n Pflücker isst und alles in dich reinschlingst wie ’n Schwein.«

»Mutter ist eine Dame, und sie isst trotzdem«, entgegnete Scarlett.

»Wenn du verheiratet bist, dann kannst du auch essen«, gab Mammy zurück. »Miss Ellen hat in deinem Alter nie was gegessen, wenn sie eingeladen war, und auch deine Tante Pauline nich und deine Tante Eulalie. Und die ham alle geheiratet. Junge Misses, die viel essen, kriegen keinen Mann, das is ne Regel.«

»Das glaube ich nicht. Bei dem Barbecue, als du krank warst und ich vorher nichts gegessen hatte, hat mir Ashley Wilkes erklärt, dass er es gerne sieht, wenn ein Mädchen einen gesunden Appetit hat.«

Mammy schüttelte bedenklich den Kopf.

»Was ’n Gentleman sagt und was er meint, is nich dasselbe. Und ich hab nich gehört, dass Mister Ashley gefragt hat, ob du ihn heiraten willst.«

Scarlett schaute finster drein und wollte eine scharfe Antwort geben, fing sich aber noch. Mammy hatte nicht ganz unrecht, und Widerspruch war zwecklos. Als Mammy Scarletts verstocktes Gesicht sah, nahm sie das Tablett und änderte mit der ihr eigenen Hinterlist ihre Taktik. Auf dem Weg zur Tür seufzte sie:

»Na schön, Ma’m, von mir aus. Ich hab Cookie gesagt, wie sie das Tablett hergerichtet hat, man kann ne Lady daran erkennen, was sie nich isst, und ich sag zu Cookie: ›Ich hab noch nie ne weiße Lady gesehn, die weniger gegessen hat als Miss Melly Hamilton beim letzten Mal, wie sie Mister Ashley – ich mein’, Miss India besucht hat.‹«

Scarlett warf ihr einen argwöhnischen Blick zu, doch Mammys breites Gesicht verriet keine Hintergedanken, sondern nur Bedauern darüber, dass Scarlett keine solche Lady wie Melanie Hamilton war.

»Stell das Tablett ab und schnüre mich enger«, sagte Scarlett gereizt. »Und danach versuche ich ein bisschen zu essen. Wenn ich jetzt esse, kannst du mich nicht fest genug schnüren.«

Ohne die Befriedigung über ihren Triumph zu zeigen, setzte Mammy das Tablett ab.

»Was will mein Lämmchen denn anziehn?«

»Das da«, antwortete Scarlett und zeigte auf den flauschigen Hügel aus grüngeblümtem Musselin. Sofort geriet Mammy in Harnisch.

»Nee, das geht nich. Das passt nich für’n Morgen. Du kannst nich vor drei Uhr deinen Busen zeigen, und das Kleid hat keinen Kragen und keine Ärmel. Und du kriegst Sommersprossen so sicher wie’s Amen in der Kirche, und das will ich nich noch mal erleben, wo ich den ganzen Winter Buttermilch auf dich draufgeschmiert hab, um die Sommersprossen zu bleichen, die du dir am Strand von Savannah geholt hast. Das werd ich deiner Mutter sagen.«

»Wenn du auch nur ein Wort zu ihr sagst, bevor ich angekleidet bin, esse ich keinen Bissen«, sagte Scarlett kühl. »Mutter hat keine Zeit, mich noch mal zum Umziehen hinaufzuschicken, wenn ich das Kleid anhabe.«

Mammy seufzte resigniert und gab sich geschlagen. Zwischen den beiden Übeln war es immer noch besser, dass Scarlett mit einem Nachmittagskleid zu einem Vormittagsbarbecue ging, als dass sie schlang wie ein Schwein.

»Halt dich wo fest und hol tief Luft«, befahl sie.

Scarlett gehorchte, nahm sich zusammen und hielt sich an einem der Bettpfosten fest. Mammy zog und ruckte tüchtig an den Schnüren, und als der winzige Umfang der in Fischbein eingezwängten Taille noch schmaler wurde, sah sie Scarlett stolz und liebevoll an.

»Niemand hat ne Taille wie mein Lämmchen«, sagte sie anerkennend. »Immer wenn ich Miss Suellen enger wie zwanzig Zoll schnüre, fällt sie in Ohnmacht.«

»Puh!« keuchte Scarlett. »Ich bin noch nie in Ohnmacht gefallen.«

»Na, es würd dir nich schaden, wenn du hin und wieder mal in Ohnmacht fallen würdest«, riet Mammy. »Du bist manchmal zu forsch, Miss Scarlett. Das wollte ich dir immer schon mal sagen, es macht keinen guten Eindruck, wenn du bei Schlangen und Mäusen und so nich ohnmächtig wirst. Ich mein nich hier zu Hause, sondern wenn du auswärts in Gesellschaft bist. Und ich hab mir den Mund fusselig …«

»Oh, mach schnell und rede nicht so viel. Ich kriege bestimmt nen Mann. Du wirst schon sehen, auch wenn ich nicht kreische und in Ohnmacht falle. Gott, ist das Korsett eng! Zieh mir das Kleid an.«

Mammy ließ vorsichtig die zehn Meter Musselin über die ausladenden Unterröcke gleiten und hakte das enge, tief ausgeschnittene Mieder zu.

»Du behältst in der Sonne das Tuch um die Schultern, und lass bloß den Hut auf, wenn’s dir zu warm wird«, kommandierte sie. »Sonst kommst du braun wie die alte Miss Slattery nach Hause. Jetzt iss mal, Schatz, aber nich zu schnell. Es hat keinen Sinn, wenn alles gleich wieder hochkommt.«

Scarlett setzte sich folgsam vor das Tablett, voller Zweifel, dass sie irgendetwas in ihren Magen und gleichzeitig noch Luft kriegen könnte. Mammy nahm ein großes Handtuch vom Wäschetisch, band es Scarlett sorgfältig um den Hals und breitete die weißen Falten über ihren Schoß. Scarlett begann mit dem Schinken, weil sie Schinken mochte, und zwang ihn in sich hinein.

»Wäre ich doch bloß verheiratet«, sagte sie grollend und nahm widerwillig die Yams in Angriff. »Ich habe es satt, mich immer verstellen zu müssen und nie das zu tun, was ich will. Ich habe es satt, so zu tun, als ob ich nicht mehr esse als ein Vögelchen, und langsam zu gehen, wenn ich rennen will, und zu sagen, dass ich nach einem Walzer erschöpft bin, wo ich zwei Tage durchtanzen könnte, ohne müde zu werden. Ich habe es satt, ›Ich finde Sie so toll!‹ zu Männern zu sagen, die nicht halb so viel Verstand haben wie ich, und ich habe es satt, so zu tun, als wüsste ich nichts, damit die Männer mir etwas erklären und sich wichtig fühlen können, während sie es tun … Ich krieg keinen Bissen mehr runter.«

»Versuch einen Pfannkuchen«, sagte Mammy unerbittlich.

»Warum muss ein Mädchen so doof sein, um einen Mann zu kriegen?«

»Ich glaub, das is so, weil Gentlemänner nich wissen, was sie wollen. Die wissen nur, was sie sich einbilden. Und wenn man ihnen gibt, was sie sich einbilden, erspart einem das ’n Haufen Unglück und man wird keine alte Jungfer. Und die glauben, sie wollen kleine Mäuse, die wie Vögelchen essen und keinen Verstand ham. ’n Gentleman hat doch keine Lust, ne Frau zu heiraten, wenn er glaubt, dass sie mehr Verstand hat wie er selber.«

»Glaubst du nicht, dass die Männer überrascht sind, wenn sie nach der Heirat feststellen, dass ihre Frauen doch Verstand haben?«

»Na, dann isses zu spät. Dann sind sie ja verheiratet. Außerdem rechnen die Gentlemänner damit, dass ihre Frauen Verstand ham.«

»Eines Tages werde ich alles tun und sagen, wozu ich Lust habe, und wenn das den Leuten nicht passt, ist mir das egal.«

»Nee, das lässt du schön bleiben«, sagte Mammy grimmig. »Nich solang ich lebe. Jetzt iss die Pfannkuchen. Tunk sie in die Soße, Schatz.«

»Ich glaube, Yankee-Mädchen müssen sich nicht so dumm benehmen. Als wir letztes Jahr in Saratoga waren, habe ich viele gesehen, die sich benommen haben, als hätten sie richtig Verstand, und zwar auch gegenüber Männern.«

Mammy schnaubte verächtlich.

»Yankee-Mädchen! Ja Ma’m, die sagen vielleicht frei raus, was sie denken, aber ich hab nich viele in Saratoga gesehn, die nen Antrag bekommen haben.«

»Aber Yankees müssen doch heiraten«, hielt Scarlett dagegen. »Sie wachsen schließlich nicht auf Bäumen. Sie müssen heiraten und Kinder kriegen. Sonst gäbe es nicht so viele.«

»Die Männer heiraten sie wegen ihrem Geld«, sagte Mammy bestimmt.

Scarlett tunkte den Pfannkuchen in die Soße und schob ihn in den Mund. Vielleicht war etwas dran an Mammys Behauptung. Es musste etwas dran sein, denn Ellen sagte das Gleiche, nur in anderen und gewählteren Worten. Tatsächlich schärften die Mütter aller Freundinnen ihren Töchtern ein, sich als hilflose, anschmiegsame, rehäugige Wesen zu geben. Wirklich, es brauchte eine Menge Disziplin, um eine solche Pose zu erlernen und durchzuhalten. Vielleicht war sie zu keck gewesen? Gelegentlich hatte sie mit Ashley gestritten und freiheraus ihre Meinung gesagt. Vielleicht war das zusammen mit ihrer gesunden Freude an frischer Luft und am Reiten der Grund dafür, dass Ashley sich der zerbrechlichen Melanie zugewandt hatte. Vielleicht, wenn sie ihre Taktik änderte … Aber sie wusste, wenn er solchen vorher ausgeklügelten Tricks erlag, dann könnte sie ihn nie wieder so achten wie jetzt. Ein Mann, der dumm genug war, um auf ein affektiertes Lächeln, eine Ohnmacht und ein »Oh, wie toll Sie sind!« hereinzufallen, war nicht der Mühe wert. Aber alle schienen das zu mögen.

Wenn sie in der Vergangenheit bei Ashley die falsche Taktik angewendet hatte – tja, das war nun einmal geschehen. Heute würde sie eine andere anwenden, und zwar die richtige. Sie wollte ihn, und sie hatte nur wenige Stunden, um ihn zu gewinnen. Wenn eine echte oder vorgetäuschte Ohnmacht diesen Zweck erfüllte, dann würde sie eben ohnmächtig. Wenn affektiertes Lächeln, Koketterie oder Unbedarftheit ihn anzogen, dann würde sie mit Freude die Kokette spielen und unbedarfter sein als selbst Cathleen Calvert. Und wenn mutigere Maßnahmen nötig sein sollten, dann würde sie auch die ergreifen. Heute oder nie!

Es gab niemanden, der Scarlett erklärte, dass ihre eigene Persönlichkeit, so einschüchternd lebendig sie auch war, anziehender wirkte als jede Maske, die sie sich überstülpte. Hätte man es ihr gesagt, hätte sie geschmeichelt, aber ungläubig reagiert. Und ebenso ungläubig hätte die Gesellschaft, der sie angehörte, reagiert, denn zu keiner Zeit, weder vorher noch nachher, legte man so wenig Wert auf weibliche Natürlichkeit.

Während der Kutschfahrt auf der roten Landstraße zur Plantage der Wilkes erfüllte es Scarlett mit diebischer Freude, dass weder ihre Mutter noch Mammy an der Party teilnahm. Beim Barbecue würde niemand mit leicht hochgezogenen Augenbrauen oder vorgeschobener Unterlippe ihren Plan behindern. Natürlich würde Suellen morgen petzen, aber wenn alles so ausging, wie Scarlett es sich erhoffte, würde das Entzücken der Familie über die Verlobung oder Flucht ihren Unwillen weit überwiegen. Ja, sie war sehr froh, dass Ellen zu Hause bleiben musste.

Gerald hatte sich am Morgen mit einigen Brandys gestärkt und Jonas Wilkerson entlassen, und Ellen blieb in Tara, um die Rechnungsbücher der Plantage durchzugehen, bevor er aufbrach. Scarlett hatte ihrer Mutter in dem kleinen Büro einen Abschiedskuss gegeben, wo sie vor dem hohen Sekretär mit seinen überfüllten Papierfächern saß. Jonas Wilkerson, den Hut in der Hand, stand neben ihr. Sein blasses, straffes Gesicht verbarg kaum seinen Hass und seine Wut darüber, dass er so mir nichts dir nichts aus dem besten Aufseher-Job im ganzen County hinausgeworfen worden war. Und alles nur wegen einem kleinen Techtelmechtel. Er hatte Gerald immer wieder erklärt, dass Emmie Slatterys Baby ebenso gut von einem Dutzend anderer Männer gezeugt worden sein konnte – und Gerald hatte ihm da beigepflichtet –, aber das hatte an der Sache von Ellens Warte aus nichts geändert. Jonas hasste alle Südstaatler. Er hasste ihre kühle Höflichkeit ihm gegenüber und ihre Verachtung für seinen gesellschaftlichen Status, die von ihrer Höflichkeit nur unzureichend verdeckt wurde. Ganz besonders hasste er Ellen O’Hara, denn sie war der Inbegriff all dessen, was er an den Südstaatlern verabscheute.

Mammy als Vorsteherin der Frauen war auf der Plantage geblieben, um Ellen zu unterstützen, und so saß Dilcey neben Toby auf dem Kutschbock, die Ballkleider der Mädchen in einer großen Schachtel auf dem Schoß. Gerald ritt auf seinem hochbeinigen Jagdpferd neben der Kutsche her, angewärmt vom Brandy und zufrieden, dass er die unerfreuliche Wilkerson-Angelegenheit so schnell hinter sich gebracht hatte. Er hatte die Verantwortung auf Ellen abgeladen, und dass sie enttäuscht sein könnte, das Barbecue und ihre Freunde zu verpassen, kam ihm nicht in den Sinn. Denn es war ein strahlender Frühlingstag, und seine Felder waren schön, und die Vögel sangen, und er fühlte sich zu jung und ausgelassen, um an irgendjemand anderen zu denken. Hin und wieder trällerte er das ein oder andere irische Lied wie Peg in a Low-backed Car oder auch die eher düstere Klage um Robert Emmet: She is far from the Land, where her Young Hero Sleeps.

Er war glücklich, voller Vorfreude, den ganzen Tag über die Yankees herziehen und über den Krieg schwadronieren zu können, und er war stolz auf seine drei hübschen Töchter in ihren hellen ausladenden Reifröcken unter ihren närrischen spitzenbesetzten Sonnenschirmchen. An das gestrige Gespräch mit Scarlett dachte er nicht mehr, er hatte es vollständig vergessen. Er fand nur, dass sie hübsch war und ihm alle Ehre machte und dass ihre Augen heute so grün leuchteten wie die Hügel Irlands. Dieser Gedanke hob sein Selbstgefühl, denn es schwang Poesie darin mit, und so traktierte er die Mädchen mit einem lauten und leicht falsch gesungenen Ständchen von The Wearin’ o’the Green.

Scarlett sah ihn mit liebevoller Nachsicht an, wie Mütter sie für ihre kleinen Prahlhänse empfinden. Sie wusste, dass er bei Sonnenuntergang schwer betrunken sein würde. Auf dem Heimweg würde er wie gewöhnlich versuchen, über jeden Zaun zwischen Twelve Oaks und Tara zu springen, und sich hoffentlich dank der barmherzigen Vorsehung und der Klugheit seines Pferdes nicht das Genick brechen. Er würde die Brücke verschmähen und mit seinem Pferd durch den Fluss schwimmen und grölend heimkehren, um dann von Pork auf dem Sofa im Büro zu Bett gebracht zu werden. Pork blieb bei solchen Gelegenheiten immer auf und wartete mit einer Lampe in der vorderen Halle.

Gerald würde seinen neuen feinen grauen Anzug ruinieren, am Morgen lauthals darüber fluchen und Ellen umständlich erklären, sein Pferd sei im Dunkeln von der Brücke gestürzt – eine durchsichtige Lüge, die ihm niemand glaubte, die aber alle akzeptierten, weshalb er sich sehr durchtrieben vorkam.

Pa ist ein lieber, egoistischer und leichtsinniger Kindskopf, dachte Scarlett in plötzlich aufwallender Zuneigung. Sie war so aufgeregt und glücklich an diesem Morgen, dass sie die ganze Welt und auch Gerald in ihre Zuneigung einschloss. Sie war hübsch, und das wusste sie. Noch vor Ende des Tages würde sie Ashley für sich haben. Die Sonne schien warm und angenehm, und die ganze Pracht des Frühlings in Georgia breitete sich vor ihr aus. Am Straßenrand wucherten die Brombeersträucher in sanftestem Grün über die rohen roten Furchen, die der Winterregen in den Boden geschnitten hatte, und die kahlen Granitbuckel, die durch die Erde brachen, waren von Cherokee-Rosenbüschen bedeckt und von wilden Veilchen im zartesten Violett eingefasst. Auf den bewaldeten Hügeln oberhalb des Flusses blühte der Hartriegel blendend weiß, als hätten sich in dem Grün noch Schneereste erhalten. Die Knospen der wilden Apfelbäume brachen auf und leuchteten von Blassweiß bis Dunkelrosa, und unter den Bäumen, wo das Sonnenlicht die Piniennadeln sprenkelte, bildete wildes Geißblatt einen bunten Teppich von Scharlachrot über Orangefarben bis Rosa. Der sanfte Wind trug einen zarten Geruch von wilden Gewürzsträuchern herbei, und die Welt duftete zum Anbeißen süß.

Ich werde mich bis an mein Lebensende daran erinnern, wie schön dieser Tag ist, dachte Scarlett. Vielleicht ist es ja mein Hochzeitstag!

Und ihr Herz hüpfte bei der Vorstellung, wie sie und Ashley vielleicht noch an diesem Nachmittag oder heute Nacht bei Mondschein durch diese schöne Welt aus Blüten und Grün eilends nach Jonesboro zu einem Priester fahren würden. Natürlich müssten sie sich dann von einem Priester in Atlanta noch einmal trauen lassen, aber darum sollten sich Ellen und Gerald kümmern. Ein wenig sank ihr der Mut bei der Vorstellung, wie leichenblass Ellen die Nachricht entgegennehmen würde, dass ihre Tochter mit dem Verlobten eines anderen Mädchens durchgebrannt war, aber sie wusste, Ellen würde ihr vergeben, wenn sie erst sah, wie glücklich sie war. Und Gerald würde schimpfen und schreien, aber obwohl er gestern gesagt hatte, er sei gegen eine Ehe mit Ashley, würde ihn eine Verbindung zwischen seiner Familie und den Wilkes unsagbar froh machen.

Aber darüber kann ich mir den Kopf zerbrechen, wenn ich verheiratet bin, dachte sie und schob die Sorgen beiseite.

Es war unmöglich, an diesem warmen sonnigen Frühlingstag etwas anderes als durchdringendes Glück zu fühlen, während die Schornsteine von Twelve Oaks allmählich über dem Hügel jenseits des Flusses auftauchten.

»Dort werde ich mein ganzes Leben verbringen, und ich werde noch fünfzig Mal einen solchen Frühling erleben, vielleicht sogar öfter, und ich werde meinen Kindern und Enkeln erzählen, wie schön dieser Frühling war, schöner, als sie je einen erleben werden.« Bei diesem Gedanken war sie so glücklich, dass sie in den letzten Refrain von The Wearin’ o’the Green einfiel und Geralds laute Zustimmung erhielt.

»Ich verstehe nicht, wieso du heute Morgen so fröhlich bist«, sagte Suellen verdrossen, denn es nagte immer noch an ihr, dass sie in Scarletts grünseidenem Ballkleid sehr viel besser aussähe als dessen rechtmäßige Besitzerin. Warum war Scarlett auch immer so egoistisch, wenn es um das Verleihen von Kleidern und Hauben ging? Und warum stärkte Mutter ihr immer den Rücken und sagte, Grün sei nicht Suellens Farbe? »Du weißt so gut wie ich, dass heute Abend Ashleys Verlobung bekannt gegeben wird. Pa hat’s heute Morgen gesagt. Und ich weiß, dass du ihm seit Monaten schöne Augen machst.«

»Was du alles weißt«, sagte Scarlett und streckte ihr die Zunge heraus. Sie hatte keine Lust, sich ihre gute Laune verderben zu lassen. Was für ein blaues Wunder Miss Sue morgen früh um diese Zeit erleben würde!

»Susie, du weißt, dass das nicht stimmt«, protestierte Carreen betroffen. »Scarlett hat es doch auf Brent abgesehen.«

Scarlett wandte ihrer jüngeren Schwester lachende grüne Augen zu und fragte sich, wie jemand nur so lieb sein konnte. Die ganze Familie wusste, dass Carreen ihr dreizehnjähriges Herz an Brent Tarleton gehängt hatte, der in ihr nie etwas anderes sah als Scarletts kleine Schwester. Wenn Ellen nicht da war, zogen die O’Haras sie damit auf, bis ihr die Tränen kamen.

»Süße, Brent ist mir völlig egal«, erklärte Scarlett, die vor lauter Glück großzügig wurde. »Und er macht sich auch nichts aus mir. Er wartet nur darauf, dass du erwachsen wirst!«

Carreens rundes kleines Gesicht, in dem Freude mit Ungläubigkeit kämpfte, lief rosarot an.

»O Scarlett, wirklich?«

»Scarlett, du weißt, dass Mutter gesagt hat, Carreen ist noch zu jung, um schon an Verehrer zu denken, und jetzt setzt du ihr solche Flausen in den Kopf.«

»Na, dann geh doch petzen, das ist mir doch egal«, erwiderte Scarlett. »Du willst die Kleine bloß zurückhalten, weil du weißt, dass sie in einem Jahr hübscher ist als du.«

»Ihr haltet heute eure Zungen im Zaum, oder ich komm euch mit der Gerte«, warnte Gerald. »Still jetzt! Hört man da Räder? Das sind die Tarletons oder die Fontaines.«

Als sie sich der Querstraße näherten, die den dicht bewaldeten Hügel von Mimosa und Fairhill herunterkam, wurde das Geräusch von Hufen und Kutschenrädern deutlicher, und hinter den Bäumen ertönten laute Frauenstimmen in fröhlichem Disput. Gerald ritt voraus, brachte dann sein Pferd zum Stehen und gab Toby ein Zeichen, die Kutsche anzuhalten, wo die beiden Straßen sich trafen.

»Das sind die Tarleton-Ladys«, verkündete er seinen Töchtern. Sein rotes Gesicht strahlte, denn keine Frau im ganzen County, von Ellen abgesehen, mochte er besser leiden als die rothaarige Mrs. Tarleton. »Und sie führt selber die Zügel. Ah, die Frau hat ein Händchen für Pferde! Federleicht und zäh wie Leder, und trotzdem zum Küssen hübsch. Zu schade, dass keine von euch solche Hände hat«, fügte er hinzu und warf seinen Töchtern liebevoll tadelnde Blicke zu. »Carreen hat Angst vor den armen Viechern, und Sue hat Hände wie Plätteisen, wenn sie die Zügel halten soll, und du, Puss …«

»Immerhin bin ich noch nie abgeworfen worden«, rief Scarlett gekränkt. »Und Mrs. Tarleton fliegt bei jeder Jagd vom Pferd.«

»Und bricht sich das Schlüsselbein wie ein Mann«, sagte Gerald. »Keine Ohnmacht, kein Gejammer. Aber jetzt Schluss damit, da kommt sie.«

Er richtete sich in seinen Steigbügeln auf und schwenkte den Hut, als die Kutsche der Tarletons in Sicht kam, randvoll mit Mädchen in hellen Kleidern, mit Sonnenschirmen und flatternden Schleiern – und Mrs. Tarleton auf dem Kutschbock, wie Gerald gesagt hatte. Mit ihren vier Töchtern, deren Mammy und Ballkleidern in langen Pappschachteln war die Kutsche so überfüllt, dass kein Platz mehr für einen Kutscher war. Und außerdem ließ Beatrice Tarleton freiwillig niemanden, ob schwarz oder weiß, die Zügel führen, solange sie ihre Arme nicht in der Schlinge trug. Zart, zierlich und so weißhäutig, als hätte die glänzende Fülle ihres Haars alle Farbe aus ihrem Gesicht aufgesogen, verfügte sie gleichwohl über eine strahlende Gesundheit und unerschöpfliche Energie. Sie hatte acht Kinder geboren, alle so rothaarig und lebensvoll wie sie, und nach Ansicht des County prächtig großgezogen, weil sie ihnen die gleiche liebevolle Nachsicht und strenge Disziplin zuteilwerden ließ wie den Fohlen, die sie züchtete. »Bändige sie, aber brich nicht ihren Willen«, lautete Mrs. Tarletons Motto.

Sie liebte Pferde und kannte kaum ein anderes Gesprächsthema. Sie verstand sie besser und ging besser mit ihnen um als irgendein Mann im County. Die Koppel, die bis zum Rasen vor dem Haus reichte, wimmelte förmlich vor Fohlen, so wie das weitläufige Haus auf dem Hügel vor Kindern wimmelte, und Fohlen und Söhne und Töchter und Jagdhunde tummelten sich hinter ihr, wenn sie durch die Plantage ging. Sie schrieb ihren Pferden, insbesondere ihrer Stute Nellie, menschliche Intelligenz zu; und wenn die häuslichen Pflichten sie über den Zeitpunkt ihres täglichen Ausritts hinaus beschäftigt hielten, drückte sie einem Sklavenkind die Zuckerdose in die Hand und sagte: »Gib Nellie eine Handvoll und sag ihr, ich komme gleich.«

Nur selten trug sie etwas anderes als Reitkleidung, denn ob sie ritt oder nicht, sie ging immer davon aus, dass sie reiten würde, und in dieser Erwartung kleidete sie sich an. Jeden Morgen, bei Regen oder Sonnenschein, wurde Nellie gesattelt und vor dem Haus auf und ab geführt, bis Mrs. Tarleton sich für eine Stunde von ihren Pflichten freimachen konnte. Doch die Verwaltung der Fairhill-Plantage war aufwendig und freie Zeit nicht leicht zu erübrigen, und so wurde Nellie Stunde um Stunde reiterlos am Zügel geführt, während Beatrice Tarleton ihren Tagesgeschäften nachging und dabei gedankenlos das lange Ende ihres Rocks über den Arm gehängt hatte, so dass darunter sechs Zoll blankgeputzter Stiefel zum Vorschein kamen.

Heute, da sie ein mattschwarzes Seidenkleid über einem unmodisch schmalen Reifrock trug, schien sich an ihrem alltäglichen Äußeren kaum etwas geändert zu haben, denn das Kleid war so streng geschnitten wie ihre Reittracht, und der kleine schwarze Hut mit seiner langen schwarzen Feder, die schräg über einem der warm funkelnden, braunen Augen wippte, war eine Kopie des zerbeulten alten Huts, den sie zur Jagd trug.

Sie winkte mit der Peitsche, als sie Gerald sah, und brachte ihr tänzelndes Paar Rotfüchse zum Stehen. Die vier Mädchen im Fond der Kutsche lehnten sich heraus und gaben so laute Begrüßungsschreie von sich, dass sich die Pferde vor Schreck aufbäumten. Ein zufälliger Beobachter hätte sicher gedacht, dass Jahre vergangen sein mussten, seit die Tarletons die O’Haras gesehen hatten, in Wirklichkeit waren es jedoch nur zwei Tage. Aber sie waren eine gesellige Familie und mochten ihre Nachbarn, vor allem die Mädchen der O’Haras. Das heißt, sie mochten Suellen und Carreen. Kein Mädchen im County, vielleicht mit Ausnahme der dämlichen Cathleen Calvert, konnte Scarlett wirklich gut leiden.

Im Sommer gab es im County im Durchschnitt jede Woche ein Barbecue und einen Ball, doch für die rothaarigen Tarletons mit ihrer enormen Fähigkeit, sich zu amüsieren, war jedes Barbecue und jeder Ball so aufregend, als ob sie noch nie etwas dergleichen erlebt hätten. Sie waren ein hübsch anzuschauendes, vollbusiges Quartett und so in der Kutsche zusammengequetscht, dass ihre Reifröcke und Volants sich verhedderten und ihre Sonnenschirme über den breiten, mit Rosen und schwarzsamtenen Kinnbändern geschmückten Florentiner Strohhüten fortwährend aneinanderstießen. Alle Schattierungen von rotem Haar waren unter diesen Hüten vertreten, Hettys einfach rotes Haar, Camillas Rotblond, Randas kupferfarbenes Goldbraun und das Karottenrot der kleinen Betsy.

»Das ist ne nette Mädchenschar, meiner Treu«, sagte Gerald galant und lenkte sein Pferd an die Seite der Kutsche. »Aber die müssen sich sehr anstrengen, wenn sie ihre Mutter übertreffen wollen.«

Mrs. Tarleton rollte ihre rotbraunen Augen und biss sich in gespielter Verlegenheit auf die Unterlippe, während die Mädchen johlten: »Ma, hör auf, ihm schöne Augen zu machen, sonst sagen wir’s Pa!« »Ich schwöre, Mr. O’Hara, sie lässt uns nie eine Chance, wenn ein gut aussehender Mann wie Sie auftaucht!«

Scarlett lachte mit den anderen über diese Späße, aber wie jedes Mal erschreckte es sie, wie die Tarletons mit ihrer Mutter umsprangen. Sie verhielten sich, als sei sie eine von ihnen und keinen Tag älter als sechzehn. Für Scarlett war schon die Vorstellung, solche Dinge zu ihrer eigenen Mutter zu sagen, beinahe ein Sakrileg. Und doch – und doch –, das Verhältnis der Tarleton-Mädchen zu ihrer Mutter hatte etwas sehr Sympathisches, und auch wenn sie sie kritisierten, schalten und auf den Arm nahmen, liebten sie sie über alles. Nicht, so sagte sich Scarlett rasch, dass sie eine Mutter wie Mrs. Tarleton Ellen vorgezogen hätte, aber trotzdem würde es Spaß machen, mit der Mutter so herumzualbern. Sie wusste, dass bereits diese Vorstellung Ellen gegenüber respektlos war, und schämte sich ein wenig. Es war ihr klar, dass keine solch komplizierten Gedanken je die Köpfe unter den vier flammenden Haarmähnen in der Kutsche beschwerten, und wie immer, wenn sie das Gefühl hatte, anders zu sein als ihresgleichen, beschlich sie eine gereizte Verwirrung.

So fix ihr Verstand war, so wenig taugte er zum Analysieren, doch halb unbewusst erkannte sie, dass die Tarleton-Mädchen, mochten sie auch unbändig wie Fohlen und wild wie Märzhasen sein, eine sorglose Unbeirrbarkeit geerbt hatten. Sowohl von Mutterseite wie von der des Vaters stammten sie von den ersten Siedlern in Nord-Georgia ab und waren nur eine Generation von den Pionieren entfernt. Sie waren ihrer selbst und ihrer Lebenswelt sicher. Sie wussten instinktiv, wer sie waren, genauso wie die Wilkes, wenn auch auf vollkommen andere Art, und sie kannten solche Konflikte nicht, wie sie häufig in Scarletts Brust tobten, wo sich das Blut einer leise sprechenden, überzüchteten Küstenaristokratin mit dem durchtriebenen, erdverbundenen Blut eines irischen Bauern mischte. Scarlett wollte ihre Mutter wie eine Göttin verehren und anbeten und sie zugleich necken und ihr das Haar zerzausen. Und sie wusste, dass sie nur eines von beidem konnte. Das gleiche widerstreitende Gefühl erweckte in ihr einerseits den Wunsch, eine zarte und vornehme Dame zu sein, während sie andererseits gerne ein Wildfang war, der nichts gegen ein paar Küsse einzuwenden hatte.

»Wo steckt denn Ellen heute Morgen?« fragte Mrs. Tarleton.

»Sie kümmert sich um die Entlassung unseres Aufsehers und geht mit ihm die Bücher durch. Und wo ist der Gatte mit den Jungs?«

»Oh, die sind schon vor Stunden nach Twelve Oaks geritten – um zu probieren, ob der Punsch auch stark genug ist, nehme ich an, als ob sie dafür nicht bis morgen früh Zeit hätten! Ich werde John Wilkes bitten, sie über Nacht dazubehalten, selbst wenn er sie im Stall unterbringen muss. Fünf betrunkene Männer sind einfach zu viel für mich. Bis zu drei, das geht noch, aber …«

Gerald unterbrach sie hastig, um das Thema zu wechseln. Er spürte, wie seine Töchter hinter seinem Rücken kicherten. Sie konnten sich gut erinnern, in welchem Zustand er vom letzten Barbecue bei den Wilkes im vergangenen Herbst heimgekehrt war.

»Und warum reiten Sie heute nicht, Mrs. Tarleton? Ohne Nellie sehen Sie überhaupt nicht wie Sie selber aus. Sie sind doch eigentlich ein Stentor, das sind Sie.«

»Ein Stentor? Sie dummer Junge!« rief Mrs. Tarleton und versuchte seinen irischen Akzent nachzuahmen. »Sie meinen einen Zentaur. Stentor war ein Mann mit einer Stimme wie ein Messinggong.«

»Stentor oder Zentaur, das ist doch egal«, antwortete Gerald, unbeeindruckt von seinem Fehler. »Und außerdem haben Sie ne Stimme wie ein Gong, Ma’m, wenn Sie Ihre Hunde antreiben, da gibt’s kein Vertun.«

»Da hörst du’s, Ma«, sagte Hetty. »Ich hab dir gesagt, du schreist wie ein Komantsche, wenn du einen Fuchs siehst.«

»Aber nicht so laut, wie du schreist, wenn Mammy dir die Ohren wäscht«, erwiderte Mrs. Tarleton. »Und das mit sechzehn! Nun, warum ich heute nicht reite: Nellie hat heute Morgen gefohlt.«

»Wirklich!« rief Gerald mit ungeheucheltem Interesse. Die irische Leidenschaft für Pferde blitzte in seinen Augen auf, und Scarlett erschrak erneut über den Unterschied zwischen ihrer Mutter und Mrs. Tarleton. Für Ellen fohlten Stuten nicht, und Kühe kalbten nicht. Kaum, dass Hühner Eier legten. Ellen ignorierte diese Dinge vollständig. Doch Mrs. Tarleton kannte keine solche Zurückhaltung.

»Eine kleine Stute, oder?«

»Nein, ein hübscher kleiner Hengst mit zwei Meter langen Beinen. Sie müssen rüberreiten und ihn sich ansehen, Mr. O’Hara. Es ist ein richtiges Tarleton-Pferd, so rot wie Hettys Locken.«

»Und sieht auch sonst ziemlich aus wie Hetty«, sagte Camilla und verschwand dann kreischend inmitten eines Tumults von Röcken, Spitzenunterhosen und wippenden Hüten, als Hetty, die tatsächlich ein langes Gesicht hatte, anfing, sie zu kneifen.

»Meine Fohlen sticht heute Morgen der Hafer«, sagte Mrs. Tarleton. »Sie sind schon die ganze Zeit außer Rand und Band, seit wir die Nachricht von Ashley und seiner kleinen Cousine aus Atlanta gehört haben. Wie heißt sie noch mal? Melanie? Das gute Kind, es ist ein süßes kleines Ding, aber ich kann mich nie an ihren Namen oder an ihr Gesicht erinnern. Unsere Köchin ist die Frau von Wilkes’ Butler, und er kam gestern Abend mit der Nachricht herüber, dass heute Abend die Verlobung bekannt gegeben wird, und Cookie hat es uns heute Morgen erzählt. Die Mädchen sind ganz aufgeregt deswegen, ich verstehe nur nicht, warum. Alle haben seit Jahren gewusst, dass Ashley sie heiraten wird, oder auch eine seiner Burr-Cousinen aus Macon. So wie Honey Wilkes Melanies Bruder Charles heiraten wird. Jetzt sagen Sie mir mal, Mr. O’Hara, ist es für die Wilkes denn illegal, außerhalb ihrer Familie zu heiraten? Denn wenn …«

Scarlett hörte den Rest der abfällig scherzenden Worte nicht mehr. Einen kurzen Augenblick war es, als hätte die Sonne sich hinter einer kalten Wolke weggeduckt und die Welt in Schatten getaucht, so dass alle Dinge ihre Farbe verloren. Das frische grüne Laub sah kränklich aus, der Hartriegel bleich und die vorhin noch so prächtig rosa blühenden Holzapfelbäume verblasst und reizlos. Scarlett grub ihre Finger ins Sitzpolster, und einen Augenblick lang schwankte ihr Sonnenschirm. Von Ashleys Verlobung zu wissen war eines, etwas ganz anderes aber, Leute so beiläufig darüber reden zu hören. Dann kehrte ihr Mut mit Macht zurück, die Sonne kam wieder heraus, und die Landschaft leuchtete erneut. Sie wusste, das Ashley sie liebte. Das war sicher. Und sie lächelte bei der Vorstellung, wie überrascht Mrs. Tarleton wäre, wenn heute Abend keine Verlobung bekannt gegeben würde – wie überrascht, wenn stattdessen eine Entführung stattfände. Und sie würde den Nachbarinnen erzählen, was für ein Schlitzohr Scarlett war, einfach dazusitzen und ihrem Gerede über Melanie zuzuhören, während sie und Ashley die ganze Zeit … sie schmunzelte, wenn sie daran dachte, und Hetty, die die Wirkung der Worte ihrer Mutter genau beobachtet hatte, sank mit leicht gerunzelter Stirn zurück.

»Sie können sagen, was Sie wollen, Mr. O’Hara«, sagte Mrs. Tarleton entschieden. »Das ist grundverkehrt, dieses Heiraten unter Cousins und Cousinen. Für Ashley ist es schlimm genug, dass er das Hamilton-Kind heiratet, aber dass Honey den farblosen Charles Hamilton heiraten soll …«

»Honey wird nie jemanden abkriegen, wenn sie Charlie nicht heiratet«, sagte Randa mit der Grausamkeit eines Mädchens, das sich seiner Beliebtheit sicher ist. »Sie hat außer ihm noch nie einen Verehrer gehabt. Und er hat sich nie so benommen, als hätte er eine Schwäche für sie trotz ihrer Verlobung. Scarlett, erinnerst du dich, wie er letztes Weihnachten hinter dir her war …«

»Sei nicht so boshaft, Miss«, sagte ihre Mutter. »Cousins und Cousinen sollten nicht heiraten, auch nicht die zweiten Grades. Es schwächt die Erbanlagen. Das ist nicht wie bei den Pferden. Man kann eine Stute mit ihrem Bruder paaren oder einen Hengst mit seiner Tochter und gute Ergebnisse erzielen, wenn man die Abstammungslinien kennt, aber bei Menschen funktioniert das nicht. Man bekommt vielleicht einen guten Stammbaum, aber ohne Saft und Kraft. Man …«

»Also, Ma’m, da muss ich Ihnen widersprechen! Können Sie mir bessere Leute als die Wilkes nennen? Und sie heiraten untereinander seit Brian Borus Kindertagen.«

»Und es ist höchste Zeit, dass sie damit aufhören, denn man sieht es langsam. Naja, nicht so sehr bei Ashley, der ist ein gutaussehender Teufel, obwohl auch er … Aber sehen Sie sich die beiden blutleeren Wilkes-Mädchen an, diese armen Dinger! Nette Mädchen, natürlich, aber blutleer! Und sehen Sie sich die kleine Miss Melanie an. Dünn wie eine Bohnenstange und so schmächtig, dass der Wind sie wegblasen kann, und keinerlei Temperament. Ohne einen einzigen eigenen Gedanken. ›Nein, Ma’m!‹, ›Ja, Ma’m!‹ – mehr hat sie nicht zu sagen. Verstehen Sie, was ich meine? Diese Familie braucht neues Blut, schön kräftiges Blut so wie meine Rotschöpfe oder Ihre Scarlett. Aber missverstehen Sie mich nicht. Die Wilkes sind gute Leute auf ihre Art, und Sie wissen, dass ich sie alle gern habe, aber seien wir ehrlich! Sie treiben Inzucht und sind überzüchtet, oder? Sie kommen gut auf einem trockenen Geläuf zurecht, auch auf einer schnellen Rennbahn, aber ich sage Ihnen, ich glaube nicht, dass die Wilkes auf einer Lehmbahn klarkommen. Ich glaube, das Stehvermögen ist aus ihnen rausgezüchtet, und ich glaube nicht, dass sie gegen Schwierigkeiten ankämpfen, wenn es mal drauf ankommt. Ein Schönwetterstall. Ich ziehe ein Pferd vor, das es mit jedem Wetter aufnimmt! Und dass sie nur untereinander heiraten, hat sie zu Leuten gemacht, die anders sind als die normalen Leute hier. Immer klimpern sie auf dem Klavier oder stecken ihre Nasen in Bücher. Ich glaube sogar, dass Ashley lieber liest als zur Jagd geht! Ja, ehrlich, Mr. O’Hara! Und sehen Sie sich nur ihre Knochen an. Zu dünn. Die brauchen Frauen und Männer mit Saft und Kraft …«

»Achemm«, räusperte sich Gerald, der plötzlich schuldbewusst bemerkte, dass das Gespräch, das für ihn hochinteressant und nicht im Geringsten anstoßerregend war, für Ellen eine Zumutung gewesen wäre. Er wusste, sie würde nicht darüber hinwegkommen, wenn sie erführe, dass ihre Töchter einer so ungeniert offenen Unterhaltung beiwohnten. Doch Mrs. Tarleton war wie gewöhnlich taub für Einwände, wenn es um ihr Lieblingsthema ging: das Züchten, sei es von Pferden oder von Menschen.

»Ich weiß, wovon ich rede, weil ich ein paar Cousins und Cousinen hatte, die untereinander geheiratet haben, und Ehrenwort, ihre Kinder, die armen Dinger, hatten alle Glotzaugen wie Ochsenfrösche. Und als meine Familie wollte, dass ich einen Cousin zweiten Grades heirate, habe ich gebuckelt wie ein Füllen. Ich sagte: ›Nein, Ma. Ohne mich. Meine Kinder kriegen ja alle Spat und werden dämpfig.‹ Ma ist in Ohnmacht gefallen, als ich das mit der Dämpfigkeit sagte, aber ich bin nicht davon abgegangen, und Grandma hat mir den Rücken gestärkt. Sie verstand auch was von Pferdezucht, wissen Sie, und hat mir recht gegeben. Sie hat mir sogar geholfen, mit Mr. Tarleton durchzubrennen. Und sehen Sie sich meine Kinder an! Groß und kerngesund, und kein schwächliches oder kleinwüchsiges dabei, auch wenn Boyd nur eins achtundsiebzig groß ist. Doch bei den Wilkes …«

»Nicht, dass ich das Thema wechseln möchte«, warf Gerald ein, denn er sah Carreens verdutzten Blick und die brennende Neugier auf Suellens Gesicht und fürchtete, sie könnten Ellen peinliche Fragen stellen, und dann käme heraus, was für ein verantwortungsloser Vater ihrer Töchter er war. Puss, so nahm er mit Erleichterung wahr, schien über andere Dinge nachzudenken, wie es sich für eine Dame gehörte.

Hetty Tarleton erlöste ihn aus seiner Verlegenheit.

»Um Himmels willen, Ma, lass uns endlich weiterfahren!« rief sie ungeduldig. »Ich verglühe hier in der Sonne und kann schon hören, wie auf meinem Nacken die Sommersprossen wachsen.«

»Nur eine Minute noch, Ma’m, bevor Sie weiterfahren«, sagte Gerald. »Wie haben Sie sich entschieden, was den Verkauf der Pferde für die Truppe angeht? Der Krieg kann jeden Tag ausbrechen, und die Jungs wollen, dass die Sache geregelt ist. Es ist eine Truppe aus Clayton County, und wir wollen Clayton County-Pferde für sie. Aber Sie störrisches Wesen weigern sich immer noch, uns Ihre schönen Pferde zu verkaufen.«

»Vielleicht gibt’s ja gar keinen Krieg«, wiegelte Mrs. Tarleton ab, ohne einen weiteren Gedanken an die seltsamen Heiratsgepflogenheiten der Wilkes zu verschwenden.

»Aber Ma’m, Sie können doch nicht …«

»Ma«, unterbrach Hetty erneut, »kannst du darüber nicht auch in Twelve Oaks mit Mr. O’Hara reden?«

»Genau, Miss Hetty«, sagte Gerald, »und ich werde Sie auch nicht mehr als eine Minute festhalten. Wir sind ja gleich in Twelve Oaks, und alle Männer dort, alt und jung, wollen über die Pferde Bescheid wissen. Aber es bricht mir das Herz, dass eine so hinreißende Lady wie Ihre Mutter so geizig mit ihren Pferden sein kann! Wo bleibt Ihr Patriotismus, Mrs. Tarleton? Bedeutet Ihnen die Konföderation denn gar nichts?«

»Ma!« rief die kleine Betsy. »Randa sitzt auf meinem Kleid, und es wird ganz knittrig.«

»Dann schubs Randa runter, Betsy, und sei still. Jetzt hören Sie mir mal zu, Gerald O’Hara«, erwiderte sie, und ihre Augen begannen zu blitzen. »Kommen Sie mir nicht mit der Konföderation! Ich nehme doch an, mir bedeutet die Konföderation genauso viel wie Ihnen, wo ich vier Jungs in der Truppe habe und Sie keinen. Aber meine Jungs können auf sich selbst aufpassen, und meine Pferde können das nicht. Ich würde die Pferde gerne umsonst hergeben, wenn ich wüsste, dass sie von Jungs geritten werden, die ich kenne, von Gentlemen, die an Vollblüter gewohnt sind. Nein, ich würde keine Minute zögern. Aber meine schönen Pferde der Gnade von Hinterwäldlern und irgendwelchem Gesindel überlassen, die gewohnt sind, Maultiere zu reiten? Nee nee! Ich kriege Albträume, wenn ich mir vorstelle, dass sie wund geritten und nicht anständig abgerieben und gestriegelt werden. Glauben Sie, ich lasse irgendwelche ahnungslosen Trottel meine weichmäuligen Lieblinge reiten, ihre Mäuler zersägen und sie schlagen, bis ihr Wille gebrochen ist? Ich habe jetzt schon eine Gänsehaut, wo ich nur daran denke! Nein, Mr. O’Hara, es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie meine Pferde wollen, aber Sie gehen besser nach Atlanta und kaufen dort ein paar alte Ackergäule für Ihre Bauerntölpel. Die werden den Unterschied nicht merken.«

»Ma, können wir bitte weiterfahren?« gesellte sich Camilla zum Chor der Ungeduldigen. »Du weißt ganz genau, dass du ihnen am Ende deine Lieblinge doch geben wirst. Wenn Pa und die Jungs erst mal fertig sind mit ihren Vorträgen, dass die Konföderation sie braucht und so, dann wirst du weinen und sie gehen lassen.«

Mrs. Tarleton lächelte und hob die Zügel.

»Das werde ich nicht tun«, sagte sie und berührte die Pferde leicht mit der Peitsche. Die Kutsche fuhr schnell an.

»Eine prachtvolle Frau!« sagte Gerald, setzte seinen Hut auf und ritt wieder an die Seite seiner Kutsche. »Fahr los, Toby. Wir werden sie schon noch mürbe machen und die Pferde kriegen. Natürlich hat sie recht. Sie hat vollkommen recht. Wenn ein Mann kein Gentleman ist, hat er auf einem Pferd nichts verloren. Dann gehört er in die Infanterie. Umso schlimmer, dass es in diesem County nicht genug Pflanzersöhne gibt, um eine Truppe vollzumachen. Was hast du gesagt, Puss?«

»Pa, reite bitte hinter oder vor uns. Du wirbelst so viel Staub auf, dass wir husten müssen«, sagte Scarlett, die das Gefühl hatte, kein Gespräch mehr ertragen zu können. Es lenkte sie zu sehr von ihren Gedanken ab, und sie wollte unbedingt ihre Gedanken und ihr Gesicht unter Kontrolle bringen, bevor sie Twelve Oaks erreichten. Gerald gab seinem Pferd gehorsam die Sporen und galoppierte in einer roten Wolke hinter der Kutsche der Tarletons her, wo er sein Gespräch über Pferde fortsetzen konnte.

Vom Wind verweht

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