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Luft- und Bodenschlösser

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Zumindest Ornithologen sind sich ziemlich sicher: Vögel sind nicht nur die besten Baumeister, sondern auch die phantasievollsten Architekten unter den Wirbeltieren. Sind doch die Nester oft nicht nur äußerst raffiniert konstruierte Bauten, sondern regelrechte Kunstwerke, die äußerst ästhetisch auf den Betrachter wirken können. Das ist noch beachtlicher, wenn man bedenkt, dass den Vögeln eigentlich nur ein einziges und zudem ziemlich bescheidenes Werkzeug zur Verfügung steht: ihr eigener Schnabel.

Jede Vogelart baut ihr eigenes, ganz spezielles Nest. Die Nester der verschiedenen Vogelarten sind meist so unterschiedlich konstruiert, dass Experten oft schon allein anhand des Nests auf die Artzugehörigkeit des gefiederten Baumeisters schließen können. Dabei ist das Baumaterial immer auch abhängig von der Umgebung, in der eine Vogelart lebt: Neben Halmen, Moos, kleinen Rindenstücken, Federn und Tierhaaren sind das auch kleine Steinchen oder Lehm. Viele der sogenannten Kulturfolger unter den Vögeln haben sich mittlerweile an die oft dramatischen Veränderungen ihrer Umwelt durch den Menschen angepasst und nutzen gezielt Zivilisationsabfälle, wie etwa Papierfetzen oder kleine Plastikstücke, zum Bau ihrer Nester.

Auch die Nestgröße kann stark variieren. Sehr große Baumnester finden wir zum Beispiel bei den großen Raubvögeln. Das größte, je auf einem Bau gefundene Nest hatte einen Durchmesser von fast 3 Metern, bei einer Höhe von 6 Metern und einem Gewicht von stolzen 2,7 Tonnen. Konstrukteur und Baumeister dieses gigantischen Nests war einer der populärsten Vögel überhaupt: der Wappenvogel der USA, der Weißkopfseeadler. Getoppt werden die Monsterneste der großen Raubvögel nur noch von den riesigen Bruthügeln, die das Reinwardthuhn anlegt. Dieser gerade einmal hühnergroße Vogel, der in Indonesien und im Norden Australiens zu Hause ist, errichtet ähnlich wie das Thermometerhuhn vulkankegelartige Hügel aus Laub, Zweigen, Sand und Geröll, in denen Verrottungsprozesse und Sonnenwärme für die richtige Bruttemperatur der Eier sorgen. Der größte bisher gefundene Bruthügel eines Reinwardthuhns hatte eine Höhe von über 3 Metern, und das bei einem Durchmesser von unglaublichen 21 Metern. Die kleinsten Nester der Welt baut dagegen die Bienenelfe. Diese Kolibriart, die in der Karibik zu Hause ist, legt ihre Miniatureier, die nur ein Viertelgramm auf die Waage bringen, in ein Nest, das kaum größer ist als ein handelsüblicher Fingerhut.

In vielen Fällen sind die oft kunstvollen Nestkonstruktionen ziemlich kurzlebig. Die meisten Kleinvögel, wie etwa der Hausrotschwanz, bauen in der Regel für jede Brut ein neues Nest und verwenden nur in Ausnahmefällen das Nest vom Vorjahr – und das erst, nachdem sie es zuvor wieder sorgfältig ausgebessert haben. Viele größere Vogelarten, zum Beispiel Störche oder Greifvögel, nutzen dagegen das gleiche Nest oft viele Jahre lang – ein Vorgang, der in der Biologie als „Nesttreue“ bezeichnet wird. Vor Kurzem haben Forscher der englischen Universität Oxford auf Grönland das älteste dauerhaft von Vögeln bewohnte Nest entdeckt: ein Gerfalkennest, das seit unglaublichen 2500 Jahren kontinuierlich von Vertretern dieser Falkenart als Brutstätte genutzt wird.

Die meisten Vögel bauen ihre Nester nicht etwa, wie oft vermutet wird, als komfortable Schlafstätte, sondern um einen sicheren Ort zu haben, an dem sie ihre Eier legen und anschließend ausbrüten können. Später können die Jungvögel hier relativ sicher vor Fressfeinden geschützt aufgezogen werden.

Nestbau ist keine reine Instinktsache – wie lange angenommen: Die Fähigkeit, ein Nest zu bauen, ist bei Vögeln zwar angeboren, kann durch Erfahrung jedoch noch deutlich verbessert bzw. verfeinert werden. Offensichtlich gilt auch beim Nestbau: „Übung macht den Meister“.

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