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Heike Hohlbein

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Zwei Jahre nach Erscheinen von “Märchenmond” wagt Wolfgang Hohlbein den Sprung ins kalte Wasser und wird freier Autor. Der Schritt ist ein Wagnis. Als mehrfacher Familienvater verlässt er die Sicherheit einer Festanstellung, eines geregelten Bürojobs, um Berufsschriftsteller zu werden. Wenn man heute Wolfgang Hohlbeins enorme Produktionskraft verstehen will, so liegt sie teilweise auch in dieser Zäsur begründet. Denn selbstverständlich haben alle Verwandten und Bekannten davon abgeraten. Aber Wolfgang Hohlbein schrieb ja schon nebenher erfolgreich. Allein innerhalb des Märchenmond-Jahres passierte sehr viel: Zahlreiche Heftromane, ein Fantasy-Taschenbuch bei Goldmann und die Märchenmond-Krönung - all dies lief parallel, also auch parallel neben Wolfgang Hohlbeins Arbeit als Kaufmann und Heike Hohlbeins Arbeit als Hausfrau und mehrfache Mutter.

Da war einerseits die Lust, die Verlockung, das Talent, das geliebte Hobby - das Schreiben.

Da war andererseits der verhasste Job, das Absitzen der Bürostunden, selbstentfremdete Arbeit, die aber finanzielle Sicherheit bot.

Hier die Leidenschaft, da die Spießigkeit. Hier die Kopfreisen durch fantastische Welten, da die von der Stechuhr dominierten Niederungen eines mit Formularen überhäuften Schreibtischs. Hier der sich selbst verwirklichende freie Schriftsteller, da der leidende und im stumpfen Alltag gefangene Industriekaufmann.

Mehrere Jahre lang lebte Wolfgang Hohlbein nachts in kreativer Freiheit, tagsüber in Bürogefangenschaft. Die Erholungsphasen wurden immer kürzer. Der Schlafmangel wuchs. Die Leistungsfähigkeit bei der Speditionsfirma ließ nach. Das konnte nicht ewig so weiter gehen. Alle spürten das: Heike Hohlbein, die Kinder, der Arbeitgeber und zuallererst Wolfgang Hohlbein selbst.

Die Erinnerung Wolfgang Hohlbeins an diese Zeit ist ein besonderer Moment des langen Gesprächs bei ihm zu Hause in Neuss: “Ich habe hier in der Nähe gegenüber einer Tankstelle gewohnt. Abends habe ich da oft eine Flasche Cola und Zigaretten geholt. Ich musste nur über die Straße. Da habe ich mich irgendwann gefragt: ‘Das soll jetzt dein Leben sein? Dass du abends zur Tanke gehst und morgens in der Früh ins Büro?’ Ich habe nachts in meiner kleinen Fantasiewelt gelebt. Aber schon um zehn nach Acht habe ich im Büro gedacht: ‘Wie viele Minuten muss ich noch in der Firma sein?’ Ich wollte zurück in meine Fantasiewelt. Ich habe mich schon als grauhaariger Mann gesehen, der abends eine Flasche Bier aufmacht und Sportschau guckt. Päng.”

Wolfgang Hohlbein macht eine Pause. “Ich hätte mich damals erschießen können. Das ist nicht witzig gemeint. Ich habe dann gesagt, gut, ich versuche es noch mal.”

Wieder eine Pause.

“Das ist kein dummer Spruch. Ich habe mit dem Menschen, der ich vorher war, gar nichts mehr zu tun. Nur meinen Namen habe ich behalten. Ansonsten bin ich ein vollkommen anderer.”

Wolfgang Hohlbein schaut sehr streng und ernst. Die Suizidgedanken von damals erinnern an Lebensläufe anderer Autoren, die aus Krisen zu Schriftstellern werden. Er trinkt einen Schluck Kaffee und zündet sich eine weitere Zigarette an. “Ich hätte auf jeden Fall etwas anderes gemacht. Es gab ein Angebot von der Stadtbücherei, Leuten Bücher nach Hause zu bringen und sie wieder abzuholen. Ein merkwürdiger Job. Trotzdem habe ich ernsthaft überlegt, das zu machen, nur um aus diesem Büro-Trott herauszukommen.”

Bei vielen Schriftstellern, die beschließen, ihre bürgerliche Existenz hinter sich zu lassen, gibt es diesen Moment. Aber selten sprechen sie so offen über ihn wie Wolfgang Hohlbein. Und nicht immer ist der Augenblick so radikal wie an der Tanke von Neuss.

“Dieser Moment an der Kasse der Tanke, das war der spezielle Augenblick. Da ist es passiert. Wenn er sich nicht da ereignet hätte, wäre später irgendetwas passiert.”

Wolfgang Hohlbein: Leben und Werk

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