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2.3.4 Weisheit

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Weisheit ermöglicht Menschen zu durchschauen, „wer im Einzelfall der Wahrheit am nächsten ist“ (De off. I 16). Eine Hochschätzung der Weisheit geht somit mit einer Wertschätzung der vita contemplativa einher. Die übrigen drei Tugenden sind für die Bewältigung des täglichen Lebens, der vita activa, von Bedeutung.37 Die Weisheit betreffe jedoch „am Meisten die Natur des Menschen“ (De off. I 18). Bei der Suche nach der Wahrheit sei insbesondere auf zwei Dinge zu achten: Zum einen sei die Sorgfalt bei der Suche hervorzuheben, die einen nicht zu schnell dazu bringen soll, „Unerkanntes für erkanntes zu halten“ (De off. I 18). Weiterhin sei darauf zu achten, dass man sich bemühe, die richtigen Fragen zu beantworten, nämlich solche, die sich entweder mit der Frage nach dem guten Leben oder der Erkenntnis beschäftigen.38 Das eigentliche Ziel der Tugend sei jedoch die Tätigkeit, die vita activa. Nach Nussbaum seien sogar alle Tugenden nicht primär als Seelenzustände zu verstehen, sondern vielmehr als ein Streben.39 Daher betone Cicero, dass es im Widerspruch zur Pflicht steht, wenn man sich durch das Streben nach Weisheit vom tätigen Handeln abbringen ließe.40

Zwar betont Cicero, dass die vita contemplativa die höchste Tätigkeit ist, die direkt mit der Tugend der Weisheit in Verbindung steht, am engsten mit dem Wesen des Menschen verbunden und notwendig ist, um eine Grundlage für das praktische Handeln, also eine Orientierung zu erlangen. Jedoch macht Cicero ebenso deutlich, dass der vita activa stets Vorrang vor der vita contemplativa zu gewähren sei. Ciceros Position in diesem Kontext unterscheidet sich nicht radikal von den Positionen Platons und Aristoteles’. Auch bei Platon werden die Philosophenkönige in die Höhle zurückgeschickt, um ihre Aufgabe des Herrschens zu erfüllen, auch wenn sie lieber stets die ewigen Ideen betrachten würden. Bei Aristoteles sind nicht nur die dianoetischen Tugenden, sondern auch die ethischen Tugenden, die Güter des Körpers und die externen Güter für die Erlangung des guten Lebens relevant. Wenn ein Mensch jedoch von schwächlicher Gesundheit ist oder aus einem anderen Grund nicht direkt dem Gemeinwesen dienen kann, dann sei nach Cicero diesen Menschen gegenüber Nachsicht zu üben.41 Für solche Menschen sei es angemessen, sich stärker der Kontemplation zu widmen.

Der Primat des praktischen Handelns wird auch bei Ciceros weiteren Beschreibungen der wichtigsten Tugend deutlich (De off. I 153ff). Die wichtigste Tugend, die Weisheit, verschaffe den Menschen Wissen um „göttliche und menschliche Dinge, worin die Gemeinschaft und Gesellschaft der Götter und Menschen untereinander besteht“ (De off. I 153ff). Sie lege nahe, dass es die Pflicht eines tugendhaften Bürgers sei, diesen Schutz der Gemeinschaft über die anderen Tätigkeiten zu stellen, wann immer die Gemeinschaft geschützt werden müsse, auch wenn dieser sonst mit der Reflexion über die Wahrheit oder der Beschäftigung mit der wissenschaftlichen Erkenntnis beschäftigt sei.42 Es wird auch deutlich, dass klar zwischen den der Gemeinschaft zugehörigen Menschen und den Menschen an sich unterschieden wird, wobei der ersten Gruppe die höhere Wertigkeit zukommt.

Es stellt sich die Frage, ob es eine Pflicht gibt, die wichtiger ist als die Pflicht gegenüber der Gemeinschaft, und es bleibt noch zu erwähnen, dass die Weisheit außer der Tatsache, dass sie für die Erkenntnis der Wahrheit zuständig sei, sich ebenso um die Beherrschung der Leidenschaften und den maßvollen Umgang mit unseren Mitmenschen kümmern müsse.43

Menschenwürde nach Nietzsche

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