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3.2.2 Weitere Eigenschaften der Seele

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Die Gottebenbildlichkeit des Menschen beruhe darauf, dass er eine immaterielle Seele hat. In diesem Zusammenhang geht Manetti genauer auf die Eigenschaften der immateriellen Seele ein, wobei er die Vernunft, den Verstand, das Gedächtnis, den freien Willen und die Unsterblichkeit erwähnt.23 Weiter erläutert er, dass die Konstitution des Menschen das Höchstmaß der Vollendung darstellt (Manetti 1990, 70).

Auf das Vorhandensein der „drei Potenzen der Seele: Intelligenz, Gedächtnis und freier Wille“ (Buck 1990, XX), ist Manetti durch Augustinus gestoßen. Dieser entwickelte die Konzeption in Analogie zur Trinität. Zusätzlich zu diesen drei Eigenschaften verlieh Gott nach Manetti den Menschen „die Gabe der ursprünglichen Gerechtigkeit (‚iustitia originalis‘), d.h. die Fähigkeit, das Gute sinnlich, d.h. wohl instinktiv zu erkennen. Allerdings konnten weder diese Gabe noch Gottes Strafandrohungen sie vom Sündenfall abhalten“ (Glaap 1994, 179), weshalb der Spezies „Mensch“ heute nicht mehr der gleiche Grad an Würde zukomme wie Adam und Eva.

Um die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen, versucht Manetti, nicht nur auf Autoritäten zu verweisen, sondern er bemüht sich ebenso, Vernunftgründe zu geben. Er führt vier verschiedene Argumente an, die „später bei Ficino, Pico und mit Ausnahme des letzten Beweises auch bei Campanella“ (Zorn 1939, 20) ebenso erwähnt werden. Dabei verweist Manetti darauf, dass nur der Mensch „sich auf Erden des göttlichen Elementes Feuer“ bediene, ein „Naturverlangen nach Unsterblichkeit“ habe und „nach Glückseligkeit“ strebe (Zorn 1939, 20). Die Argumente sind im Einzelnen die Folgenden:

1. Das erste Argument lautet wie folgt:24

Der Mensch besteht aus einem materiellen Leib und einer immateriellen Seele.

Materielles verwandeln. bleibt stets als Materielles vorhanden und kann sich nur in andere Formen

Immaterielles bleibt stets als Immaterielles vorhanden.

Nach dem Tod verwandelt sich der materielle Leib in eine andere materielle Form.

Nach dem Tod bleibt die aus dem Nichts geschaffene, immaterielle Seele bestehen.

Was stets bestehen bleibt, ist unsterblich.

Also ist die immaterielle Seele unsterblich.

2. Das zweite Argument für die Existenz der unsterblichen Seele kann man wie folgt rekonstruieren:25

Menschen haben ein natürliches Streben nach Glückseligkeit.

Glückseligkeit ist während des Lebens nicht zu erreichen.

Wenn Glückseligkeit nie erreicht werden könnte, wäre im menschlichen Wesen ein unerfüllbarer, aber vernünftiger Trieb enthalten.

Wenn im menschlichen Wesen ein unerfüllbarer, aber vernünftiger Trieb enthalten wäre, würde Gott uns in die Irre führen, da er der Schöpfer unseres Wesens ist.

Gott führt uns nicht in die Irre.

Deshalb muss das natürliche Streben nach Glückseligkeit zum Ziel gelangen.

Dies muss entweder während unseres Lebens oder nach dem Tod passieren.

Es geschieht nicht während des Lebens.

Deshalb geschieht es nach dem Tod.

Der Mensch besteht aus Körper und Seele.

Der materielle Körper muss untergehen.

Da etwas den Tod überdauern muss, kann die Seele nicht untergehen.

Deshalb ist die Seele unsterblich.

3. Der dritte Beweis der Unsterblichkeit der Seele lässt sich wie folgt fassen:26

Gott offenbart sich in der Bibel.

Die Bibel verspricht den Seelen der gerechten Menschen die Unsterblichkeit.

Die Bibel verspricht den Seelen der gerechten Menschen die Unsterblichkeit.

Wenn die Seelen der gerechten Menschen nach dem Tod zu Grunde gingen, wären sie

nicht unsterblich.

Wenn die Seelen der gerechten Menschen nicht unsterblich wären, würde in der Bibel

etwas Falsches versprochen werden.

Wenn in der Bibel etwas Falsches versprochen würde, würde Gott etwas Falsches versprechen.

Etwas Falsches zu versprechen ist ungerecht.

Gott ist nicht ungerecht.

Also würde Gott nie etwas Falsches versprechen.

Die Versprechen Gottes findet man in der Bibel.

Also ist alles, was man in der Bibel findet, zutreffend.

Die Bibel verspricht den Seelen der gerechten Menschen die Unsterblichkeit.

Also sind die Seelen der gerechten Menschen unsterblich.

4. Das vierte Argument lässt sich wie folgt umschreiben:27

Durch die Bibel vermittelt, verspricht Gott, dass alle Taten gerecht entlohnt werden.

Den Sündern geht es in dieser Welt jedoch oft besser als den Gerechten.

Wenn es den Sündern besser geht als den Gerechten, werden nicht alle Taten gerecht

entlohnt.

Gott verspricht, dass alle Taten gerecht entlohnt werden.

Es ist jedoch nicht der Fall, dass alle Taten gerecht entlohnt werden.

Also hat Gott sein Versprechen gebrochen.

Wer sein Versprechen bricht, ist ungerecht.

Also ist Gott ungerecht.

Gott ist jedoch nicht ungerecht.

Also würde Gott sein Versprechen niemals brechen.

Durch die Bibel vermittelt, verspricht Gott, dass alle Taten gerecht entlohnt werden.

Taten werden entweder im Diesseits oder Jenseits gerecht entlohnt.

Den Sündern geht es im Diesseits jedoch oft besser als den Gerechten.

Also erfüllt Gott sein Versprechen, indem er im Jenseits seine Taten entlohnt.

Nur ein Lebender kann eine Entlohnung erfahren.

Gottes gerechte Entlohnung für Taten findet im Jenseits statt.

Taten werden von Menschen begangen.

Menschen werden nach dem Tod für ihre Taten entlohnt.

Menschen bestehen aus Leib und Seele. Der Leib geht mit dem Tod zu Grunde.

Also bleibt die Seele nach dem Tod bestehen.

Außer den angeführten, rekonstruierten Argumenten führt Manetti noch Autoritätsbeweise an, die er „den Schriften der antiken Dichter und Philosophen, der sibyllinischen Bücher und der heiligen Schrift entnimmt“ (Zorn 1939, 20).

Neben den bislang dargelegten Eigenschaften der Seele (Vernunft, Verstand/Intelligenz, Gedächtnis, freier Wille und Unsterblichkeit) muss noch die Fähigkeit, schöpferisch tätig zu sein, erwähnt werden. Besonders Trinkaus betont diesen Aspekt in Manettis Denken. Der Mensch könne durch diese Fähigkeit als eine Art von zweitem Schöpfer der menschlichen Welt angesehen werden.28 Trinkaus sieht Bezüge dieser Fähigkeit zur christlichen Trinitätslehre (1970, 248). Trotz der immensen Bedeutung der Seele, die Trinkaus bei Manetti feststellt, unterschlägt er nicht, dass Manetti auch dem Körper eine hohe Bedeutung zukommen lässt.29 Beide Aspekte, der theologische wie der anthropozentrische, werden im folgenden letzten Abschnitt zu Manettis Würdekonzeption berücksichtigt.

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