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4.3 Die Stellung der Würde innerhalb Picos Ethik

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Nachdem die verschiedenen Seinsstufen im Allgemeinen sowie das Verhältnis des Menschen und seiner Würde zu den verschiedenen Seinsstufen bereits dargestellt wurden, ist nun auf das Verhältnis der Würde zum höchsten Guten einzugehen. Wie Platon, so betont Pico, dass jedes Ding nach dem Konzept des Guten strebt, das es in sich trägt, und nichts aus Zufall geschehe.38 Dies treffe selbstverständlich auch auf den Menschen zu. Das Gute trage jedes Ding jedoch nicht voll und ganz in sich, sondern das, was es in sich trägt, habe teil an dem höchsten Guten, dem summum bonum, Gott (metexis-Lehre). Teilhabe könne in unterschiedlichen Graden vorkommen. Dabei sei Gott stets als der Grund des Guten in einem jeden Ding zu betrachten.39 Reinhardt versucht, die Synthese des freien Menschen, in dessen Wesen sich jedoch ein Konzept des Guten befindet, wie folgt zu charakterisieren:

„Tiefer gedacht, besagt dieses Argument, dass Gott es nicht nötig hat, seine Souveränität gerade darin am überzeugendsten zum Ausdruck kommt, dass er, menschliche (und englische) Freiheit maximal schützend, über die Schicht der Sekundärwirkungen die menschlichen Zwecksetzungen und Zweckerreichungen ihrerseits lenkt, aber unmerklich und nie die freie menschliche Disposition betrügend, wie ein Künstler, der auch nach Vollendung und Entlassung seiner Werke in die ‚Selbstständigkeit‘ weiterhin in diesen zuinnerst anwesend bleibt“ (Reinhardt 1989, 134).40

Einerseits betont er, dass der Mensch frei sei und Gott nie „die freie menschliche Disposition“ betrügen würde. Andererseits bleibe Gott in seinen Geschöpfen „zuinnerst anwesend“. Der Mensch sei frei und ohne Präferenzen, trotzdem sei Gott und dadurch eine Konzeption des Guten auch in ihm anwesend. Erstens scheint diese Konzeption in sich widersprüchlich zu sein, da das menschliche Wesen sowohl ohne Veranlagung zu einer Konzeption des Guten geschaffen worden sei, in ihm aber doch eine Konzeption des Guten enthalten sei. Zweitens ist ein Geschöpf, das einerseits keine Präferenzen hat, andererseits durch Präferenzen (eine Konzeption des Guten) bestimmt ist, stets durch Präferenzen determiniert, da sich die vorhandenen Präferenzen stets durchsetzen werden und es keine anderen Präferenzen geben kann, die diejenigen aufheben könnten, die durch Gott in den Menschen gelangt sind. Vielleicht klärt sich das Problem durch eine nähere Beschäftigung mit Picos Metaphysik. Miller fasst diese treffend zusammen: Pico nimmt nach ihm die Sichtweise ein, „that the good and being are convertible, that is, they differ in thought or in definition but not in fact“ (1965, xxiv). In einer solchen Metaphysik sind Sein und Sollen direkt miteinander verbunden. Im Unterschied zu den meisten Philosophien der Neuzeit und Gegenwart, in denen Sein und Sollen streng getrennt werden, da sie Sein mit empirischen Urteilen identifizierten, woraus sich der Seins-Sollen-Fehlschluss ergibt, waren die beiden Ebenen in der antiken und mittelalterlichen Philosophie oft in einer Einheit vorhanden, da in deren Metaphysiken das Gute und das metaphysische Sein zusammengehörten. Dies ist auch bei Pico so. Er identifiziert sowohl das Sein mit dem neuplatonischen Einen, das überfließt und aus dem sich alle weiteren Seinsebenen ergeben41, als auch das Eine mit Gott, Sein und dem Guten selbst.42 Wie bei Plotin, so stellt sich jedoch bei ihm auch die Frage, ob Sein und Nichtsein zwei diametral entgegengesetzte Prinzipien sind oder ob es nur das Sein gibt und alles andere geringere Abstufungen des Seins sind.43

Das letzte Ziel des Menschen bestehe nach Pico darin, zum eigenen Ursprung, dem Sein oder dem Guten selbst, zurückzukehren44, schließlich sei dieses Gute noch in ihm enthalten. Zwar sei es in einem abgeschwächten Grad gegenwärtig, jedoch sei entscheidend, dass es vorhanden ist. Miller hat richtig erkannt, dass diese Bewegung bereits bei Plotin vorzufinden ist: „In Plotinus’ philosophy, the goal of any being is to return to its first cause“ (1965, xi). Es lässt sich durchaus argumentieren, dass es daher auch der Würde des Menschen entspricht, genau diese Aufgabe zu erfüllen.

Menschenwürde nach Nietzsche

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