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2.3.8 Hierarchie der Pflichten

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Bezüglich der Frage nach der Hierarchie der Pflichten stellt Cicero deutlich heraus, dass die wichtigste Verbindung das Verhältnis zum eigenen Gemeinwesen sei, denn ohne funktionierendes Gemeinwesen sei schließlich kein geordnetes Hauswesen möglich, sodass es wert sei, für dieses zu kämpfen, selbst wenn man den Einsatz mit dem Tod bezahlt.58 Cicero betont den hohen Stellenwert, der aus seiner Sicht der Wehrpflicht zukommt. Anhand dieser Aussage können wir schließen, dass sich die hohe Pflicht gegenüber der Gemeinschaft primär auf die staatliche Gemeinschaft und nicht auf die Gemeinschaft aller Menschen bezieht. Die staatliche Gemeinschaft sei schließlich für ein funktionierendes Gemeinwesen relevant.

Cicero unterscheidet verschiedene Arten der Gemeinschaft. Er erwähnt die Gesellschaft der gesamten Menschheit, die aufgrund des gemeinsamen Denk- und Redevermögens eine Einheit bildet59, sowie die verschiedenen Abstufungen von kleineren gesellschaftlichen Gruppen, die durch Gemeinsamkeiten zusammengehalten werden, wie die Zugehörigkeit zu einem Volk, den Gebrauch der gleichen Sprache, die Lebensführung im gleichen Ort, Freundschaft oder die gleiche Abstammung.60 Eine zentrale Gemeinschaft stellt für Cicero die Ehe dar. Gefolgt wird diese von der Beziehung zu den eigenen Kindern, der Hausgemeinschaft und der Besitzgemeinschaft. Wie Aristoteles, so sieht auch Cicero die Familie und die damit verbundene Hausgemeinschaft als die Keimzelle einer Stadt und eines jeden Gemeinwesens an.61 Untergeordnete Gemeinschaftsformen stellen die Beziehungen zu den Geschwistern, Schwägern und alle weiteren, weniger engen Verwandtschaftsbeziehungen dar.62 Als stabilste Verbindung sieht Cicero, wie auch Aristoteles, die Bindung zwischen gutgesinnten Männern, die sich in ihrer Lebensart ähneln, an.63

Cicero macht also wie Platon deutlich: Man solle nie unrechte Handlungen begehen, weil nichts schwerwiegender sei als eine kranke Seele. Man solle sogar „nach der Natur“ handeln, selbst wenn dies den „Verlust sogar der Kinder“ zur Folge hätte (De off. III 25f). Daran wird der zentrale Stellenwert des tugendhaften Charakters deutlich, der wie im stoischen Denken notwendig und hinreichend für die Erlangung des höchsten Gutes ist.

Nachdem die große Bedeutung der Tugenden erläutert und ebenso aufgezeigt wurde, dass der vita activa Vorrang vor der vita contemplativa zu gewähren sei, obwohl die Kontemplation die Basis für das Handeln darstellt, kommen wir zu weiteren Pflichten.

In diesem Kontext sind zunächst die Götter zu thematisieren. Bezüglich dieses Themas stellt Cicero klar, dass nur die Pflichten gegenüber den Göttern wichtiger seien als die gegenüber dem Gemeinwesen. Somit sind die menschlichen Pflichten bei Cicero wie folgt gestaffelt: Man schuldet „die erstrangigen den unsterblichen Göttern, die zweiten dem Vaterland, die dritten den Eltern, die folgenden in Abstufungen den übrigen“ (De off. I 160). Er geht an dieser Stelle nicht direkt darauf ein, welche Pflichten unter den folgenden zu verstehen sind. Aus vorangegangenen Reflexionen können wir schließen, dass zu den Pflichten auch ein tugendhafter Umgang mit allen Menschen zählt, da er schließlich von der Würde jedes einzelnen Menschen ausgeht. Jedoch sind die Pflichten gegenüber anderen Menschen aufgrund deren Menschseins deutlich den anderen Pflichten untergeordnet. Zwar kommt der Berücksichtigung der Würde des einzelnen Menschen eine Bedeutung innerhalb des höchsten Gutes zu, jedoch ist sie dabei nicht von grundlegender und hochrangiger Bedeutung. Menschen hätten die Pflicht, andere Menschen, weil sie Menschen sind und eine notwendige Würde besitzen, zu berücksichtigen. Jedoch komme dieser Pflicht kein allzu hoher Stellenwert zu. Es gebe zahlreiche höherrangige Pflichten.

Dass außerdem die „Leistungen des Geistes viel bedeutender sind als die des Körpers“ und „die Ziele, die wir mit Verstand und Vernunft verfolgen, angesehener als jene, die wir mit Körperkräften anstreben“, ist nicht allzu verwunderlich (De off. II 46). Auch hieraus ergeben sich weitere Verpflichtungen für die eigene Lebensführung.

Menschenwürde nach Nietzsche

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