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Platons Liniengleichnis (509d-511e) kurz erklärt

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Als Resultat aus dem Sonnengleichnis lassen sich zwangsläufig zwei Reiche ableiten, da Denken und Wahrnehmung zwei getrennte Ebenen darstellen. Zum einen die Welt der Ideen, in der sich die Wahrheit finden muss („die Sonne“ – das Gute). Die andere Welt ist die sinnlich-wahrnehmbare Welt, in welcher die Manifestation als sichtbares Objekt vom Auge als sehendes Subjekt wahrgenommen werden kann. Das Liniengleichnis möchte nun diese zwei Welten näher untersuchen. In 509d wird eine Linie als Grundlage genommen, welche man sich vorstellen solle. Diese gedachte Linie kann man in zwei ungleiche Teile teilen. Der eine Teil stellt das Sichtbare und damit die WAHRNEHMUNG dar, der andere Teil dagegen steht für das DENKEN. Der Linienabschnitt, welcher die Wahrnehmung darstellt lässt sich abermals in gleichem Verhältnis teilen. Der erste Teil im Sichtbaren steht für die Abbilder, worunter Platon lediglich Schatten versteht, die wie Spiegelbilder auf dem Wasser sind. Dieser Abschnitt zeigt also unklare Dinge – Dinge, die niemals für uns klar werden, da man nur unzureichende Informationen über sie hat und daher im Spektrum der Vermutungen bleiben. Auf dem zweiten Abschnitt des Sichtbaren findet man jene Dinge in ihrer Klarheit – also so, wie wir sie im Alltag zu sehen scheinen. Dazu gehören die Menschen, Tiere, Pflanzenwelt und alles, was der Mensch produziert. Dies bedeutet, dass man das Sichtbare in Spiegelbilder (Abbilder eines Gegenstandes) und in als Gegenstand-wahrgenommene Dinge (ein Fürwahrhalten) unterteilen kann. Dabei hat das fürwahrgehaltene Ding mehr Seiendheit wie das Spiegelbild. Aus 510a geht hervor, dass es sich beim Wahrgenommenen (sowohl bei den Vermutungen als auch beim Fürwahrhalten) nur um eine δόξα, also Meinung, handelt, die wandelbar ist und auf der materiellen Ebene steht. Dem gegenüber ist das Denken (νόησις) auf der Ebene des Wissens bzw. der Erkenntnis im weiteren Sinne und als solches unveränderlich. Es ist nicht-sinnlich und nicht-materiell. Auch die Linie, auf der wir das Denken verordnet haben, lässt sich abermals teilen, sodass auch diese aus zwei Abschnitten besteht. Der erste Abschnitt ist die Mathematik, welche zwischen dem Glauben und der reinen Erkenntnis steht und eine Brücke zwischen beiden bildet. Denn jedes Objekt nimmt eine Form an (z.B. das Rad setzt den Kreis voraus), sodass jedes Ding in seine Geometrie gedacht werden kann (511a). Damit hat das Gedachte jedoch schon Anteil am Sein, da es dichter an der Natur an sich ist. Das Seiende ist nämlich wandelbar, da es nur noch Ableitungen des Seins besitzt und somit nur eine Abbildung des unveränderlichen Seins ist. Je mehr Seiendheit etwas hat, umso unwandelbarer wird es, da es mehr Anteil am Sein besitzt. So kommt es, dass die Mathematik mehr Seiendheit wie die Meinung hat, aber weniger Seiendheit besitzt wie die Idee, welche als rein Seiendes ein seiend Seiendes ist – und somit ein Sein im vollkommenen Sinne. Die Mathematik ist jedoch noch nicht die reine Erkenntnis, sondern nur die Vorstufe und als solches abermals nur eine Abbildung (aber auf der gedachten Ebene), welche die reine Natur verbirgt. Der zweite Abschnitt beherbergt die Idee und damit die Natur an sich, z.B. den Kreis an sich in Form der Definition eines Kreises. Das bedeutet, dass an oberster Stelle die ἐπιστήμη steht, die reine Erkenntnis oder Vernunft, die sich direkt vom Guten ableiten lässt, welches der Ursprung bzw. die Quelle für alles ist. Die Mathematik ist daher lediglich ein Handwerk, welches durch den Verstand (διάνοια) abgeleitete Erkenntnis ermöglicht. Insofern wird sie oft als Brücke zwischen den zwei Reichen gesehen, welche Kraft der Dialektik (also durch die Sprache), den Zugang zum Erkannten selbst ermöglicht und der Vernunft gleichkommt. Durch dieses Gleichnis soll man zu den Evidenzen, der Natur des Seins, gelangen. Der Betrachter sieht einen Stuhl und fragt sich „Was ist das?“. Die Antwort lautet „Der Stuhl“. Nun fragt man sich aber „Was ist das, der Stuhl?“ Der Stuhl ist ein Ding und es lässt sich nun fragen, was das Ding ist. Das Ding wiederum ist ein Seiendes und dieses lässt sich zurückführen auf das Eine. Damit lässt sich alles auf das Eine – das Gute – zurückführen, welches Ursache für alles ist, jedoch selbst jenseits des Seins liegt, während das Schöne das Sein an sich annimmt. Die Einheit bringt jedoch zugleich eine Vielheit hervor, welche sich in der Welt manifestiert (durch „das Licht“ – die Idee des Guten) und als Objekte von uns als Subjekte wahrgenommen werden können.

Veröffentlicht am 19. Juli 2019

Politische und Philosophische Analysen

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