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Romantik in Deutschland am Beispiel von Caspar David Friedrich

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Caspar David Friedrich (1774-1840) wurde in Greifswald geboren. Während viele Maler seiner Zeit nach Italien gingen, blieb er in Deutschland, sodass seine Werke hauptsächlich durch Regionen und Orte in Ostdeutschland beeinflusst worden. Dazu gehören u.a. das Elbsandsteingebirge, das Riesengebirge (gehört heute größtenteils zur Tschechischen Republik), Stralsund, Greifswald und Dresden. Besonders das persönliche Schicksal des Malers prägte seine Gemälde. 1 „Caspar David war das 6. von 10 Kindern. Schon früh begegnete er der Tragik des familiären Schicksals durch mehrere Todesfälle. Im Alter von 7 Jahren stirbt seine Mutter, ein Jahr später eine seiner Schwestern, mit 13 verliert er seinen Bruder, der ihn beim Schlittschuhlaufen zu dem Caspar David ihn überredet hatte zunächst vor den Ertrinken rettet, dann selbst ertrinkt. Als er 17 Jahre alt ist, stirbt eine weitere Schwester.“ 2 So sind besonders nachdenkliche Bilder entstanden, die von seinem Leben und seinen Eindrücken stark gezeichnet sind. Neben seinem berühmten „Wanderer im Nebelmeer“ gehört vor allem die „Abtei im Eichwald“ (welches um 1809 entstanden ist) zu seinen eindrücklichsten Werken. Als Vorlage für die Abtei im Eichwald diente die Klosterruine Eldena, die heute noch existiert. Auffallend auf dem Gemälde sind die negative, depressive Stimmung und die friedhofsähnliche Atmosphäre. Dabei ist ersteres typisch für Friedrichs Gemälde, was auch mit seinen Schicksalsschlägen zu erklären ist. Die Klosterruine ist dabei nur als Fragment in Form einer Mauer zu sehen, welche an die Kirche erinnert. Der Baustil kann als gotisch angenommen werden, da das Fenster in der noch stehenden Mauer sehr hoch und lanzettartig geformt ist. Zudem sind Fensterrosen (Maßwerk) besonders typisch für gotische Kirchen. Kennzeichnend ist außerdem der Spitzbogen bzw. der Spitzbogeneingang. Durch den Torbogeneingang findet eine Mönchsprozession statt, wobei die Gruppe einen Sarg trägt, weswegen das Gemälde auch als „Mönchsbegräbnis“ bekannt geworden ist. Im Vordergrund ist bereits ein Grab ausgehoben, rechts im Bild ist ein Kreuz zu erkennen. Die Szene wirkt ruhig und friedlich.

Der Grundton ist grau gehalten, wobei der Himmel leicht bläulich dargestellt wird, sodass der dunkle verschwommene Hintergrund eine Nebelwand darstellt, die sich über die Landschaft legt und das Sonnenlicht absorbiert. Eine besondere Bedeutung kommt den Bäumen zu. Die Eichbäume stehen hinter der Ruine in einem 90° Halbkreis und sind im Vergleich zu den Mönchen übergroß. Zudem überragen sie sogar die Ruine, obwohl gotische Kirchen bereits sehr emporragend sind. Diese Übergroße sowie der massive Stamm mit seinen kahlen Ästen, die dunkel gehalten sind und sehr alt wirken, führen dazu, dass sie dem Betrachter beängstigend einerseits und sehr alt andererseits wirken. Der Maler betont dabei besonders die Symmetrie, die von den Bäumen ausgeht, da sie jeweils links und rechts der Kirche nicht auf gleicher Höhe mit der Ruine angeordnet sind, sondern sich in einem Halbkreis zur Mitte neigen, wodurch eine Gruppierung entsteht. In Bezug auf die Motivik können drei Ebenen (Dreiteilung) angenommen werden: der Himmel, die Nebelwand und der Boden. Der Himmel nimmt dabei zweidrittel der Fläche ein, während die Landschaft gerademal das restliche Drittel für sich beansprucht. Die bereits genannten Motive ragen aus der Nebelwand heraus, während der Hintergrund komplett von der Nebelwand verdeckt wird. Dass es sich bei dem Boden um einen Friedhof handelt wird durch das Kreuz auf dem Boden verdeutlicht. Der Zustand des Friedhofsbodens wirkt kahl und verwahrlost, der Friedhof wirkt wie tot. Es handelt sich hier also um ein Motiv der Verlassenheit und der Rückkehr in den natürlichen Zustand, sodass die ganze Szene eine Dekadenz, ein Zustand des Verfallens, widerspiegelt.

Bezüglich der Natur fällt einem der Zustand der Bäume auf Grund ihrer Größe sehr markant auf. Sie sind komplett kahl und die Äste sind teilweise bereits abgebrochen, sodass die Bäume relativ abgestorben wirken. Man kann in diesem Fall sagen, dass die Bäume hier ein Sinnbild dafür sind, dass die Natur abgestorben ist. Im phänomenologischen Sinne (vor allem mit Blick auf Heidegger) kann von einer Verendung gesprochen werden, wenn man sich auf die Natur bezieht. Das Dasein wird mit dem Nichts konfrontiert. Dieses wird durch die Angst konfrontiert und zeigt, dass Sein, hier vor allem das In-der-Welt-Sein, keine Selbstverständlichkeit darstellt, denn das Seiende könnte auch nicht sein. Dies zeigt sich darin, dass der Boden im Gemälde grau und schneebedeckt ist. Die Natur selbst ist hier mit der menschlichen Natur des Todes und der Vergänglichkeit zu vergleichen: dem Nichts und das, was das Nichts ausmacht. Kirche und Religion bilden im Gemälde eine Einheit, sodass Caspar David Friedrich sicherlich hier auch der Theodizee Ausdruck verleiht. Das Gemälde kann somit in zwei Naturen unterteilt werden. Erstens, die Landschaft, welche durch den Waldboden und die Bäume charakterisiert wird. Zweitens, Elemente, welche der ersten ähnlich sind und sich daher mit ihr verbinden. Dazu gehören das Kirchengebäude, der Tod und die menschlichen Elemente mit Verweis auf die Religion. Aus dieser Vielheit wird im Gemälde eine Einheit, und zwar eine sehr pessimistische Einheit. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Einheit im philosophischen Sinne stets eine positive Bedeutung hat: die Einheit als Ganzheit. Diese ist harmonisch und ordnungsstiftend, während jegliche Fragmentierung Konflikte auslösen kann. Die Rückkehr zur Einheit kann auch mit der Rückkehr zum Schöpfer verstanden werden (siehe Daoismus sowie verschiedene pantheistische und panenhenische Ansätze). Auffallend ist jedoch, dass die Sonne als Lichtquelle weder zur ersten noch zur zweiten Natur gehört und daher unter dem Begriff „Himmel“ zusammengefasst werden kann. Einen solchen Himmel benutzt der Maler, damit der Rest des Gemäldes nicht leer bleibt und somit der Lückenfüllung und der Vollkommenheit des Gemäldes. Das Gemälde besitzt zwei Lichtquellen. Eine ist vom Himmel ausgehend, die andere scheint durch das Kirchenfenster.

Dabei repräsentiert die Sonne das göttliche Licht, welches zur Erhellung und zum Verschwinden des Nebels im beleuchteten Bereich führt. Die Lichtstrahlen, die durch das Kirchenfenster dringen, fluten das Innere der Kirche und scheinen auf den Altarbereich („Licht Christi“), da der sakrale Bereich einer Kirche meist im Osten einer Kirche vorzufinden ist. Somit hat das Licht einen religiösen Kontext, da es sich um etwas ewig andauerndes („ewiges Licht“) handelt und für Erlösung steht und damit im erweiterten Sinne einen Hoffnungsschimmer, sowie die Auferstehung, darstellt („religiöses Licht“). 3 Schließlich haben die Lichtstrahlen einen Einfluss auf die Natur, denn es erweckt die tote Landschaft zum Leben.

Die drei Bildebenen sind unzertrennlich miteinander verbunden und müssen daher als eine Ganzheit gesehen werden. So repräsentiert der Winter auf dem Boden den Tod, genauer noch das Verhältnis des Menschen zum Tod. Da in dem Sarg ein Mönchsbruder und somit ein Angehöriger der Kirche beerdigt wird, kann im übertragenen Sinne gefolgert werden, dass sich die Grabszene auch auf Religion im Allgemeinen bezieht: Der Glaube wird zu Grabe getragen.

Sowohl die Natur als auch die Kirche liegen sprichwörtlich am Boden. Dies könnte ein Indiz sein, dass Friedrich über das Theodizee-Problem hinausdenken möchte und die Verweltlichung der Kirche als Problem empfindet, welches die Kirche unweigerlich nach unten zieht. Er kritisiert damit, dass der Glaube in den Hintergrund tritt. Der Dekadenz, dem scheinbar schier unausweichlichem Nichts, der nihilistischen Perspektive, setzt er jedoch einen affirmierenden Gegensatz entgegen: das Licht der Hoffnung. Dafür muss jedoch eine Veränderung vollzogen werden, das Alte muss begraben werden, um ein Schlussstrich zu ziehen.

Für einen Neuanfang sprechen auch Symbole des Frühlings, welche den Winter ablösen. Bekannte Frühlingsboten sind Schneeglöckchen und Christrosen. Die Natur regeneriert sich von Neuem, und so stellt sich die Frage warum der Mensch dies nicht schafft. Dies ist eine zentrale Frage und wichtiger Deutungsansatz des Gemäldes, denn der Kreislauf der Natur wird hier mit dem Menschen verglichen! Der Frühling repräsentiert die Jugend des Menschen. Im Sommer trägt die Natur Früchte, sie sind reif und können geerntet werden. Der Sommer beim Menschen findet sich in Ausbildung, Beruf, Heirat und Kinder wider. Der Herbst dagegen bewirkt ein Verwelken. Alles wird grau, melancholisch und schwermütig. Der Mensch bekommt graues Haar und Falten und wird nachdenklich.

Die Eichen wiederum könnten ein politisches Symbol sein, da sie für die deutsche Einheit stehen und ein traditionelles Symbol für Tapferkeit und Standfestigkeit darstellen. Gerade für seine Zeitgenossen war dieses Symbol enorm wichtig: einmal wegen dem Streben nach nationaler Einheit, aber auch für die Untrennbarkeit von Mensch, Zeit und Natur als typische Empfindung für die Romantik 4. Auch auf einem 50 Pfennig Stück fand man die deutsche Eiche wieder, wobei man auf der Münze sehen konnte, dass eine Frau eine Eiche pflanzt. Die Eiche ist also auch ein Symbol für politische Hoffnung. Das Bild fällt in die napoleonische Zeit und damit in politische Unruhen. Wenige Jahre später würde in Leipzig die Vielvölkerschlacht stattfinden. Direkte Anspielungen darauf können im Gemälde jedoch nicht gefunden werden, da es bereits 1810 publik gemacht wurde, die Schlacht dagegen fand 1813 statt.

Schließlich kann man das Gemälde in zwei Kernaussagen zusammenfassen. Zum einen ist es egal wie vergänglich das Leben ist, die Natur regeneriert sich von selbst (Jahreszeiten-Anspielung). Die zweite Botschaft liegt darin, dass ein Neuanfang der Kirche nur möglich ist, wenn altes verworfen wird! Auf Grund der vielen göttlichen Symbole in der Natur, die Caspar David Friedrich hier zum Vorschein bringt, kann das Bild als pantheistisch empfunden werden. Gott ist alles, er ist die Hoffnung der Menschen, gegen die Materialisierung und den Konsum. In diesem Sinne kann das Gemälde auch in der aktuellen Klimadebatte betrachtet werden. Der Mensch als Projekt, als In-der-Welt-Sein ist auf seine Welt angewiesen. Liegt diese sprichwörtlich am Boden, so gibt es keine Rettung mehr jenseits der göttlichen Hoffnung. Gott wiederum verschafft uns einen Ausweg: durch die Rückbesinnung auf Gott und seine Schöpfung kann man der materialistischen Konsumgesellschaft und dem Raubtierkapitalismus entgegentreten und so einen Neuanfang wagen, um diesen Planeten doch noch zu retten.

An dieser Stelle lohnt es sich, zum Vergleich sein Gemälde „Mönch am Meer“ heranzuziehen. Auch dieses Gemälde ist dreiteilig aufgebaut. Auf dem Boden befinden sich Sanddünen und zwischen dem Himmel und den Sanddünen ist das Meer. Dabei nimmt der Himmel circa 7/8 des Bildes ein, wobei dieser sehr wolkenreich und dunkel ist. Zum Kontrast gibt es aber auch hier hellere Zonen, was dafür spricht, dass der Himmel sich öffnet. Die Öffnung des Himmels ist als religiöses Symbol bekannt 5. Dabei wird der Himmel in der Religion als Ausdruck der Übernatürlichkeit über der menschlichen Wirklichkeit verstanden. Das Meer nimmt sehr wenig Platz ein, der Boden besteht aus einem Klippenvorsprung mit einem Mönch. Das Gemälde hat also eine sehr überschaubare, rare Motivik und wirkt sehr kahl. Das Meer ist sturmgepeitscht, es herrscht ein hoher Wellengang mit leichtem Schaum.

Bei der Person auf dem Bild handelt es sich um einen verweilenden Kapuzinermönch. Er geht ans Meer um nachzudenken, weswegen er die absolute Einsamkeit sucht und sich dieser hingibt, um nicht abgelenkt zu werden. Diese Überdrehung der Einsamkeit ist schon deshalb auffallend, weil Mönche eigentlich in Klöstern wohnen und diese auch so gut wie nie verlassen. Der Mönch auf dem Bild ist jedoch alleine, fernab einer Klostergemeinde. Vielmehr dient er hier als Mittler zwischen dem Göttlichem und dem Irdischen. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass er ins Unendliche schaut. Er steht also auf der Klippe, schaut aufs Meer und möchte im Himmel das Unendliche betrachten.

Das Unendliche steht für den Einen (τὸ ἕν) und somit Gott. Aus seiner Einheit wurde die Vielheit als Manifestation seiner Idee geschaffen (Platon/ Grimes). Als Schöpfer der Natur ist er im pantheistischen Sinne die Natur. Gott ist überall, alles ist Gott – die Vielheit in der Natur bildet eine göttliche Einheit. Der Mönch ist ergriffen vom Naturschauspiel und möchte Gott nahe sein („Unterwürfigkeit“). Neben der Unterwerfung spielen aber auch das Gebet und die meditative Versenkung eine wichtige Rolle. Das Meer trennt den Mönch mit dem Himmel und damit Gott eindeutig ab. Der Mönch möchte sich Gott annähern, kann dies auf Grund der zu großen Barriere aber nicht tun. Desweiteren symbolisiert er damit den ungewissen Lebensweg und die Zweifel, welche einem begegnen. Man widmet sich der Frage nach der Existenz Gottes und kommt in Situationen, in der man nur auf Gott hoffen und vertrauen kann. Gleichzeitig hat man aber nicht die Möglichkeit, Gott direkt zu begegnen (Philon!), sodass man nur durch seine Wirkkräfte und seine Offenbarung in Form der Manifestation der Ideenwelt auf seine Existenz schließen kann. Der Mensch dagegen kommt alleine in die Welt und er verlässt sie auch wieder alleine – er ist Teil der Welt, einer Welt, die sich durch die Weltvergessenheit zu entfremden droht (Arendt!). Es ist zudem typisch für die Romantik, dass Gemälde sich geistlichen, religiösen Themen widmen mit dem Ziel sich Gott zu nähern bzw. die Nähe zu Gott zu finden.

Es ist lässt sich zusammenfassen, dass Caspar David Friedrich in seinen Gemälden seine persönlichen Schicksalsschläge verarbeitet. Die Gemälde sind geprägt durch die Idee des Pantheismus, weisen aber auch Zweifel gegenüber kirchlichen Institutionen auf. Auch die Theodizee ist damit verbunden. So mag er sich dem von der Kirche propagierten Gott mit seinen Gottesprädikaten abgeneigt fühlen, verneint damit aber nicht Gott an sich. Vielmehr versucht er die wahre Natur Gottes zu finden. Die Gestaltung beider Gemälde ist eher herbstähnlich bzw. kahl und im Gesamten dunkel gehalten. Typisch für die Romantik in Deutschland sind die Darstellung religiös motivierter Themen und dem Wunsch sich Gott anzunähern. Friedrichs Gemälde „Abtei im Eichwald“ ist jedoch nicht nur religiös-philosophisch, sondern auch politisch zu betrachten. Es spiegelt durchaus politische Ideen oder Wünsche seiner Zeitgenossen wider.

Quellen:

[1] siehe hierzu u.a. Simon Elson: Ein Caspar David Friedrich für Greifswald. Weltkunst, 4. September 2017. https://www.weltkunst.de/kunstwissen/2017/09/ein-caspar-david-friedrich-fuer-greifswald, aufgerufen am 26. Juni 2019.

[2] Susanne Albers: Caspar David Friedrich zum 235.Geburtstag. http://www.susannealbers.de/01kunst-cdf-1.html, aufgerufen am 28. November 2013.

[3] Markus Szyszkowitz: Was ist das „ewige Licht“?. Kleines Kirchenlexikon der Erzdiözese Wien, 15. Oktober 2015. https://www.erzdioezese-wien.at/site/nachrichtenmagazin/magazin/kleineskirchenlexikon/article/45943.html, aufgerufen am 26. Juni 2019; Markus Bechtold: "Licht steht für das Göttliche, die Dunkelheit für Böses". Evangelisch.de, 1.Februar 2013. https://www.evangelisch.de/inhalte/77649/01-02-2013/licht-goettliche-brauch, aufgerufen am 26. Juni 2019.

[4] Heidrun Peters: Volkswirtschaftslehre – Lernt gemeinsam handeln!. Darmstadt: Winklers Verlag/ Westermann, 2012, S. 16 f.

[5] vgl. hierzu Christoph Kreitmeir: Ein Stück vom Himmel. Katholisch.de, 24. Februar 2018. https://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/ein-stuck-vom-himmel, aufgerufen am 26. Juni 2019.

Veröffentlicht am 20. Juli 2019

Politische und Philosophische Analysen

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