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Ist der Monotheismus wirklich aus dem Polytheismus entstanden? – Eine Nachzeichnung Humes an biblischen Stellen

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Einleitung

In der Naturgeschichte der Religion zeichnet der Empirist David Hume die Entstehungsgeschichte der Religion nach, wobei er allgemein zu dem Fazit kommt, dass der Polytheismus auf der ganzen Welt der Ursprung der Religion sein müsse und der Monotheismus erst später aus dem Polytheismus entstanden sei. Im ersten Abschnitt verdeutlicht er dies, indem er davon ausgeht, dass der Gott des Polytheismus unvollkommene Charakterzüge besitze, während der Monotheismus dagegen vollkommen sei und anders als der Polytheismus von einem vollkommenen Schöpfer ausgehe.1 Im Laufe des Werkes versucht Hume jedoch immer wieder aufzuzeigen, dass der vollkommene Monotheismus eigentlich gar nicht vollkommen sei und bringt damit eine versteckte Religionskritik an. In der vorliegenden Arbeit möchte ich an einigen ausgewählten Passagen nachprüfen, ob Humes Einwand berechtigt ist, und dies mit biblischen Stellen vergleichen. So werde ich zuerst beweisen, dass Humes Grundannahme, dass der Monotheismus aus dem Polytheismus entstanden sei, völlig korrekt ist. Dafür werde ich das henotheistische Moment der Mehrzahl Gottes in der hebräischen Bibel heranziehen. Da henotheistische Traditionen immer einen in der Mehrzahl existierenden Gott vereinheitlichen oder vereinen wollen, muss zwangsläufig ein Polytheismus vorausgegangen sein. Es wird jedoch zu klären sein, inwiefern dieser Gott dann wirklich noch Schöpfer ist. Schließlich möchte ich dann weiter gehen und untersuchen, ob Gott für das Böse auf dieser Welt verantwortlich sein kann, da Hume im zweiten Abschnitt einen schizophrenen Gott zeichnet, der den Menschen wieder jenes wegnimmt, was er ihnen einst gegeben hat. In Zuge dessen muss auch betrachtet werden, ob Gott eine abstrakte Macht oder eher dem Menschen ähnlich ist.

Methodisch betrachtet ziehe ich sowohl eine deutschsprachige Bibel aus dem Jahr 1965 als auch die englische King James Bible hinzu. In meiner Analyse möchte ich mich zudem auf das Alte Testament beschränken. Zum einen ist das Alte Testament zeitlich früher anzusetzen und daher im Vergleich auf polytheistische und monotheistische Momente interessanter. Zum anderen fehlt mir ein tieferes Hintergrundwissen zum Neuen Testament, da ich eher der jüdischen Tradition zugeneigt bin und mir daher fundamentales Wissen über das Christentum fehlt. Da ich einige angelesene Kenntnisse der hebräischen Sprache besitze sind alle Wort- und Grammatikerklärungen direkt von mir, sodass ich hier keine externen Quellen benutzt habe. Das hebräische Alte Testament ist gemeinfrei und kann in Datenbanken gesichtet werden. Ich orientiere mich hierbei am masoretischen Text.

1. Gott in der Mehrzahl

Im dritten Abschnitt zeigt Hume auf, dass der Polytheismus zuerst existiert haben muss, da er die Mannigfaltigkeit der gesamten Natur widerspiegelt2, welcher – so Hume dann im fünften Abschnitt – kein geistiges, sondern menschliches Wesen darstellt, der einer unsichtbaren intelligenten Macht entgegenläuft.3 Dass es sich nicht nur um einen Menschen, sondern um mehrere, also einen poly-theistischen Ansatz handelt, zeigt er in den Widersprüchen der Natur, die einem Krieg ähneln. So macht er im zweiten Abschnitt deutlich, dass Einer unmöglich am zweiten Tag zerstört, was er am ersten Tag schafft4, und im fünften Abschnitt untermauert er dies, indem er die Heldenverehrung als Quelle der Götterbildung sieht5. Humes Ansatz wird in der Theologie als evolutionärer Ansatz gesehen.6 Demgegenüber steht Yehezkel Kaufmans revolutionärer Ansatz, der davon ausgeht, dass die jüdische Religion die Ausnahme sei und sich von Anfang an von paganen Traditionen abspaltete.7 Kaufmans Theorie ist jedoch schnell zu widerlegen, da es in der Evolution der Religion eine Zwischenstufe, den Henotheismus, gibt, der meiner Ansicht nach notwendigerweise einen vorangegangen Polytheismus voraussetzt. Dies möchte ich wie folgt nachzeichnen.

Es ist belegt, dass die Kanaaniten – die früher einen Großteil des heutigen Israels bewohnten – eine polytheistische Tradition befolgten. Demnach stand der Gott El auf der höchsten Stufe, wobei er in einigen Stämmen durchaus andere Namen innehatte.8 Auf der zweiten Stufe standen verschiedene Schutzgötter, zum Beispiel Baal.9 Auf der dritten Stufe kamen dann niedere Götter und Engel.10 Die alte hebräische Bezeichnung für Götter heißt elohim. Dabei ist -im die hebräische Pluralendung. Das Wort elohim wurde mit der Zeit eine Synonymisierung für Gott, also alle Götter wurden durch ihn ausgedrückt, sodass es zwar kein reiner Monotheismus war, aber alle Götter in dem Einen sich vereinten (Henotheismus). Spuren davon finden sich noch im Alten Testament. So heißt es in Genesis 1:1 im Hebräischen „berešit bara elohim et hašamayim wa-et haarets“. Meine deutsche Bibel übersetzt dies mit „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“. Die Bezeichnung „im Anfang“ ist hier besonders trefflich, denn das hebräische Wort „berešit“ besteht aus den Wortteilen „be“ und „rešit“. Letzteres bezeichnet den Anfang, ersteres bezeichnet das Wort „in“ als Ort oder Zeit oder „mit“. Hayes stellt daher fest, dass der Satz nicht bedeutet, dass hiermit alles anfing, sondern dass schon vorher etwas existierte, aber auf dem Höhepunkt des Anfangs begann Gott jenes zu machen, was uns von dort an überliefert wird.11 Das bedeutet, dass Genesis nicht den Anspruch haben kann, den ganzen Anfang nachzuzeichnen, sondern bereits etwas existierte, bevor die Erzählung anfängt, andernfalls hätte eine andere Präposition gewählt werden müssen.

Weiterhin zeigt sich hier, dass Gott im Plural steht, obwohl grammatisch nur ein Gott angenommen wird, denn im gesamten ersten Kapitel der Genesis wird er mit der dritten Person Singular männlich angesprochen. So beginnt Genesis 1:3 mit dem Ausspruch „wa-yomer“ (er sagte), Genesis 1:4 „wa-yira“ (er sah) und Genesis 1:5 „wa-yiqra“ (er nannte, er bezeichnete). Es ließen sich noch etliche weitere Stellen finden. Dies zeigt also, dass man Gott nicht mehr im Plural gesehen hat, ihn jedoch weiterhin im Plural anspricht – der Plural, der einst dazu da war das ganze Pantheon an Göttern zu bezeichnen. Bis heute gibt es keine wirkliche Singularform für Elohim im Hebräischen. Auch wenn einige Wörterbücher die Existenz einer solchen suggerieren, bleibt sie nur hypothetisch. Der Singular befindet sich in der Bibel nur an einigen wenigen Stellen im Gebrauch, um die Einheit Gottes (also der Eine) aus den Vielen zu betonen. In einigen engverwandten semitischen Sprachen existiert jedoch ein regulärer Singular, so zum Beispiel im Aramäischen eloha und im Arabischen allah, welche auf denselben Wortstamm zurückzuführen sind.

In Kapitel zwei des Buches Genesis wird das Pluralphänomen sogar noch abstruser, indem Gott yahweh elohim genannt wird. Das Wort Yahweh bezeichnete laut Evans ursprünglich eine Gottheit zweiter Ordnung in der kanaanitischen Religion, ist jedoch später mit El synonymisiert worden und damit aufgestiegen.12 Als oberster Gott wird er als Synkretisierung der Götter Abrahams, Isaaks und Jakobs gesehen13 – und damit in henotheistischer Form. Yahweh stand zudem nie in Konkurrenz zu El, im Gegensatz zu einigen anderen Göttern, die um seine Position konkurrierten.14 Yahweh Elohim ist somit eine Dopplung des Wortes Gottes, welches in der King James Bibel stets mit „Lord God“ übersetzt wird. Meine deutsche Übersetzung nutzt die Bezeichnung „Jahwe Gott“. An einigen Passagen wird im Alten Testament zudem nur von Jahwe geredet, ohne den Zusatz elohim. Ein Synonym für Jahwe/ Yahweh ist Adonai, welches sich aus Deuteronomium 10:17 ableiten lässt. Dort steht: „Ki Yahweh elohechem hu elohe ha-elohim wa adone ha-adonim“. Dabei bedeutet elohe ha-elohim gewöhnlich „God of gods“ und adone ha-adonim „Lord of lords“ nach der King James Version. In der deutschen Ausgabe steht: „Denn Jahwe, euer Gott, ist der Gott der Götter und der Herr der Herren“. Wenn Yahweh der eine Herr (adonai) ist, dann müssen adonai und yahweh identisch sein. Die fünf Bücher Mose gelten als die ältesten Bücher der Heiligen Schrift und an den gezeigten Beispielen dürfte nun klar sein, dass die polytheistischen Götter später henotheistisch verstanden wurden. Und zwar indem Yahweh als der eine Gott verstanden wurde, indem alle anderen je existierenden Götter sich vereinigt haben, weswegen es keiner weiteren Götter bedarf. Durch seine Anrede im Singular muss davon ausgegangen werden, dass er als unteilbar in der Einzahl verstanden wurde, auch wenn das Wort für Gott im Plural erhalten blieb. Verschiedene Götternamen wurden nun zu Anreden des Einen. Damit zeigt sich, dass Humes Nachzeichnung, dass der Monotheismus aus dem Polytheismus entstanden sei, tatsächlich korrekt ist und das Judentum, anders als von Kaufman proklamiert, dort keine Ausnahme darstellt, da auch dieses aus polytheistischen Traditionen, nämlich der israelischen Stämme, hervorgegangen ist. Denn nur somit lassen sich die Pluralismen als Bezeichnung für den einen Gott der Bibel erklären.

Schließlich ist Gott im ersten Kapitel der Genesis nicht als allmächtiger Gott gedacht, der alles aus dem Nichts kreiert, sondern er nutzt bereits Bestehendes, um es mit der Kraft, die er besitzt zusammenzusetzen oder zu teilen. Denn das Wort Schöpfung (bara) bedeutet in der jüdischen Mystik nicht, dass etwas aus dem Nichts gemacht wird, denn dafür steht das Wort atzah in der Bibel.15 Vielmehr bedeutet „schöpfen“, dass etwas Neues aus etwas bereits Bestehendem durch Teilung zu Tage tritt (vgl. Genesis 1:27, indem der Mensch aus Schlamm geschaffen wird – ha-adam und adamah; und Genesis 2:21-22, wo die Frau aus dem Manne geschaffen wird – ha-iš und išah). Im Hebräischen legen die Wörter noch nahe, warum sie so heißen. Das Wort für Mensch beinhaltet das Wort für Schlamm, welches wohl aus dem Wort für rot oder das Rote stammt (und die Farbe der Erde bezeichnet). Das Wort „Frau“ (išah) enthält noch das Wort „Mann“ (iš), weil sie aus dem Manne (me-iš) geschaffen wurde. Daher versteht man Genesis 2:23 nur, wenn man den terminologischen Zusammenhang kennt: „she shall be called Woman, because she was taken out of Man“ (King James Version). Damit ist auch geklärt, woher Gott seine Materialien nahm: Sie waren einfach da, und er machte etwas Neues aus dem Alten, was dann seine Schöpfung ist, da er es so geformt hat, wie es nun letztlich heute ist. Somit lässt sich auch die Schwäche des Argument from Design, die Hume aufgreift, erklären, in der doch ungewollte Wunder auftauchen16, eben weil Gott ursprünglich nicht als allmächtig im Sinne von Allmacht gedacht wurde. Höchstens wurde er als ein besserer Mensch gedacht, der über eine Fülle von Macht besaß und damit sogar über Menschen verfügen konnte. Ich denke, dass für die frühe Zivilisation dies eine Form der Macht war, welche die Gedankenkraft der damaligen Menschen überstieg.

2. Die Schizophrenie Gottes

Hume stellt im zweiten Abschnitt die These auf, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass die Welt mehrere Baumeister besäße.17 Dabei ist diese Aussage von ihm allzu offensichtlich ironisch gemeint, denn er stört sich daran, dass Gott so widersprüchlich agiert und zum einen Sachen wachsen lässt, diese jedoch bald darauf wieder durch Unwetter zerstört. Zu Zeiten, als die Völker noch naiv und ungebildet gewesen seien, mussten sie daher zwangsläufig annehmen, dass dies nicht das Werk einer Gestalt sein kann, sondern mehrere sich entgegengesetzte Kräfte agieren müssten. Damit zeichnet er im Umkehrschluss unweigerlich das Bild eines launischen – vielleicht sogar schizophrenen – Gottes, wenn es sich doch nur um einen (einzigen) Gott handeln sollte. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass Hume das Bild eines allliebenden und allgütigen Gottes annimmt und dies den Übeln dieser Welt entgegenstellt. Dann gibt es nämlich notwendigerweise nur zwei Möglichkeiten. Entweder ist Gott nicht allliebend und damit auch für das Böse verantwortlich oder Gott ist nicht für das Böse verantwortlich, aber dann ist er nicht allmächtig und kann das Böse nicht verhindern.

Im Judentum ist die Frage nach dem Ursprung des Bösen ein bis heute sehr breit diskutiertes Problem.18 In der Lubawitscher Schule des chassidischen Judentums hat man eine platonische Position übernommen, die an die Politeia 377d-379c anknüpft. In der Passage in der Politeia wird herausgestellt, dass Gott nur für das Gute, aber niemals für Ungutes verantwortlich gemacht werden kann, da Gutes niemandem Schaden zufügen kann. Da Gott mit dem Guten identisch ist, kann Gott niemandem Schaden zufügen. Rabbi Aron Moss19 kommt zwar zu dem Schluss, dass Gott der Urheber des Bösen ist, aber nur deswegen, weil er eben nicht das Böse möchte. Da aber alles was Gott denken kann Realität wird, wird auch das Böse Realität, sobald Gott daran denkt, selbst wenn er es nicht möchte.20 Demnach ist das Gute ewig, da es von Gott gewollt wird („G-d wants goodness, so its existence is true and everlasting.”21), während das Böse als temporäre Negativerscheinung des Guten auftaucht, welches nicht gewollt ist und daher nichts weiter als ein „undesirable non-entity“ sei.22 Dem gegenüber steht Rabbi Tovia Singer23, welcher auf Deuteronomium 30:15 und Jesaja 45:7 verweist. Singer stellt heraus, dass das Böse eine von Gott erschaffene und gewollte Entität sei, welche zudem Gott unterworfen und ihr hörig sei.24

„In no part of the Bible is this principle more evident than in the Book of Job, where Satan’s role is prominent. In the first chapter of Job, Satan appears before the Almighty with a host of other angels. Satan suggests that Job’s righteousness was not fully tested. He argues that Job might lose his faith if he were confronted by personal pain and utter destitution. He proposes to God that Job serves Him simply because God protects him. Satan requested permission from God to test Job’s virtue. The Almighty grants this petition; however, He meticulously outlines for Satan what he may and may not do when testing Job. Satan obediently follows his Creator’s instructions.“25

Tatsächlich zeichnet das Alte Testament, und damit vor allem das klassische Judentum, nicht den Anspruch auf, einen Gott zu proklamieren, der nur das Gute im Sinn hat. Singers Verweis auf Jesaja 45:7 bestätigt dies. In dem besagten Vers steht in der King James Bibel: „I form the light, and create darkness: I make peace, and create evil: I the LORD do all these things“. Zum Vergleich, in der mir vorliegenden deutschen Bibel ist der Vers wie folgt übersetzt: „Ich bin Jahwe, und sonst keiner, der Licht bildet und Finsternis schafft, der Heil wirkt und Unheil schafft; ich bin Jahwe der all dies wirkt.“ Während im Gegenzug das in der Renaissance entstandene chassidische Judentum auf mittelalterliche Schriften platonischer Prägung zurückgreift und wohl auch das Christentum neuplatonische Vorstellungen übernimmt, den Einen (Gott) mit dem Guten gleichzusetzen26, ist das Gut-sein im frühen Judentum also gar keine notwendige Eigenschaft Gottes und steht seiner Allmacht nicht entgegen. Auch wenn die angenommene Allmacht, wie oben gezeigt, gar keine wirkliche Allmacht sein kann. Zudem zeigt die Passage den vom Henotheismus ausgehend neu entstandenen Monotheismus auf, denn es wird betont, dass es nur den einen Gott gibt, der für alles verantwortlich ist (ani yahweh27 oseh chal eleh).

Damit ergeben sich zwei Möglichkeiten. Entweder zerstört Gott das, was er geschaffen hat aus Unwissenheit. Also, weil er nicht allmächtig ist und die Zerstörung nicht verhindern kann oder weil er allmächtig ist und jeder Gedanke Realität wird und damit auch das Böse. Bei letzterem steht ihm seine Allmacht selbst im Wege (unkontrollierbare Allmacht). Oder Gott zerstört das Erschaffene wissentlich, weil er eben nicht zwangsläufig ein gütiger Gott ist. Damit kann er nur allgütig oder allmächtig sein, aber nicht beides gleichzeitig. Ist er allgütig hat er keine Kontrolle über das Böse, ist er allmächtig, könnte er das Böse verhindern aber tut dies nicht.

3. Die Vermenschlichung Gottes

Im zweiten Kapitel spricht Hume, wie oben bereits geschildert, die Vermenschlichung Gottes an. Demnach stellt sich der frühe primitive Mensch Gott als dem Menschen ähnlich vor und geht weniger von einem abstrakten Wesen aus. Tatsächlich pflichtet das Alte Testament dieser Annahme Humes bei, wobei vor allem der Anfang von Ezekiel sowie das Kapitel 6 aus dem Prophetenbuch Jesaja für diese Verbildlichung maßgeblich sind.

Now it came to pass in the thirtieth year, in the fourth month, in the fifth day of the month, as I was among the captives by the river of Chebar, that the heavens were opened, and I saw visions of God. In the fifth day of the month, which was the fifth year of king Jehoiachin's captivity, The word of the LORD came expressly unto Ezekiel the priest, the son of Buzi, in the land of the Chaldeans by the river Chebar; and the hand of the LORD was there upon him. And I looked, and, behold, a whirlwind came out of the north, a great cloud, and a fire infolding itself, and a brightness was about it, and out of the midst thereof as the colour of amber, out of the midst of the fire. Also out of the midst thereof came the likeness of four living creatures. And this was their appearance; they had the likeness of a man. (Ezekiel 1:1-5, King James Version)

In the year that king Uzziah died I saw also the LORD sitting upon a throne, high and lifted up, and his train filled the temple. Above it stood the seraphims: each one had six wings; with twain he covered his face, and with twain he covered his feet, and with twain he did fly. And one cried unto another, and said, Holy, holy, holy, is the LORD of hosts: the whole earth is full of his glory. And the posts of the door moved at the voice of him that cried, and the house was filled with smoke. (Isaiah 6:1-5, King James Version)

Vor allem Ezekiel 1:5 verweist auf die Ähnlichkeit Gottes mit dem Menschen, die an sich aber nicht verwundern dürfte, da der Mensch in Genesis 1:27 b’tselem Elohim (in the likeness of man) geschaffen wird. Folglich nahm man an, dass die Seele des Menschen, der Seele Gottes und damit auch Gott dem Menschen nachgezeichnet sein müsse, weil Gott den Menschen schließlich nach seinem Vorbild geschaffen hat. Dabei bedeutet tselem wörtlich Abbild.28 Der Mensch ist somit ein Abbild Gottes. Viele jüdische Mystiker im Mittelalter hat dies an Platons Ideenlehre erinnert. Aber schon in vormittelalterlicher Zeit gab es eine Gegenidee, die vermutlich bis um die Christusgeburt zurückgeht, in der Gott mit dem Verstand, dem logos, gleichgesetzt wird. Zur damaligen Zeit gab es unter Gelehrten wohl eine Geheimlehre, die davon ausging, dass die Verbildlichung Gottes nur eine Vereinfachung für die Unwissenden sei, damit diese die Schrift verstünden. Demnach sei Gott in Wirklichkeit aber ein leerer Punkt gewesen, indem sich alles was existieren könne befand. Ein leerer Punkt, welcher alles umfasst ist zwar ein Widerspruch, aber daran störten sich die Mystiker nicht. Dieser Anfangspunkt ist so undefinierbar, dass er nicht beschrieben werden könne und zur Vereinfachung ein sof („ohne Ende“) genannt werden solle.29 Im mystischen Zohar, der wohl im Mittelalter entstand, wird Ein Sof mit dem neuplatonischen Einen gleichgesetzt. Aus ungeklärten Gründen fängt dieses abstrakte Eine dann irgendwann an, sich zu abstrahieren und die Schöpfung beginnt.30

In der Spätrenaissance fügt Isaak Luria die Idee hinzu, dass dieses Eine ursprünglich aus kosmischem Licht bestand, welches sich – wie auch immer – in Vasen geschützt auf die bereits bestehende Erdmasse aufmacht. Da die Vasen aber zu fragil gewesen seien, ist das Licht heruntergeregnet und die Erde dadurch so ungleich und fehlerhaft bedacht worden.31 Damit erklärt Luria übrigens auch die Übel dieser Welt, denn das Böse sei demnach die Abwesenheit des göttlichen Lichts und damit des Guten. Auch wenn Isaak Luria damals schon sehr umstritten war und viele apokryphe Meinungen einbrachte, gilt seine Lehre heute als eine der wichtigsten und einflussreichsten im orthodoxen Judentum. Sehr orthodoxe Juden glauben, dass er Sachen erkannt habe, die sicherheitshalber erst gar nicht in der Heiligen Schrift erwähnt werden, da sie nur dem Wissenden zugänglich sein sollen. In orthodoxen Kreisen geht auch die Legende herum, Luria sei so früh verstorben, da er die Geheimnisse Gottes ausgeplaudert habe und daher von Gott bestraft wurde.32 Dass Gott in Wahrheit ein abstraktes Eins darstelle, welches mit dem Guten (agathon) identisch sei, ist heute sowohl die gängige Interpretation im chassidischen Judentum der Lubawitscher Schule als auch in der chassidischen Tradition der Breslauer Schule33 und damit die gängigste Lehrmeinung im orthodoxen und ultra-orthodoxen Judentum überhaupt. Dieses Abstraktum ist zwar ein offensichtlicher Widerspruch zur vermenschlichten Darstellung, aber im sechsten Abschnitt des ersten Kapitels des Sefer Yetzira wird Gott erst als Logos dargestellt, der sich im Laufe der Schöpfung einen Thron baut.34 Man könnte annehmen, dass er dadurch wohl dem Menschen immer ähnlicher wird. Tatsächlich aber kommt der Thron am Anfang des sechsten Kapitels in einem ganz anderen Zusammenhang wieder. Dort platziert Gott nämlich einen Himmelsdrachen über dem Universum, welcher wie ein König auf dem Throne sei.35 Tiere spielen in jüdischen Texten oft eine Stellvertreterrolle und sind daher nicht wörtlich zu nehmen. In diesem Fall handelt es sich wohl um ein Motiv aus der nahöstlichen Mythologie, welche die Essenz des Universums verkörpert.36 Bis heute ist der Autor unbekannt, aber der Text scheint aus der nachchristlichen Antike zu kommen. Er bildet das Fundament für das mystische Judentum im Mittelalter, welches sich in der Renaissance weiterentwickelt und ab der Neuzeit als chassidische Lehre dem aufgeklärten Judentum (Haskalah) gegenübersteht. Daher mag Hume auf alle Fälle Recht haben, dass die Menschen sich ursprünglich Gott als dem Menschen-ähnlich ansahen. Im Laufe der Zeit übernahm das Judentum jedoch platonische, neuplatonische und mystische Einflüsse, in der Gott erst als Verstandeswesen und schließlich als das Gute selbst verstanden wird. Die Vermenschlichung ist auf diese Weise mit der Zeit im Judentum verschwunden und zu einer Allegorie für die einfältigen Menschen heruntergespielt worden.

Fazit

In der Bibel lassen sich eindeutige Belege finden, dass das frühe Judentum aus einer henotheistischen Tradition entstanden ist und damit Humes evolutionäre Theorie der Religionsgeschichte belegen. Zugleich ist damit Kaufmans sogenannte revolutionäre Theorie widerlegt, die davon ausging, dass das Judentum sich von Anfang an als monotheistische Tradition in einem polytheistischen Umfeld etablierte. So bezeichnet die Bibel Gott als elohim, was ursprünglich die Pluralform „Götter“ bedeutete und erst im Laufe der Zeit zu einem festen Nomen geworden ist. Auch die Anrede elohe ha-elohim (Gott der Götter) zeigt, dass die jüdische Tradition aus einem polytheistischen Pantheon heraus entstanden sein muss. Zugleich zeugt die Übernahme des Namen Yahweh, dass es sich um eine ununterbrochene Tradition handeln muss, da Yahweh eine Gottheit zweiten Grades im kanaanitischen Pantheon darstellte. Somit übernahm das Judentum die Yahweh-Verehrung ebenso wie die elohistische Tradition. Das Judentum ist damit eine Weiterentwicklung, nämlich die Kanonisierung, eines vorangegangenen paganen Volksglaubens polytheistischer Prägung. Im frühen Stadium der Entwicklung, dem Pentateuch, war dieser auf jeden Fall henotheistisch, da hier ein Gott der Herr aller Götter war. Schließlich wurden alle Götter der verschiedenen Stämme eine Manifestation des einen Gottes, der nur mehrere Namen hat, was sich auch darin zeigt, dass Gott im Alten Testament mit verschiedenen Namen angeredet wird. Da das Judentum aus verschiedenen Traditionen entstanden ist, löst sich schließlich auch Humes schizophrenes Gottesbild auf. Zwar werden Gott verschiedene Attribute angelastet, aber viele Gottesattribute sind der platonischen Perfektion geschuldet. Die frühen Juden können unmöglich von einem allgütigen Gott ausgegangen sein, denn es gibt mehrere Bibelstellen, in denen Gott sich der Schöpfung des Bösen bekennt. Die Idee eines Gottes der das Gute verkörpert und alles nach einer perfekten Idee verstandesmäßig (nous) baut, scheint entweder dem frühen Christentum oder dem Neuplatonismus entnommen zu sein. Woher dies genau stammt, kann ich nicht genau sagen, da ich mit der christlichen Tradition nicht gut genug bewandert bin, aber es läuft der jüdischen Tradition entgegen. Erst in der Spätrenaissance übernahm das Judentum die Idee eines nur nach dem Guten strebenden Gottes. Dies ging mit der Gründung des Chassidismus (Schule des Mitgefühls – von Hebräisch chesed) überein.

Schließlich hat Hume auch Recht, wenn er behauptet, dass Gott ursprünglich keine abstrakt gedachte intelligente Macht sei, sondern dem Menschen ähnlich gedacht wurde. Ein möglicher Beweis zeigt sich vor allem an Stellen in der Bibel, in denen Gott auf einem Thron sitzt, der vom Feuer umhüllt ist und sich dem Menschen qua Gestalt offenbart. Auf der anderen Seite könnte statt einem Gott in Menschengestalt auch ein Gott in Form eines mythologischen Wesens sitzen. Viel evidenter ist dagegen die Stelle, als Gott den Menschen als sein Abbild schöpfte. Dabei bedeutet „schöpfen“ ursprünglich nur einen Teilungsprozess. Die frühen Juden gingen also nicht davon aus, dass Gott ein allmächtiger Schöpfer sei, der alles aus dem Nichts erschaffen kann. Vielmehr nutzt er das bereits vorhandene und erschafft Neues durch Teilung oder Zusammenführung. Dem entgegengesetzt steht das hebräische Wort für „machen“ oder „kreieren“, in dem Gott ein authentischer Urheber ist. Damit zeigt sich, dass Gott ursprünglich als ein menschenähnliches aber um vielfaches mächtigeres Wesen vorgestellt wurde und im Laufe der Zeit erst abstrakt gedacht wurde. Je abstrakter er wurde, desto weniger Eigenschaften wurden ihm zugeschrieben, bis er schließlich ein leerer Punkt war, indem paradoxer Weise alles was je sein kann schon enthalten ist.

Fußnoten:

1 Hume, 2000, S. 2 f.

2 Hume, 2000, S. 12.

3 Hume, 2000, S. 22.

4 s. Hume, 2000, S. 7 f.

5 Hume, 2000, S. 24.

6 Hayes, 2006, Lecture 2.

7 Ebda.

8 Evans, 2007, S. 291.

9 Ebda.

10 Ebda.

11 Hayes, 2006, Lecture 2.

12 Evans, 2007, S. 291.

13 Ebda.: „[…] it was through assimilation that the God of Abraham, Isaac and Jacob was identified in his essence with Yahweh.“

14 vgl. Evans, 2007, S. 291.

15 Schmitz, 2018.

16 Zu den Wundern, siehe Hume, 2000, S. 4.

17 Hume, 2000, S. 6 f.

18 Schmitz, 2018.

19 Sein Artikel ist bei Chabad erschienen, der größten Plattform für chassidische Interpretationen der Lubawitscher Schule.

20 Moss, o.J.

21 Ebda.

22 Ebda.

23 Singer hat die Plattform Outreach Judaism gegründet, um über die Verchristlichung des Judentums hinzuweisen und dem entgegenzuwirken. Er sieht sich als Gegenmissionar (counter-missionary) zum Christentum.

24 Singer, o.J.

25 Ebda.

26 Schmitz, 2018.

27 Ani Yahweh = Ich, Yahweh! Das nachfolgend genannte, bezieht sich alles auf Yahweh, den Gott der Götter und Herr der Herren, der sich hier in der ersten Person Singular selbst anredet.

28 Schmitz, 2018.

29 Ebda.

30 Ebda.

31 Adler, 2016, Abschnitt 3.

32 Über ein detaillierteres Wirken Isaak Lurias gibt es auf Youtube die Dokumentation Gnosis - Secrets of the Kabbalah aus dem Jahr 2013 [https://www.youtube.com/watch?v=ppT8JK1loSg, aufgerufen am 28. März 2019].

33 Zum besseren Verständnis der Breslauer Schule empfehle ich die Vorträge zu Nachmans Likkutei Moharan von Rabbi Eluzar Kenig in jiddischer Sprache.

34 Wescott, 1893.

35 Ebda.

36 Epstein, 1996, S. 363.

Literatur

Bibelausgaben:

Die Bibel. Die Heilige Schrift des alten und neuen Bundes. Vollständige deutsche Ausgabe. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1965.

Holy Bible. King James Version. Nashville: The Gideons International, 1979.

Sonstige Literatur:

Adler, Benjamin: Introduction to Kabbalah: The Creation Myth. Sefaria Source Sheet, 2016. https://www.sefaria.org/sheets/32246, aufgerufen am 29. Juli 2018.

Epstein, Marc Michael: Harnessing the Dragon: A Mythos transformed in Medieval Jewish Literature and Art. In: Laurie L. Patton, Wendy Doniger: Myth and Method. Charlettesville/ London: The University Press of Virginia, 1996, S. 352-389.

Evans, Annette Henrietta Margaretha: The Development of Jewish Ideas of Angels: Egyptian and Hellenistic Connections, ca. 600 BCE to 200 CE. Dissertation, University of Stellenbosch, 2007.

Hayes, Christine: Introduction to the Old Testament (Hebrew Bible). Vorlesungsreihe an der Yale University, Herbst 2006.

Hume, David: Die Naturgeschichte der Religion. Übersetzt und Herausgegeben von Lothar Kreimendahl. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 2000.

Moss, Aron: Did G-d Create Evil?, Chabad, ohne Jahr. https://www.chabad.org/library/article_cdo/aid/367866/jewish/Did-G-d-Create-Evil.htm, aufgerufen am 27. April 2018.

Schmitz, Timo: The ten sefirot and the Jewish tree of life concept – Part 1. Self-published online article, 1 June 2018.

Singer, Tovia: Who is Satan?. OutreachJudaism, ohne Jahr. https://outreachjudaism.org/who-is-satan/, aufgerufen am 27. April 2018.

Wescott, William Wynn: Sepher Yetzirah. The Book of Formation and the Thirty-two Paths of Wisdom, translated from the Hebrew. London: Theosophical Publishing Society, 1893.

Veröffentlicht am 25. Juli 2019

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