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Wir alle wollen Opfer sein,

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denn dem Opfer gehört alle Sympathie. Auch hier geht es im Grunde wieder um die Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung, nach Fürsorge. Ein Opfer ist unschuldig und hilflos wie ein Kind.

Es weckt den Mutterinstinkt und dessen Bereitschaft, zu retten und zu helfen, zu beschützen und zu unterstützen. Wir erschleichen uns Zuwendung und Mitgefühl, zwingen andere zu einem fürsorglichen und mitfühlenden Verhalten und fühlen uns dadurch sicherer und umsorgt. Doch, kleine Frage: Wenn alle Opfer sind, wo sind dann die Täter?

Und wie sollen wir unser Leben gestalten können, wenn wir die Opferrolle spielen? Zwar ist auch das eine Form von Lebensgestaltung, jedoch eine, bei der wir unter die Räder kommen, wo wir ohnmächtig und ausgeliefert sind. Jeder braucht mal Hilfe und die soll er auch bekommen, keine Frage. Da wir soziale Wesen sind, erhält Hilfe, wer darum bittet.

Die Rede ist hier jedoch von einem Rollenspiel, das wir auf der Bühne des Lebens mit Vorliebe und viel Leidenschaft spielen. Ein Spiel, mit dem wir uns die Freude am Leben verderben, obwohl es irgendwie schon auch eine gewisse Befriedigung enthält, sonst würden wir es wohl kaum spielen. Was wir uns davon versprechen, ist klar, das Mitgefühl ist beim Opfer, es genießt einen viel besse-ren Ruf als „Täter“. Doch Opferrollenspieler opfern ihre Handlungsfreiheit für ein bisschen Zuwendung und Scheinsicherheit, die aber nicht garantiert ist, denn ewige Opfer gehen einem mit der Zeit auf den Wecker.

Ihr Verhalten ist manipulativ und das spürt man. Doch es ist eben auch verständlich und zutiefst menschlich.

Oft dient die Opferrolle der eigenen Bestrafung. Selbstbestrafung lindert seelischen Druck aufgrund von Schuldgefühlen. Wer sich schuldig fühlt, sucht unbewusst nach unangenehmen Bedingungen, um sich seelisch Erleichterung zu verschaffen. Oder natürlich auch, um von sich abzulenken, damit niemand merkt, was man „verbrochen“ hat oder glaubt, verbrochen zu haben. Nicht immer besteht eine reale Schuld. Fühlen sich beispielsweise Kinder schuldig an der Trennung ihrer Eltern oder glauben Hinterbliebene, sie hätten einen Selbstmord verhindern können, dann beschuldigen sie sich für etwas, wofür sie nicht verantwortlich sind. Trotzdem belastet die vermeintliche Schuld ebenso wie eine reale.

Manche versuchen, eine Strafe vorweg zu nehmen, indem sie sich zum Opfer machen. So fühlen sie sich weniger ausgeliefert, sie müssen nicht auf die Strafe warten, sondern führen sie selbst herbei. Dahinter steckt die Erfahrung als Kind, dass man einer Bestrafung entgeht, – oder sie fällt zumindest milder aus – durch eine Verletzung, wenn man zum Beispiel hinfällt und sich das Knie aufschürft. Es appelliert dadurch an den Beschützerinstinkt der Eltern.

Wer Verantwortung übernimmt, ist ein „Täter“, er kann getadelt, kritisiert, abgelehnt werden. Er wird unter Umständen zur Zielscheibe von Aggressionen. Er kann Fehler machen oder sich lächerlich. Doch das ist bei genauer Betrachtung ein geringer Preis fürs Erwachsensein und die Handlungsfreiheit, die das bedeutet, ganz zu schweigen von mehr Selbstachtung. Jeder Mensch macht Fehler, das lässt sich nicht vermeiden. Jeder schadet sich und manchmal auch anderen. Wenn wir die Verantwortung dafür übernehmen, dazu stehen und unser Verhalten ändern und verbessern, tun wir viel mehr Gutes als Schlechtes und beweisen Größe.

Eines Tages, irgendwann im Laufe seiner Entwicklung, hat jeder die Nase voll vom Opferdasein und genug gelitten. Er ist nun bereit, die Konsequenzen seiner Handlungen und Entscheidungen selber zu tragen. So lebt es sich viel freier und bedeutend angenehmer.

Partnerschaft - Der Schleichweg zum ICH

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