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Schönreden

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In Stellenanzeigen wird eine Putzfrau inzwischen meistens „Raumpflegerin“ oder „Hygienetechnikerin“ genannt, aber das ändert nichts an der traurigen Tatsache: Ihr Job bleibt schmutzig und ist mit 8,50 EURO die Stunde schlecht bezahlt. „Putzfrau“ ist kein Beruf mit einem tollen Image. Aber auch wenn das Schönreden etwas daran ändern könnte, würde sich doch dadurch nur das Image ändern, nicht die Arbeit dieser Frau und nicht die Geringschätzung ihrer Dienste.

Schönschwätzer aus Politik und Interessenvertretungen gibt es schon lange, aber seit einiger Zeit scheinen sie Hochkonjunktur zu haben. Immer wieder setzen Lobbyisten, PR-Manager und Medienberater Begriffe in die Welt, die hässliche Tatsachen in einem schöneren Licht erscheinen lassen: „Nullwachstum“ statt Stillstand, „Freisetzung“ statt Entlassung, „Agentur für Arbeit“ statt des frust- und angstbesetzten Wortes „Arbeitsamt“, „Flexibilität“ für das freizeitfressende, kräftezehrende und beziehungsfeindliche Leben unfreiwilliger Jobnomaden oder Pendler: alles bloß verbale Kosmetik an einer unguten Realität.

Auch „Preissteigerung“ klingt wesentlich besser als die gute alte Inflation oder Geldentwertung. Da ist doch immerhin der Begriff „Steigerung“ drin, und das klingt positiv – auch wenn Flutopfer einen steigenden Wasserspiegel gar nicht gut finden. Für mich sind das sprachliche Sünden gegen die Ehrlichkeit, und damit eigentlich Lügen.

Aber Vorsicht, Glatteis: Sünde ist ja nicht gleich Sünde. Früher war diese Bezeichnung allein den Verstößen gegen göttliche Gebote vorbehalten. Aber längst sind auch „Verkehrssünder“ gang und gäbe für Leute wie Sie und mich, die schon mal einen Strafzettel wegen Falschparkens bekommen. Oder wie sang schon der Kölner Volksschauspieler Willy Millowitsch: „Wir sind alle kleine Sünderlein“. Der Karnevals-Schlager meint: Wir sind alle Sünder, aber nur ein bisschen. Im Grunde sind wir ja ganz o.k., Vollkommenheit wäre übermenschlich. Da hat er Recht.

Mit Karneval hatte die Islamkonferenz bei Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Berlin allerdings gar nichts zu tun. Doch warum berichtet der Minister dann, man habe da „ein bisschen Tacheles geredet“? Was ist das, „ein bisschen Tacheles“? Bestenfalls doch zum Schmunzeln, wie seinerzeit der Refrain des Schlagers „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Liebe“. Freundliche Augenwischerei eben.

Aber die ist oft weder lustig noch augenzwinkernd freundlich. Verstehen manche Zeitgenossen derzeit unter „Nichtraucherschutz“ nicht eher eine handfeste Diskriminierung der Raucher? Man verbannt sie nicht nur aus Restaurants, sondern auch aus Kneipen und selbst bei Kälte und Nässe auf die Straße. Raucherzimmer? – Fehlanzeige. Rauchende Abgeordnete sollen sich im Parlament in einem Glaskasten mit Dunstabzug vorführen lassen, wie einer auch im Flughafen von Madrid steht. Raucherabteile in Zügen werden auf Befehl von oben abgeschafft, ohne die zahlende Kundschaft zu fragen. So geht das. An dieser Stelle schlägt die Schönrednerei schnell in offene Diffamierung um. Was da mit dem Schlagwort „Nichtraucherschutz“ schöngeredet wird, grenzt schon an eine regelrechte Hexenjagd. Geht man so mit zahlender Kundschaft um, mit steuerzahlenden wahlberechtigten Bürgern? Sicher schädigt Rauchen die Gesundheit, aber Arbeitslosigkeit ist noch viel schädlicher.

Ernst Elitz, der Intendant des Deutschlandfunks, schrieb einmal in einer Sonntagszeitung: „Wenn jede Banalität zur Kultur erklärt wird, kann Kultur nichts mehr wert sein“. Abschreckende Beispiele fand er in verbreiteten Wörtern wie „Gewalt-Kultur“, „Esskultur“, „Körperkultur“, „Haftkultur“ (ja, so nennen manche Leute unseren humanen Strafvollzug) oder „Verwaltungskultur“. Und da Kultur bekanntlich etwas Schönes ist, fallen die Strahlen ihrer Sonne auch auf höchst fragwürdige Dinge, die man mit dem Begriff Kultur eben verbindet. Ich finde diese Unsitte aus der Werbesprache grauenhaft.

Auf Schönfärberei zu verzichten, würde bedeuten, unangenehme Dinge auszuhalten und offen auszusprechen. Ich meine, damit käme man der Wahrheit und der ehrlichen Lösung echter Probleme ein wenig näher. Es ist nicht gerade ein Zeichen von Respekt vor den Mitmenschen, wenn man sie manipuliert und dumm schwätzt.


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