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Schlaf

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Wie unentbehrlich Schlaf ist, wird einem erst klar, wenn er fehlt. Der russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn hat eindrucksvoll die Folter durch Schlafentzug beschrieben. Erst gute Nächte erlauben gute Tage.

Schlaf, dieser dem Wachen entgegengesetzte, im Allgemeinen normale Zustand, in dem bei geschwundenem Bewusstsein die Funktionen des Körpers auf ein geringes Maß eingeschränkt sind: Niemand weiß wirklich genau, was das ist. Von Thomas Morus wird berichtet, er sei mit zwei bis vier Stunden Schlaf pro Nacht ausgekommen. Ich bewundere das, doch meine Versuche, es ihm nachzumachen, sind jämmerlich gescheitert.

Wenn ich nicht genug Schlaf bekomme, werde ich reizbar und vergesslich, vertrödle Zeit, bin unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen und neige zu Kopfschmerzen: ein abscheulicher Zustand, in dem alles und jeder stört, in dem man anfängt, die ganze Welt zu hassen, weil alles nur von einem Wunsch beherrscht wird: Ruhe.

Wenn ich gut geschlafen habe, bin ich frisch und ausgeruht. Ein Gefühl der Dankbarkeit stellt sich ein, weil ich es auch anders kenne. Nun kann es mit dem Tag aufnehmen, was auch immer er bringt. Wenn ich schlecht geschlafen habe, bin ich schon vor Beginn der ersten Runde geschwächt und in der Defensive. Stress, Überforderung ssind die Folge, immer mehr Aufgaben bleiben unbewältigt, das Liegengebliebene stapelt sich schnell zu unübersehbaren Bergen. Dann besteht die Gefahr, dass sich das einstellt, was die Ärzte etwas ratlos „psychosomatische Schlafstörung“ nennen, weil die Patienten dann aus lauter Angst vor der gefürchteten Schlaflosigkeit nicht schlafen können.

Einmal habe ich im Urlaub eine merkwürdige Geschichte erlebt. Wir waren ans Meer gefahren, und keine zwanzig Meter vor unserem Fenster schlug eine laute Brandung an die Steilküste. Erst brachen sich die Wellen mit dumpfen Schlägen; dann, wenn das Wasser zurückfloss, kollerten Zig-Tausende von Steinen von der Kieselküste geräuschvoll im Sog des Wassers mit. Sie wissen, was ich meine: So etwas ist wirklich laut.

Der Ort war wunderschön und einsam. Bis auf die Natur vor der Tür unterbrach nichts die erholsame Stille. Am ersten Tag bestaunten wir das Schauspiel ausgiebig, und leise Zweifel kamen, ob man dabei auch gut schlafen könne. In der ersten Nacht wachte ich ein paar Mal auf, hörte die Brandung, dachte „alles in Ordnung, das Meer ist noch da“ oder so ähnlich und schlief wieder ein. In der zweiten Nacht störte schon nichts mehr, überhaupt nichts. Die Brandung gehörte dazu. Sie war ein „Geräusch der Stille“, etwas völlig anderes als Geschrei oder laute Musik, Baumaschinen oder Verkehrslärm.

Warum erzähle ich das? – Einige Zeit vor uns war ein Kollege am gleichen Platz gewesen und hatte erzählt, er habe nur mit Wachs in den Ohren schlafen können. Ich vermute, uns war es nur besser ergangen, weil wir dieses regelmäßige Rauschen und Poltern als Begleitmusik erholsamer Tage angenommen hatten. Ja, auch diese nicht gerade sanfte Brandung hatte schließlich einschläfernd gewirkt. Vielleicht hat das Schlafen-können mehr mit dem Schlafen-dürfen zu tun als ich bisher dachte. Vielleicht stören meinen Schlaf Geräusche, die ich auch hellwach nicht mag, nicht aber Geräusche, die ich grundsätzlich mag.

Wir hatten uns sehr auf diesen Urlaub gefreut, vom Meer geträumt und davon, wie es rauscht. Wahrscheinlich haben wir dann so gut geschlafen, weil der Unterschied zwischen Traum und Wachen plötzlich nicht mehr existierte. Es tut der Seele gut, ab und zu einen Traum zu verwirklichen. Und es muss wohl so sein, dass die Seele darüber entscheidet, ob ich gut schlafe oder nicht. Etwas von diesem Erlebnis hat bis heute vorgehalten, obwohl seitdem viele Jahre vergangen sind. Es war die Erfahrung: Je vollständiger ich versuche, jede Störung von meinem geheiligten Schlaf fernzuhalten, desto schwieriger wird die Sache. Mein Schlaf ist ein bisschen weniger störanfällig geworden – und damit besser.


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