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2.5. Kommentar und Kritik an KojèvesKojève, Alexandre Konzept von AlteritätAlterität

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Ich möchte den Kommentar zur Lektüre von KojèvesKojève, Alexandre Text auf zwei Ebenen ansiedeln, zunächst einmal ist die philosophisch-theoretische KonsistenzKonsistenz dieser für das Thema AlteritätAlterität und HerrschaftHerrschaft so maßgeblichen HegelHegel, Georg Wilhelm Friedrich-Interpretation einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Und in einem weiteren Abschnitt ist zu klären, wie sich Kojèves Gedanken in den gegenwärtigen Alteritätsdiskursen einfügen.

Dabei lasse ich die FrageFrage nach der Denkfigur der DialektikDialektik und die sie bedingenden Kategorien (‚Vermittlung‘, ‚Aufhebung‘) sowie die religiös-mythologische Struktur des Hegelschen Denkens einmal ganz beiseite und konzentriere mich auf die Begriffe des Anderen, der BegierdeBegierde bzw. des Begehrens, der ArbeitArbeit und des KampfesKampf. Unübersehbar wird das Verhältnis zum Anderen ausschließlich als strukturell feindselig, bedrohlich und antagonistisch beschrieben, auch wenn HegelsHegel, Georg Wilhelm Friedrich Philosophie davon ausgeht, dass der Andere die Bedingung der Möglichkeit meines SelbstbewusstseinsSelbstbewusstsein ist. Gegen einen weit verbreiteten SolipsismusSolipsismus in der abendländischen Philosophie – das einsameEinsamkeit SubjektSubjekt vor einem stummen ObjektObjekt – kommt in Hegels GeschichteGeschichte von HerrHerr und KnechtKnecht eine intersubjektive Konstellation (Subjekt-Subjekt) ins SpielSpiel. Freilich unter negativem Vorzeichen: Ich brauche den Anderen, auch wenn (oder gerade weil) ich ihn zugleich besiegen und symbolisch beseitigen muss. KojèvesKojève, Alexandre Version korrigiert dieses NarrativNarrativ insofern, als er meint, dass daraus keine wirklich befriedigende und reziproke AnerkennungAnerkennung erwachsen kann.

Darüber hinaus lässt sich in FrageFrage stellen, warum und inwiefern die AnerkennungAnerkennung meines SelbstbewusstseinsSelbstbewusstsein als eines begehrenden Ichs vornehmlich nur durch einen KampfKampf auf LebenLeben und TodTod erfahren und gefunden werden kann. Schließt die Tatsache, dass alle einander gegenübertretenden menschlichen Selbstbewusstseine die BegierdeBegierde nach Anerkennung in sich tragen und artikulieren, wirklich die Möglichkeit einer mehr oder minder friedlichen, wechselseitigen Anerkennung aus? Beinhaltet die existenzielle Dimension der LiebeLiebe in all ihren (erotischenErotik und non-erotischen) Facetten nicht eine solche Möglichkeit? Und gibt es nicht zwischen Rivalität und SolidaritätSolidarität, zwischen Feindschaft und Liebe, eine ganze Anzahl von möglichen RelationenRelation?

Unübersehbar ist in HegelsHegel, Georg Wilhelm Friedrich NarrativNarrativ, das – wie später das Marxsche – realistisch-tragische und erlösende Momente in sich birgt, die Affirmation des Heroisch Männlichen, die Feier der Todesverachtung, die Geringschätzung des eigenenEigentum TodesTod wie die des Todes des Anderen. Unübersehbar ist, dass der im KampfKampf der Selbstbewusstseine Unterlegene nicht aus EmpathieEmpathie geschont wird, sondern aus einem doppelten Kalkül. Augenscheinlich bedarf der Sieger eines marginalisierten menschlichen Werkzeugs sowie eines wenn auch lädierten Gegenübers, das ihm SelbstbewusstseinSelbstbewusstsein durch – unterwürfige – AnerkennungAnerkennung beschert.

Die post-idealistische Verklärung der ArbeitArbeit zu einem Motor der BildungBildung des MenschMenschengeschlechtes scheint mir ein weiteres Moment einer prekären Erbschaft der Hegelschen Philosophie im Allgemeinen wie ihrer theoretischen Fassung des Anderen zu sein. HorkheimerHorkheimer, Max / AdornoAdorno, Theodor W. wie auch ArendtArendt, Hannah haben auf unterschiedliche Weise NaturbeherrschungNaturbeherrschung und Produktionsfetischismus als problematische Momente der großen Erzählungen der AufklärungAufklärung, deren Ausläufer die von HegelHegel, Georg Wilhelm Friedrich und von MarxMarx, Karl in Umlauf gesetzten NarrativeNarrativ doch unzweideutig sind, kritisch diskutiert.1 Was Arbeit und KampfKampf miteinander verbindet, ist ihre kriegerische Einstellung: Kampf gegen die NaturNatur und Kampf gegen den Anderen.2 Umgekehrt lässt sich zeigen, dass sich in totalitären Denk- und Gesellschaftsformationen, wie sie StalinismusStalinismus und FaschismusFaschismus hervorgebracht haben, die Heroisierung der Tat in Gestalt von Kampf und Arbeit präsent ist, etwa im Frühwerk von Ernst Jünger wie in der stalinistischen SpracheSprache und Bilderwelt.3 In der Produktionsschlacht des glücklich werktätigen Menschen in einer vorgeblich nicht mehr herrschaftlichen WeltWelt treten sie uns heute als politischer Kitsch vor Augen.4 Hinter diesem lauert eine a-ethischeEthik Auffassung von GeschichteGeschichte, die, wie das auch bei KojèveKojève, Alexandre der Fall ist, den Menschen als deren Material betrachtet.

Und um noch einen letzten kritischen Punkt aufzugreifen: HegelsHegel, Georg Wilhelm Friedrich mythische GeschichteGeschichte vom UrsprungUrsprung der HerrschaftHerrschaft aus dem KampfKampf um AnerkennungAnerkennung als SelbstbewusstseinSelbstbewusstsein macht letztendlich den Unterworfenen für seine Unterwerfung selbst verantwortlich. Dieser hatte sich der Geschichte von HerrHerr und KnechtKnecht zufolge geweigert, sein LebenLeben um seiner Anerkennung willen aufs SpielSpiel zu setzen und ein Leben in Unterwerfung gewählt. Übrigens steckt in dieser Erzählung eine gewisse Zweideutigkeit. Es ist nicht ganz klar, ob er sich in dem (männlichenmännlich) Zweikampf ergeben und um sein Leben gefleht hat oder ob er überhaupt je ernsthaft gekämpft hat.

Des ungeachtet besitzt HegelsHegel, Georg Wilhelm Friedrich Konzept von AlteritätAlterität den Vorzug, dass es auf einer äußerst abstrakten Ebene den Anderen mit der FrageFrage von MachtMacht und HerrschaftHerrschaft in Zusammenhang bringt. Mit Hegel und KojèveKojève, Alexandre lässt sich plausibel machen, wie und warum in den Beziehungen zum Anderen stets Aspekte von Macht und Herrschaft tragend sind. Insofern muss man die Frage stellen, ob sich konkrete historische Herrschaftsformen durch die narrative Folie des von Hegel geschaffenen und von Kojève nacherzählten und umgeschriebenen NarrativsNarrativ begreifen lassen. Inwiefern kann man zum Beispiel die Geschlechterverhältnisse in patriarchalen GesellschaftenGesellschaft, das Beziehungsgefüge von Herrscher und Untertan, die Klassenantagonismen in modernenmodern Gesellschaften oder das Verhältnis von dem kolonisierenden zu dem kolonisierten SubjektSubjekt als anschauliche Ausformungen von Hegels Denkmodell verstehen, die einer ähnlichen positiven oder auch negativen ‚DialektikDialektik‘ unterliegen?

Wie KojèvesKojève, Alexandre Interpretation nahelegt, ist das von HegelHegel, Georg Wilhelm Friedrich entworfene Herrschaftsmodell, mitsamt dem NarrativNarrativ von HerrHerr und KnechtKnecht, auf die europäische Feudalwelt bezogen. Es verweist damit auf ein persönliches Herrschaftsmodell, das durch die verschiedenen DiskurseDiskurs der AufklärungAufklärung, die sozialgeschichtlich mit dem BürgertumBürgertum verbunden sind, kritisch in FrageFrage gestellt wird. Im ZentrumZentrum dieses Denkens, das sich noch in den Werken der deutschendeutsch Klassik von Lessing über den jungen GoetheGoethe, Johann Wolfgang von bis zu Schiller nachzeichnen lässt, steht die Kritik an willkürlicher Obrigkeit, aber auch an der Untätigkeit des adligen Herrn. Das bürgerliche und protestantische Lob der ArbeitArbeit richtet sich gegen den feudalen Herrn. Arbeit wird in der großen Erzählung der BildungBildung des MenschMenschengeschlechtes5 zum Motor menschlicher Selbstentwicklung. Von MolièresMolière Version des Don Juan bis zu Denis DiderotsDiderot, Denis Jacque le Fataliste findet sich ein bürgerliches antifeudales Narrativ, das die philosophische Umkehrung, die Kojève konsequent zu Ende führt, in sich trägt. Hinter dem anmaßenden Herrschaftsgestus des faulen Aristokraten verbirgt sich eine Hilflosigkeit, die den Dienern der Don Quichottes und Don Juans in ihrer Konsequenz entgangen ist und die von Miguel de CervantesCervantes, Miguel de, Molière und Diderot systematisch-komisch aufgedeckt wird.6

Es ist also durchaus fraglich, und das kommt auch in den Schlussüberlegungen KojèvesKojève, Alexandre zum Ausdruck, ob man den auf Lohnarbeit und KapitalKapital zurückgehenden Klassengegensatz von Bourgeois und Proletarier – so das Marxsche Standardmodell – umstandslos im Sinne des Hegelschen Denkfiguration interpretieren kann.

Etwas andersAndersheit verhält sich die FrageFrage hinsichtlich der philosophischen Interpretation kolonialer HerrschaftHerrschaft. Es liegt zunächst auf der Hand, den Status des entrechteten kolonisierten SubjektsSubjekt als eine radikale Version des knechtischen Zustandes zu deuten und die Unterwerfung der außereuropäischen Völker im Sinne der Befriedigung, als sieghaftes SelbstbewusstseinSelbstbewusstsein anerkanntAnerkennung zu werden, zu begreifen. Das ist abgesehen von der politischen ObszönitätObszönität, die in einer solchen heroischen, bis zu einem gewissen Grad heroisierenden Argumentation läge, aus mindestens zwei Punkten problematisch: Denn die GenozideGenozid, die mit der Eroberung und Unterwerfung außereuropäischer KulturenKultur einhergingen, durchbrechen das Argument, dass der HerrHerr im KampfKampf mit seinem Gegenüber dessen LebenLeben schont, um anerkannt zu werden. Vielmehr rechtfertigt sich die koloniale Unterwerfung ja nicht zuletzt darin, dass die indigenen Völker, auf die die bunt zusammengewürfelten Heerscharen europäischer Abenteurer treffen und die ihnen zuweilen erbitterten Widerstand entgegensetzen, von diesen nicht im Hegelschen Sinne als potentielle menschliche Selbstbewusstseine anerkannt werden. Nicht selten wird ihnen bis in die rassistischen DiskurseDiskurs des 20. Jahrhunderts das volle gleichwertige MenschMensch-SeinSein abgesprochen.

Kommen wir zur letzten Prädikation: Genus und GeschlechtGeschlecht. Zunächst einmal scheint es verlockend, den Geschlechterkampf von MannMann und FrauFrau im Sinne einer HerrHerr-KnechtKnecht-RelationRelation zu interpretieren und den langen KampfKampf der Frauen um Gleichberechtigung als einen Kampf der Frauen um diese AnerkennungAnerkennung zu interpretieren. Mit seiner Penthesilea hat Heinrich von KleistKleist, Heinrich von fast zeitgleich eine Parallel-Erzählung zu HegelsHegel, Georg Wilhelm Friedrich Kapitel aus der PhänomenologiePhänomenologie vorgelegt. Penthesilea stellt sich dem kriegerischen Kampf auf LebenLeben und TodTod und erzwingt damit etwas, das in der patriarchalen OrdnungOrdnung, die immer eine der Geschlechtertrennung beinhaltet, nicht vorgesehen ist, nämlich dass Frauen kämpfen. In der klassischen Geschlechterprädikation schließen Frau und Krieger/in einander aus.7 Denn die Geschlechterordnung ist traditionell so gefügt, dass die beiden zentralen Bereiche bei Hegel und bei KojèveKojève, Alexandre, ArbeitArbeit und Kampf, der WeltWelt des Mannes zugeordnet sind. Der Mann kommt vom Draußen der Fremde, der Schlacht und der Arbeit, die Frau befindet sich im Innern des Heimes, in dem sie den Heimkehrer empfängt. Pointiert gesprochen: Während der Herr in Hegels Modell kämpft und der Knecht für ihn schuftet, kämpft die Frau nicht, sie arbeitet auch nicht im heroischen Sinne Hegels und Kojèves, denn was sie in der Privatsphäre des OikosOikos tut, ist letztendlich keine vollwertige Arbeit, keine heroische NegationNegation der Welt. Deshalb lässt die Frau des Herrn andere für sich arbeiten und übernimmt das administrative Regiment im Haushalt. Insofern kann sie, strenggenommen, in dem Hegelschen Drama keine Rolle übernehmen oder spielen. Die Ausnahme bestätigt die RegelRegel, wenn sie kurzfristig eine männlichemännlich Rolle besetzt und damit eigentlich die ihr zugeordnete angestammte Position verlässt. Ich – also ein SelbstbewusstseinSelbstbewusstsein mit BegierdeBegierde nach Anerkennung – werden kann sie erst, wenn sie in der agonalen Begegnung zugelassen wird.

Es ist erstaunlich, dass in der Diskussion über die Figur des Anderen all diese schon damals brennenden FragenFrage nicht zur SpracheSprache gekommen sind, obschon vom blutigen Algerienkrieg über die anhaltenden sozialen Konflikte bis zu den Diskussionen über das „andere GeschlechtGeschlecht“ diese Fragen gleichsam in der Luft lagen (→ Kapitel 10). Heute wird man das Thema der AlteritätAlterität ohne diese Referenzen kaum diskutieren können. Was freilich bleibt, ist die Einsicht, dass Alterität stets mit der Frage von MachtMacht und AnerkennungAnerkennung verquickt ist, mit Kämpfen, die heute in nahezu allen Bereichen der ‚ZivilgesellschaftZivilgesellschaft‘ im DialogDialog und mit Techniken der Verhandlung ausgetragen werden. Die empirische RealitätRealität, in der es nach wie vor physische KämpfeKampf auf allen Ebenen gibt, mag sich auch in demokratischenDemokratie GesellschaftenGesellschaft andersAndersheit ausnehmen, programmatisch beruht die Zivilgesellschaft unserer Tage indes auf einem solchen dialogischen Verständnis, das den harten und kühlen Interessenausgleich freilich nicht ausschließt. In diesem kulturellen SelbstbildSelbstbild steckt, wenn man so will, ein utopischer Restbestand.

Es wäre kurzschlüssig, die philosophisch abstrakte Ebene von AlteritätAlterität, ein entgegentretendes potentielles SelbstbewusstseinSelbstbewusstsein, von vornherein auszublenden und zu ignorieren, und damit den mindestens doppelten Aspekt der FrageFrage nach dem/der Anderen zu ignorieren. Hinter der DifferenzDifferenz zwischen dem Anderen, der noch kein Prädikat hat und eine universale Figur ist, und jenem Anderen, der eine klar erkennbare symbolische Markierung, ein Prädikat (GeschlechtszugehörigkeitGeschlechtszugehörigkeit, SpracheSprache, ReligionReligion, TraditionTradition) hat, tut sich ein alter Konflikt auf. Dieser besteht nämlich zwischen einem UniversalismusUniversalismus, der den Unterschieden, die der Andere in sich trägt, gleichgültig gegenübersteht, und einem Partikularismus, der gerade auf die AnerkennungAnerkennung des Unterschiedlichen pocht. Es ist nicht dasselbe, als Schwarzer oder Weißer, als MannMann oder FrauFrau geachtet zu sein, und als MenschMensch, unabhängig von HautfarbeHautfarbe und GeschlechtGeschlecht, anerkannt zu sein.

Bei KojèveKojève, Alexandre und, wie noch zu zeigen sein wird, bei SartreSartre, Jean-Paul, wird das Verhältnis zum Anderen einseitig unter dem Gesichtspunkt einer FreiheitFreiheit gesehen, die vornehmlich im ZeichenZeichen der NegationNegation steht: Freiheit als UnabhängigkeitUnabhängigkeit vom Anderen, nicht als Gestaltung eines eben unaufkündbaren Verhältnisses. Durch ihre verwandelnde Kraft negiert die ArbeitArbeit die natürliche WeltWelt, indem sie ihre ‚ObjekteObjekt‘ (und dazu gehört auch alles Organische, das nicht ‚MenschMensch‘ ist) in ihrer bisherigen FormForm zerstört und transformiert. Aber auch die BegierdeBegierde ist wesentlich negativ, indem sie die Dinge aufnimmt und verzehrt. Der KampfKampf wiederum zielt auf die reale oder – wie im Falle von HerrHerr und KnechtKnecht – auf die symbolische und soziale Zerstörung des anderen potentiellen selbstbewussten Objekts, das sich mir in die Quere stellt.

Diese drei Momente, BegierdeBegierde, KampfKampf und ArbeitArbeit, werden dabei als unverzichtbar im Hinblick auf die KonstitutionKonstitution des MenschenMensch als eines metabiologischen Lebewesens betrachtet. Es ist aufschlussreich, wie die Figur des Anderen gerade in diesem Zusammenhang zur SpracheSprache kommt. Das andere (potentielle) SelbstbewusstseinSelbstbewusstsein wirkt wie ein Hindernis, das geschaffen wurde, um es zu überwinden. Das hängt ganz offensichtlich damit zusammen, dass FreiheitFreiheit programmatisch und ausschließlich als ein Tun bestimmt wird, das sich in der NegationNegation des Anderen und durch sie ‚offenbart‘ zeigt. Die einzige Möglichkeit der Überwindung besteht darin, dieses negative und agonale Verhältnis in einer dialektischenDialektik SyntheseSynthese aufzulösen, in der es streng genommen das Selbe und das Andere, HerrHerr und KnechtKnecht, nicht mehr gibt, weil beide vollständig verschmelzen.

Die DialektikDialektik, der sich KojèveKojève, Alexandre und übrigens auch SartreSartre, Jean-Paul bedienen, ist eine, die die FreiheitFreiheit und die Figur des Gegensatzes als eine von SeinSein und NichtsNichts begreift und zwischen den beiden PolenPolen ‚vermittelt‘. Dabei greift Kojève zu einem GleichnisGleichnis, jenem vom Goldring:

Nehmen wir einen goldenen RingRing. Er hat ein LochLoch und dieses Loch ist für den Ring ebenso wesentlich wie das Gold: ohne das Gold wäre das ‚Loch‘ (das dann im übrigen gar nicht existieren würde) kein Ring; aber ohne das Loch wäre das Gold (das gleichwohl existieren würde) auch kein Ring. Doch während man im Golde Atome gefunden hat, ist es ganz unnötig, sie in dem Loch zu suchen. Und nichts weist darauf hin, dass Gold und Loch in ein und derselben Weise ‚sind‘ (Es handelt sich selbstverständlich um das Loch als ‚Loch‘ und nicht um die Luft, die ‚in dem Loch‘ ist). Das Loch ist ein NichtsNichts, das als AbwesenheitAbwesenheit einer AnwesenheitAnwesenheit nur dank des umgebenden Goldes existiert. Ebenso könnte der MenschMensch, der Tun ist, dank des SeinsSein, das er ‚negiert‘, ein im Sein ‚nichtendes‘ Sein sein.8

Selbstredend ist damit ein zentrales Problem der OntologieOntologie, der Lehre vom SeinSein, angesprochen, ja mehr noch, benannt. Es geht um die RelationRelation von Sein und NichtsNichts. In der philosophischen TraditionTradition (ParmenidesParmenides) trifft man die Unterscheidung, dass das Sein ist und dass das Nichts nicht ist. KojèveKojève, Alexandre meint nun, dass Parmenides eine Bestimmung vergessen habe, nämlich die DifferenzDifferenz. Für ihn ist es ganz offenkundig, dass es einen Unterschied zwischen dem Nichts und dem Sein gibt. Dieser Unterschied, diese Differenz, gibt es im gleichen Maße wie das Sein. Denn ohne einen solchen Unterschied zwischen dem Sein und Nicht-Sein gäbe es das Sein nicht. Um auf die Fabel zurückzukommen: Es besteht ein dialektischesDialektik Verhältnis zwischen dem Sein, dem Gold und dem Nichts, dem LochLoch. Sie besteht im „EinschlussEinschluss“ des Nichts ins Sein oder der Differenz in die IdentitätIdentität bzw. in der Vereinigung der beiden: Das Gold (das Sein) bedarf sicher nicht des Loches (Nichts), um zu sein, aber der Goldring (die WeltWelt) wäre nicht, was er ist, nämlich ein Goldring, wenn es das Loch nicht gäbe.

Hier wird eine DialektikDialektik gestiftet, die einen Gegensatz zur klassischen binären LogikLogik postuliert. Diese beruht darauf, einem bestimmten SubjektSubjekt S ein eindeutiges Prädikat P zuzuordnen. Indem die Dialektik zeigt, dass S P und zugleich nicht P ist, untergräbt sie die logische OrdnungOrdnung der Dinge, die auch für das Sprechen über den Anderen von entscheidender Bedeutung wird. Oder andersAndersheit ausgedrückt: Die Dialektik nähert sich dem Paradox, vor allem dann, wenn die Doppeldeutigkeit nicht mehr durch die Figur der SyntheseSynthese, der EinheitEinheit der Gegensätze, dialektisch geschlossen wird. Aber damit wird es möglich, die Gegenüberstellung von Eigenem und Fremden, von IdentitätIdentität und DifferenzDifferenz zu hinterfragen, weil immer das Andere und auch Fremde in das Eigene eingeschrieben sind.

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