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Aufgeklärte Religion prägt den Alltag

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Die Religion prägte das Alltagsleben der Familie Hasenhüttl. Dazu gehört auch, dass Gotthold viele Jahre in der Pfarrkirche den Dienst des Ministranten versah – regelmäßig in der Frühmesse um 6.00 Uhr. Allerdings stellte er auch schon früh kritische Fragen an den Formalismus und das Zwanghafte gerade in der Liturgie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil: „Als ich Ministrant war, konnte ich die Not der Priester erfahren, die leise – laut durften die Wandlungsworte nicht gesprochen werden, sie sind ja Glaubensgeheimnis – jedes Wort, ja jeden Buchstaben herauspressten, um ja die Gültigkeit der Wandlung und damit der Messe nicht in Frage zu stellen“ (2010, S. 56). Religiöse Praxis in der Familie war zugleich auch aufgeklärte Praxis. Die Weihnachtsgeschichte musste zum Beispiel nicht erst in den späteren Lebensjahren der Kinder entmythologisiert werden. Die Eltern empfanden es als Lüge, gegenüber den Kindern vom „Christkind“ zu sprechen, das die weihnachtlichen Geschenke bringe. Es wurde klar ausgesprochen, dass diese von den Eltern selbst kamen. Sie verstanden sie als Zeichen der Freude über das Geschenk der Menschwerdung |14|Gottes und machten dies auch vor den Kindern deutlich. Einen Weihnachtsbaum lehnte man als heidnisches Symbol ab – nicht zuletzt auch wegen dessen Ideologisierung durch die Nationalsozialisten.

Gottholds Besuch der Grundschule in Graz 1940–1944 wurde zunehmend überschattet von Fliegeralarm und Bombenabwürfen. Der Einmarsch der russischen Armee brachte schließlich Befreiung und neue Angst zugleich. Einen Vergewaltigungsversuch durch einen russischen Soldaten konnte die Mutter in letzter Minute nur durch die eigenen Tränen abwehren. Die Zeit unter der englischen Besatzungsmacht in Kärnten und in der Steiermark bis zur Erlangung der staatlichen Souveränität durch den Staatsvertrag von 1955 war die erste Phase des Wiederaufbaus. Eine umfassende kritische Auseinandersetzung mit den Geschehnissen unter dem Nationalsozialismus und im Krieg wurde in Österreich ebenso wenig geleistet wie in Deutschland. Diskutierte man in Deutschland noch Jahrzehnte darüber, ob der 8. Mai 1945 nun der Tag der Befreiung oder der Tag der Niederlage war, so streitet man in Österreich bis heute, wie die Geschehnisse von 1938 zu werten sind: War es ein Überfall oder der gerne hingenommener Anschluss an das Deutsche Reich?

Die Zeit Gotthold Hasenhüttls im altsprachlichen Akademischen Gymnasium Graz bis zur Reifeprüfung 1952 war sowohl durch die damaligen gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten geprägt als auch durch die eigene stärker werdende persönliche Opposition gegen Bevormundung und Einschränkung von Freiheit. Die Autorität der Lehrer darf für ihn nur Autorität durch Sachkompetenz sein, niemals Autorität durch das Amt oder durch die Institution Schule. Kaum blieb Erinnerung an einen kreativen Unterricht oder an interessante Themen. Der Religionsunterricht war im Rückblick meist „ein Graus“. Häufig wurde in den hinteren Reihen der Klasse lieber heimlich Jean-Paul Sartre gelesen, als dass dem Unterricht Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Gotthold Hasenhüttl

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