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1.3 Dozent in Tübingen: Theologische Aufbrüche mit Hans Küng und Joseph Ratzinger Die Zusammenarbeit mit Hans Küng

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Noch während Hasenhüttls Zeit als Kaplan in St. Lorenzen bot Hans Küng (*1928) ihm eine Stelle als Wissenschaftlicher Assistent an seinem Lehrstuhl an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität in Tübingen an. Küng und Hasenhüttl kannten sich aus ihrer gemeinsamen Zeit im römischen Germanicum. Nach dem Studium an der Gregoriana (1951–1955) und einem anschließenden Studium an der |26|Sorbonne sowie am Institut Catholique in Paris hatte Küng seine Dissertation unter dem Titel „Rechtfertigung. Die Lehre Karl Barths und eine katholische Besinnung“ abgeschlossen. Küng und Hasenhüttl untersuchten also in ihren Dissertationen die beiden wichtigsten protestantischen Reformtheologen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Karl Barth (1886–1968) und Rudolf Bultmann. Küng und Hasenhüttl wollten damit die jeweiligen protestantischen Ansätze aufgreifen und und mit diesen ein produktives Gespräch führen Bezüglich der Arbeit von Hans Küng wurde erst im Jahr 1999 in einer gemeinsamen Erklärung der katholischen Kirche und der Kirchen der Reformation kirchenamtlich festgestellt, dass das seit dem 16. Jahrhundert heftig umstrittene Thema „Rechtfertigung“ letztlich kein Trennungsgrund zwischen den christlichen Kirchen sei. Gerade diese Auffassung hatte auch Küng in seiner Arbeit dargelegt und Konsequenzen für den ökumenischen Dialog gefordert. Küng erhielt in Tübingen 1960 zuerst einen Lehrstuhl für Fundamentaltheologie, ab 1963 war er dann Professor für Dogmatik und leitete als Direktor das dem Lehrstuhl angeschlossene „Institut für Ökumenische Forschung“. Im Dezember 1979 wurde Küng wegen seines Einspruchs gegen die Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit die kirchliche Lehrerlaubnis „Missio canonica“ entzogen (zu Details vgl. Küng 2007).

Hasenhüttl unterstützte als Wissenschaftlicher Assistent Hans Küng in Lehre und Forschung. Insbesondere an dessen Buch „Die Kirche“ (1967), war er in Form von Recherche und Druckvorbereitung beteiligt (vgl. Küng 2004, S. 521). Zudem leitete er ein Studentenwohnheim, das nach dem Reformtheologen des 19. Jahrhunderts Adam Möhler (1796–1838) benannt worden war.

Hasenhüttls eigener Arbeits- und Forschungsschwerpunkt war in diesen ersten Tübinger Jahren die Ausarbeitung seiner Habilitation, die 1969 unter dem Titel „Charisma. Ordnungsprinzip der Kirche“ im Druck erschien. Hasenhüttl wollte mit dieser Arbeit die Reformaufbrüche des Zweiten Vatikanischen Konzils kritisch und zugleich produktiv aufnehmen und diese für eine neu zu entwickelnde Form der Kirche der Zukunft weiterführen. Die insbesondere von Paulus beschriebenen Gnadengaben scheinen Hasenhüttl ein besser geeignetes Strukturelement einer christlichen Kirche zu sein als der Rekurs auf Hierarchie und äußere Autorität. Ein Handeln in Freiheit ist ihm „Ermöglichung der Charismen“ (1969, S. 19ff.). Folglich geht es ihm um „die Entfaltung der freiheitlichen Vollmacht in der charismatischen Grundstruktur der Gemeinde“ (ebd., |27|S. 73ff.). Dabei steht Grundsätzliches zur Diskussion: „Die Kirche Christi wird heute in einer säkularen Welt als fremd empfunden. Sie ist zu einer kleinen Herde zusammengeschrumpft. Reform und Wiedervereinigung werden häufig als letzter Versuch gedeutet, um noch einen Rest im Rückzugsgefecht zu retten. So wird die Frage brennend, ob Kirche im geschichtlichen Prozess der Säkularisierung überhaupt noch Sinn hat“ (ebd., S. 15).

In seiner Habilitation, die inzwischen über 35 Jahre alt ist, stellt Hasenhüttl kritische Fragen an die Zukunft der Kirche, die von der offiziellen Kirche letztlich bis heute nicht beantwortet wurden: „Wie muss die Kirche in ihrer innersten Struktur sein, damit sie in der Welt noch eine Daseinsberechtigung hat? Gibt es überhaupt eine solche Struktur? Ist es die Hierarchie, die der Kirche heute noch Geltung verschafft? Ist es ihr historischer Ursprung, der ihr Bestand verleiht bis ans Ende der Welt? Oder ist es der Geist, der in den glaubenden und liebenden Menschen lebt? Der Geist, der Gemeinschaft stiftet und damit Kirche immer wieder neu als Ereignis vergegenwärtigt?“ (1969, S. 16) Hasenhüttl formuliert hier eine Alternative gegenüber dem traditionellen Kirchenbild. Er hat die in seiner Habilitationsschrift aufgezeigten Wege später vielfach überarbeitet und aktualisiert (vgl. 1973, 1974 und besonders 2001, Bd. II, S. 211–383).

Die Habilitationsschrift trägt die Widmung: „Für jene, die die Kirche Christi verlassen wollen oder verlassen haben“. Es ist tragisch, dass Hasenhüttl nach der Einsicht in die Reformunwilligkeit der katholischen Kirche Jahrzehnte später selbst die Kirche in ihrer verfassten Form verließ – vielleicht gerade auch, um zugleich in der christlichen Glaubensgemeinschaft bleiben zu können.

Gotthold Hasenhüttl

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