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P. Wilhelm Klein S.J.: Geistlicher Begleiter auf dem Weg zur Freiheit

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Eine Lichtgestalt für mehrere Generationen von Germanicern war der Jesuit P. Wilhelm Klein. Hans Küng beschreibt stellvertretend für viele Kleins Bedeutung: „Dass ich nun aber in allen anstehenden schwierigen persönlichen Fragen meinen Weg finde, verdanke ich (…) jenem Altgermaniker, der mit uns im Oktober 1948 ins Kolleg zurückkommt und hier mit seinen bald 60 Jahren das überaus wichtige Amt des Spirituals, des geistlichen Führers, übernimmt: P. Wilhelm Klein“ (Küng 2004, S. 97). 1889 in Traben-Trabach geboren, wurde Klein wie vier seiner Brüder Priester, drei der Brüder wurden wie er selbst Jesuiten (vgl. Feld 2006, S. 336–340). Schwere Kriegsverletzungen beeinträchtigten ihn bis zu seinem Tod 1996 im Alter von 106 Jahren. Klein war Student am Germanicum und an der Gregoriana und promovierte später über einen spätmittelalterlichen Philosophen. Der Zweitgutachter war der bekannte Philosoph Edmund Husserl (1859–1938). Von 1948 bis 1961 – also während der gesamten Studienzeit von Gotthold Hasenhüttl – war Klein Spiritual am Germanicum. In zahlreichen Vorträgen, in der Auswahl von Meditationstexten an jedem Abend und durch seine oft allegorische Auslegung der Schrift zeigte er Auswege und Alternativen zur traditionellen neuscholastischen Theologie und zum biblischen Fundamentalismus auf. Insbesondere seine Interpretation der Paulus-Briefe im mündlichen Vortrag bekam viel Zustimmung – wenn auch einige Professoren und Studenten sein oft undogmatisches Vorgehen verunsicherte und sie ihn sogar gegenüber Vorgesetzten zu diskreditieren suchten. Da seine Gedanken auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin nicht gedruckt werden durften und Aufzeichnungen spätestens nach seinem Tod vernichtet werden sollten, ist eine konkrete Darstellung der Theologie P. Wilhelm Kleins schwierig. Nach seinem Tod wurden allerdings in den Jahren 1998–2001 private Mitschriften seiner Vorträge, die seine Schüler angefertigt hatten, in vier Bänden publiziert (vgl. Greshake 1997).

Zentral scheint für Klein der Gedanke der Ganzheit und Reinheit mitten in der Gebrochenheit menschlichen Lebens zu sein: „Es gibt die |20|reine, nie gefallene, unversehrt und unbefleckt gebliebene Herrlichkeit Gottes im persönlichen Geschöpf seiner Liebe, in dem er seine Herrlichkeit geschaffen hat“ (nach Feld 2006, S. 338). Ein positives Vorzeichen steht für ihn vor der Klammer aller schlechten Dimensionen des menschlichen Lebens. Er betonte häufig, dass selbst der schlimmste Verbrecher als freundliches Kind zur Welt kam. Für Klein stellt die biblische Maria diese Reinheit und Ungebrochenheit dar und ist somit Vorbild für alle Menschen. In der Liebe wird diese Ganzheit mitten in der Kontingenz des Lebens aktuell sichtbar und erfahrbar. Liebe ist damit auch das Kriterium echten Glaubens und nicht der immer wieder geforderte, möglichst wortgetreue Katechismusglaube. Bei einer Predigt anlässlich seines siebzigjährigen Priesterjubiläums im Oktober 1982 sprach Klein diesen Gedanken nochmals nachdrücklich aus: „Beim gelebten Glauben, der Caritas, da ist Glaube und Liebe identisch.“ Und er schließt seine Predigt mit den Worten: „Es ist ja so, meine Schwestern und Brüder: All die Probleme, die uns heute bedrücken, die religiösen, die sozialen, die technischen, die wirtschaftlichen, die wären, die sind nur zu lösen auf einem Weg: auf dem Weg der Liebe. Und das ist keine Illusion, das ist keine Utopie, das ist das, wofür wir uns mit ganzer Seele, wir alle, einsetzen wollen von früh bis spät“ (Klein 1982).

Folgerichtig sah P. Klein zum Beispiel auch das priesterliche Keuschheitsgelübte und den Zölibat als problematisch an und kritisierte, dass die entsprechende Lebensform eines Priesters wie überhaupt das traditionelle Priesterbild immer wieder als ein besonders gelungenes religiöses Lebensmodell hochstilisiert werde. Seine Betonung der Freiheit und seine stark auf Erfahrung bezogene Theologie wurde auch für Gotthold Hasenhüttl so bedeutsam, dass beide bis an Kleins Lebensende in engen Kontakt standen. Viele Ausführungen Hasenhüttls zum Beispiel in seiner Gotteslehre decken sich mit denen seines Spirituals Klein.

Als Hasenhüttl 2003 infolge des ökumenischen Gottesdienstes in Berlin seine kirchliche Lehrbefugnis verlor, nahm er in seiner Kritik an der Entscheidung des Bischofs von Trier in einem Interview mit der „Saarbrücker Zeitung“ vom 26. Juli 2003 einen Begriff auf, den schon P. Klein verwendet hatte. Dieser sprach immer wieder davon, dass Bischöfe keinen „Eichmann-Gehorsam“ verlangen dürften. Klein und Hasenhüttl betonten beide, dass die persönliche Verantwortung auch des Priesters gegenüber seinem Bischof höher zu bewerten sei als Unterwürfigkeit und blinder Gehorsam. Der problematische und vorbelastete Begriff vom |21|„Eichmann-Gehorsam“ stieß nach Hasenhüttls Äußerung auf harte Kritik und löste viele Reaktionen auch in den Medien aus. In einem Interview mit dem ARD-Morgenmagazin vom 29. Juli 2003 stellte Hasenhüttl klar, dass er keinen generellen Vergleich der Bischöfe mit dem „NS-Regime oder der furchtbaren Judenverfolgung“ beabsichtigt habe. Wichtig sei ihm allerdings, dass niemals Gehorsam über das eigene Gewissen und über die ethische Verantwortung des eigenen Handels gestellt werden dürfe. In einem späteren Interview betonte Hasenhüttl nochmals: „Ich habe damals die Tragweite des Ausdrucks nicht erkannt, mich lediglich an den Wahlspruch meines ehemaligen geistlichen Lehrers in Rom erinnert, der uns stets ermahnt hat, niemals einem ‚Eichmann-Gehorsam‘ zu folgen, also einem blinden Kadavergehorsam, sondern immer auch das Gewissen zu befragen. Das war unbedacht gesprochen, aber in der Sache richtig“ (Spiegel Online 12.5.2010, vgl. zu der inhaltlichen Konkretion des Begriffes auch 2001, Bd. II, S. 257 und 344). Auch P. Klein bekam die Folgen seiner Offenheit, seiner kritischen Einstellung gegenüber traditioneller Theologie und Kirchenstruktur und seines Appells an die Freiheit zu spüren: 1961 musste er unfreiwillig und auf äußeren Druck hin seine Stelle als Spiritual im Germanicum aufgeben und arbeitete fortan als Seelsorger und Exerzitienbegleiter in Bonn.

Hasenhüttl stimmt ganz der Einschätzung seines früheren Germanicer-Kollegen Helmut Feld zu, der schreibt: „Wilhelm Klein hat durch sein Wort und sein Leben vor allem bei der letzten Generation katholischer Theologen des 20. Jahrhunderts eine tiefgreifende Wirkung entfaltet, die gegenwärtig nur schwer einzuschätzen, aber kaum zu überschätzen ist. (…) Wer immer sich in Zukunft mit dieser sokratischen Gestalt beschäftigt, wird gut daran tun, sie nicht an den Kriterien einer vermeintlichen Rechtgläubigkeit oder eines spätaufgeklärten Biblizismus zu messen, sondern sie im Kontext ihrer geistigen Verwandten und Vorfahren zu sehen: der heiligen Häretiker Origenes, Augustinus, Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg, Gertrud von Helfta, Jakob Böhme und anderer theologischer und spiritueller Grenzgänger“ (Feld 2006, S. 340).

Gotthold Hasenhüttl

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