Читать книгу Gotthold Hasenhüttl - Wolfgang Pauly - Страница 12

1.2 Studium in Graz und Rom: Zwischen Restauration und Aufbruch zum Konzil

Оглавление

Nachdem er die Reifeprüfung abgelegt hatte, trat Hasenhüttl 1952 in das Priesterseminar der Diözese Graz ein und begann das Studium der katholischen Theologie zunächst an der Karl-Franzens-Universität in seiner Heimatstadt. Bereits ein Jahr später schickte ihn der Bischof der Diözese Graz (ab 1963 Graz-Seckau), Josef Schoiswohl (1901–1991; Diözesanbischof von 1954 bis 1968), zum Weiterstudium nach Rom.

Hasenhüttls Studium an dem traditionsreichen „Pontificum Collegium Germanicum et Hungaricum“ bildete nicht nur die solide Grundlage seiner theologischen Ausbildung. Insbesondere die dortige Auseinandersetzung um das Verständnis des Werks von Thomas von Aquin (1225–1274) und die Frage nach Möglichkeiten und Grenzen von dessen Vermittlung in der Moderne beschäftigen ihn bis zur Gegenwart.

Das „Germanicum“ wurde am 31. August 1552 auf Initiative von Ignatius von Loyola (1491–1556), dem Gründer des Jesuitenordens, von Papst Julius III. durch die Bulle „Dum solicita“ ins Leben gerufen. Es sollte ein wichtiges Glied in der Kette der Gegenmaßnahmen sein, mit der die katholische Kirche auf den Ausbruch der Reformation in Deutschland antwortete. Kardinal Giovanni Morone hatte als päpstlicher Legat Deutschland bereist und an den Reichstagen in Speyer und Worms teilgenommen. Er berichtete in Rom von vielen Missständen in der Kirche und dem praktischen Glaubensleben. Ignatius beschrieb selbst den Zweck der Neugründung des Instituts: „Zu Beginn sollen alle daran erinnert werden, dass das Kolleg zu dem Zweck errichtet wurde, dass in ihm Studenten |17|unterhalten und unterrichtet werden, die den geistlichen Bedürfnissen Deutschlands, entsprechend dem Talent, das sie durch Gottes Güte erhalten haben, zu Hilfe kommen sollten“ (nach Feld 2006, S. 226). Die „geistlichen Bedürfnisse Deutschlands“ begründeten sich im 16. Jahrhundert nicht zuletzt aus der mangelhaften Ausbildung des Klerus und der Vernachlässigung der Spiritualität. Nach dem Modell des bereits ein Jahr zuvor gegründeten „Collegium Romanum“ und in enger Zusammenarbeit mit ihm sollten jetzt Priester und Seelsorger in Theorie und Praxis auf ihre Arbeit im deutschsprachigen Raum vorbereitet werden. 1580 vereinigte Papst Julius das Germanicum mit dem „Collegium Hungaricum“, was bis heute der offizielle Name kundtut. Ernsthaftes Studium, strenge Tageseinteilung, gemeinsames Chorgebet an den Sonn- und Feiertagen und eine möglichst gute Beherrschung auch der italienischen Sprache waren wichtige Ziele. Inhaltlich war das Kolleg stark an der Theologie des Thomas von Aquin ausgerichtet.

Der in Lehre und Forschung und auch im praktischen Alltag häufig erlebten Offenheit und auch Internationalität steht eine andere Dimension des Lebens und Arbeitens im Germanicum entgegen: „Verbot außerhäuslicher mündlicher und schriftlicher Kontakte, Ausgang nur in Begleitung, Kontrolle der Korrespondenz durch den Rektor, und vieles andere, was nicht erst uns heute, sondern schon in damaligen Zeitgenossen als unerträglich und lächerlich erschien. Die meisten dieser Regeln blieben bis in die Zeit des II. Vatikanischen Konzils in Gültigkeit, um dann plötzlich und überhastet in der Versenkung zu verschwinden. Hinter diesem peniblen Regulierungswahn ist die Angst vor der Ansteckung durch Häresie oder Unsittlichkeit zu erkennen“ (Feld 2006, S. 225). Zu diesen „Regulierungswahn“ gehörte auch ein systematisches Bespitzeln und Aushorchen. Wer trotz Kenntnis eines meldepflichtigen Vorfalls nicht dem Rektor davon berichtete, erhielt letztlich dieselbe Strafe wie der Täter selbst. Allerdings wurden diese Regeln in der Zeit Hasenhüttls in Rom unter dem Rektor P. Franz von Tattenbach S.J. wesentlich liberaler umgesetzt.

Die besondere Wertschätzung der spirituellen Ausbildung im Germanicum zeigt sich darin, dass schon seit Gründung der Einrichtung neben der Bestellung eines Beichtvaters ein „Praefectus rerum spiritualium“, ein Spiritual, eingesetzt wurde. Ob sich Spiritualität frei und kreativ entfalten konnte oder ob sie als Kontrolle benutzt wurde, hing nicht zuletzt an der Persönlichkeit der Männer, die mit dieser Aufgabe betraut wurden.

|18|Die Geschichte des Germanicums zeigt die Pendelbewegung zwischen solider Ausbildung und restaurativer Neuscholastik insbesondere im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die wissenschaftliche Qualität wurde auch dadurch gesichert, dass die Studierenden zusätzlich an der auf Ignatius von Loyola zurückgehenden und durch Papst Gregor XIII. 1584 neu gegründeten „Gregoriana“ studieren konnten. Auch die Zusammenarbeit mit dem 1928 gegründeten Päpstlichen Bibelinstitut mit seinen fortschrittlichen Exegeten war für viele – auch für Gotthold Hasenhüttl – ein großer Gewinn. Der spätere deutsche Kurienkardinal, Konzilstheologe und Leiter des Sekretariats für die Einheit der Christen, Augustin Bea (1881–1968), war von 1930 bis 1949 der modernen Fragen aufgeschlossene Leiter des Instituts.

Fotos zeigen den Studenten Gotthold Hasenhüttl in der im römischen Stadtbild auffallenden roten Tracht der „Germanicer“. Viele Besuchergruppen aus Deutschland und Österreich führte er so durch die „ewige Stadt“. Er lobt noch heute die insgesamt gute Atmosphäre der Einrichtung. Von seinen Lehrern blieb ihm besonders der kanadische Jesuit Bernard Lonergan (1904–1984) im Gedächtnis. Dessen Werk „Theologie im Pluralismus heutiger Kulturen“ ist 1975 auch in deutscher Sprache erschienen.

Internationale Kontakte aus allen Erdteilen erweiterten die Perspektive der Seminaristen. Zahlreiche Besuche im Haus regten zur Diskussion an. Hasenhüttl erinnert sich allerdings auch an weniger erfreuliche Begegnungen. Als der Wiener Altbischof Theodor Innitzer (1875–1955) Rom und das Germanicum besuchte, war im Gespräch insbesondere mit den österreichischen Seminaristen keine Revision seiner früheren theologischen und vor allem politischen Einstellungen erkennbar. Seine Unterstützung für den Austrofaschismus, seine Unterschrift unter die von Gauleiter Bürckel verfasste Erklärung zum Anschluss Österreichs an Deutschland, seine Kanzelverkündigung mit der Aufforderung, dass ein Katholik Adolf Hitler zu wählen habe, und sein Höflichkeitsbesuch bei diesem am 15. März 1938 im Hotel Imperial konnten mit den Seminaristen nicht diskutiert werden.

Auch der Besuch von Julius Döpfner (1913–1976) im Germanicum blieb für Hasenhüttl unbefriedigend. Als junger Bischof von Würzburg (ab 1948), Berlin (ab 1957) und München (ab 1961) galt Döpfner vielen als fortschrittlicher Hoffnungsträger. Den Germanicern versucht er allerdings zu vermitteln, dass etwas, das der Papst verboten hat, keiner weiteren |19|Begründung und Diskussion bedarf und deswegen verboten bleiben müsse. Seine Zustimmung zum internen Bespitzelungssystem des Germanicums und sein Bestehen auf den Kuss des bischöflichen Ringes blieben zumindest für einen Teil der Seminaristen unverständlich und nicht nachvollziehbar.

Gotthold Hasenhüttl

Подняться наверх