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Es war, wie wenn man einen Stein ins Wasser wirft: Die Katastrophe zog Kreise. Ein Fotograf hatte Uschi Lang und Matthias Wylander mit der Kamera beobachtet, und nun waren die Bilder in allen Zeitungen. Uschi und Matthias engumschlungen beim Tanzen. Uschi und Matthias engumschlungen in einem Nachtklub. Uschi und Matthias engumschlungen beim Betreten des Hauses, in dem sie wohnte ...

Ein Skandal! Stefanie Behrensen, der Nation liebstes Kind, betrogen! Es war nicht leicht, all die schmutzigen Berichte vor dem Wettkampf von Stefanie fernzuhalten. Erik Frings schaffte das nur, indem er sein Trumpf-As streng kasernierte. Außer ihm durfte niemand zu Stefanie. Nicht einmal Robert.

Sie sprang trotzdem nicht so gut wie sonst (als wäre da so eine gewisse Ahnung) und landete, was in letzter Zeit ungewöhnlich geworden war, auf dem fünften Platz. Rundfunk und Fernsehen waren live dabei.

Frings schirmte seinen Schützling ab, so gut er konnte, doch einer der Reporter schaffte es dennoch, vor dem Hotel an sie heranzukommen und zu fragen: „Werden Sie mit Matthias Wylander Schluss machen, Stefanie?“

Sie sah den kleinen Mann überrascht an. Erik Frings drängte sie, weiterzugehen, doch sie blieb stehen. „Warum sollte ich das tun?“, fragte sie den Reporter. „Er hat Sie betrogen.“

Stefanie riss entsetzt die Augen auf. „Wissen Sie das denn noch nicht?“, fragte der Reporter. „Was werden Sie nun tun?“

„Kein Kommentar!“, sagte Erik Frings schneidend und schob Stefanie ins Hotel.

Der Reporter wollte ihnen folgen, aber man ließ ihn nicht durch. In Ihrem Zimmer starrte Stefanie ihren Trainer dann fassungslos an. „Was hat dieser Mann gesagt, Erik?“

„Bitte beruhige dich“, erwiderte der hagere Mann und sah ehrlich verzweifelt aus.

„Matthias hat mich betrogen?“

„Nimm dich zusammen, Stefanie.“

„Mit wem?“, schrie sie zornig. Ihre Stimme überschlug sich. „Mit wem hat Matthias mich betrogen?“

„Sie heißt Uschi Lang.“

Stefanie durchbohrte ihn mit ihrem Blick. „Du hast es gewusst und mir nichts gesagt? Ich dachte, du wärst nicht nur mein Trainer, sondern auch mein Freund!“

„Das bin ich.“

„Bei solchen Freunden brauche ich keine Feinde mehr“, zischte Stefanie verächtlich. Sie rannte wie eine gereizte Tigerin hin und her. „Du hast es gewusst und es mir verschwiegen. Verdammt, auf wessen Seite stehst du?“

„Auf deiner natürlich“, antwortete Erik Frings heiser. „Wie kannst du nur fragen?“

„Du stehst auf meiner Seite und verheimlichst mir, was Matthias hinter meinem Rücken tut?“

„Ich hab’s wegen des Wettkampfs getan“, rechtfertigte sich der Trainer.

„Ach, zum Teufel mit dem Wettkampf. Was ist passiert? Was haben Matthias Wylander und Uschi Lang getan? Ich will es wissen. Ich will es auf der Stelle wissen.“

Der Trainer holte mehrere Zeitungen aus seinem Zimmer und legte sie wortlos vor seinen Schützling hin.

Sie sah die Bilder und begann zu lesen. Die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen. „Dieser Mistkerl!“, schluchzte sie. „Dieser gottverfluchte Mistkerl!“

Erik Frings sah sie traurig an. Er sagte nichts. Er dachte nur: Ich wusste von Anfang an, dass das schiefgehen würde, aber du warst blind, und niemand konnte dir die Augen öffnen. Matthias Wylander hat einen miesen Charakter. Dennoch fühltest du dich zu ihm mehr hingezogen als zu Robert Rahner, obwohl der ein wahrer Goldschatz ist, sauber und ehrlich, und viel besser zu dir passen würde. Aber nein, Matthias Wylander musste es sein. Und nun hast du die Bescherung. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es dazu kommen würde.

Die Sache würde hohe Wellen schlagen und den Blätterwald mächtig rauschen lassen. Jeder Presse-Fritze würde versuchen, Stefanie Behrensen eine Stellungnahme zu entlocken, ein Interview zu bekommen.

Solche privaten Skandale sind ja stets interessanter als jeder sportliche Erfolg. Das konnte man schön breit auswalzen, im Dreck wühlen, verletzte Gefühle bloßlegen.

Falls Stefanie nichts sagen wollte, würde man die eigene Phantasie spielen lassen und sich irgendeine verkaufsträchtige Story aus dem Finger saugen.

Die hinterher eventuell von Anwälten erwirkte Richtigstellung würde kaum noch jemanden interessieren. Die Leser wollten ihre Sensation jetzt und heute, und sie würden sie bekommen mit mehr oder weniger Wahrheitsgehalt angereichert. Der Rest würde aus Gerüchten und Mutmaßungen bestehen. Wer für die Yellow Press arbeitete, durfte nicht zimperlich sein. Dieses Geschäft war manchmal sehr verlogen und schmutzig, aber solange die Verkaufszahlen stimmten, ging das in Ordnung, waren die gemeinsten Untergriffe erlaubt.

Stefanie packte die Zeitungen, zerfetzte sie, machte Papierbälle daraus und schoss sie durch den Raum.

Frings ließ sie toben. Es war besser, wenn der Schmerz herauskam. Danach würde sie sich besser fühlen.

„Ich hasse ihn!“, schrie Stefanie. „Oh, wie sehr ich dieses miese Schwein hasse! Ich könnte ihn umbringen! Wenn er jetzt hier wäre ...“ Sie hob die Fäuste und schüttelte sie. „Ich würde ihn zerreißen wie diese Zeitungen!“

Frings hatte Mitleid mit ihr. Sie hatte beim Wettbewerb schlecht abgeschnitten, war sportlich enttäuscht worden, und musste danach auch noch diese private Enttäuschung hinnehmen. Es konnte lange dauern, bis sie darüber hinweg war.

Und bis dahin würde sie launisch und gereizt sein. Sie würde sportlich keine konstanten Leistungen mehr schaffen und sich nichts sagen lassen, sondern jede Kritik als persönlichen Angriff werten. Die Zusammenarbeit mit ihr würde in Zukunft ziemlich schwierig sein. Danke, Matthias Wylander, das hast du großartig hingekriegt.

„Lass mich allein!“, verlangte Stefanie.

Der Trainer zögerte, zu gehen. „Stefanie ...“

„Bitte geh!“

„Wenn du Trost brauchst ...“

„Ich möchte allein sein.“

„Ich fühle mit dir, Stefanie.“

Sie kehrte ihm den Rücken zu, und er verließ das Zimmer.

Robert kam ihm auf dem Hotelflur entgegen. „Wie geht es ihr?“, wollte er wissen.

Erik Frings schüttelte mit kummervoller Miene den Kopf. „Nicht sehr gut. Sie hat mich eben rausgeschmissen.“

„Soll ich zu ihr gehen?“

„Sie möchte niemanden sehen“, sagte Frings. „Sie will allein sein.“

„Aber sie braucht jemanden, der sie tröstet.“

„Erst wenn der erste Schmerz etwas abgeklungen ist, kann man sie trösten“, erklärte der Trainer. „Im Moment ist es besser, sie in Ruhe zu lassen.“

„Eigentlich müsste ich Matthias Wylander dankbar sein. Er hat sich selbst disqualifiziert und aus dem Rennen geworden. Der Platz an Stefanies Seite ist plötzlich frei. Aber ich kann mich nicht darüber freuen, weil Stefanie zu sehr darunter leidet.“

In ihrem Zimmer sammelte Stefanie Behrensen die Papierkugeln ein, legte sie auf den Tisch und glättete die Zeitungen mit zitternden Händen.

Sie starrte hasserfüllt auf die Fotos. Uschi Lang und Matthias Wylander. Matthias Wylander und Uschi Lang. Sie amüsierten sich großartig!

Das war keine harmlose Angelegenheit, über die man großzügig und vertrauensvoll mit einem gleichgültigen Schulterzucken hinwegsehen konnte. Dahinter steckte alle Schlechtigkeit der Welt, die triebhafte Absicht, sich auf allertiefstem Niveau zu vergnügen. Hemmungslos. Skrupellos. Ohne auf die Gefühle eines anderen Menschen Rücksicht zu nehmen. Nur der eigenen niedrigen Begierde gehorchend. „Ich sehe keinen Unterschied mehr zwischen Mensch und Tier“, sagte Stefanie voller Abscheu.

Kälte kroch in ihr Herz. Ihre Lippen wurden schmal, der Ausdruck ihres Gesichts hart. Es ist vorbei, Matthias Wylander, dachte sie gallig. Vorbei! Vorbei! Vorbei!

Sie rief ihn an.

„Stefanie!“, kam seine krächzende Stimme durch die Leitung. „Ich habe x mal versucht, dich zu erreichen, aber man stellt keine Anrufe zu dir durch.“

„Das hat mein Trainer veranlasst.“

„Liebling, wie, wie geht es dir?“ Er schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.

Sie schwieg.

„Ich habe die Übertragung gesehen. Ist es sehr schlimm für dich, nur fünfte geworden zu sein?“, fragte Matthias.

„Ich kann es verkraften.“

„Du, du hast die Zeitungen gelesen, ja?“, presste Matthias mühsam hervor.

„Nach dem Wettkampf. Vorher hatte ich keine Ahnung.“

„Hier ist der Teufel los“, stöhnte Matthias.

„Hier auch“, sagte Stefanie.

„Es wimmelt nur so von Reportern, aber ich sage denen kein Wort.“

„Ich auch nicht“, gab Stefanie zurück. „Das ist eine Sache, die nur uns beide angeht.“

„Und Uschi Lang“, meinte Stefanie frostig.

„Wir müssen reden, Stefanie. Mir tut das alles furchtbar leid. Ich, ich kann es erklären.“

„Ich bin an keinen Erklärungen interessiert“, erklärte sie abweisend.

„Du musst mir Gelegenheit geben, mich zu verteidigen.“

„Ich klage dich nicht an“, erwiderte sie emotionslos. „Es ist nur aus und vorbei, sonst nichts.“

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich fühle!“

Es zuckte in ihrem hübschen Gesicht. „Wie immer du dich fühlst, ich fühle mich zehnmal schlechter.“

„Lass mich dir erklären ...“

„Wozu?“, fragte sie. Ihre Stimme klirrte wie Glas.

„Es ist mir wichtig, dass du weißt, dass ich unschuldig bin.“

Unschuldig, dachte sie. Dass ich nicht lache! Ich habe die Bilder vor mir. So taktlos benimmt sich kein Unschuldiger in aller Öffentlichkeit. „Du spielst keine Rolle mehr in meinem Leben“, sagte sie rau.

„So hart kannst du nicht sein.“

„Ich kann“, erklärte Stefanie knapp und legte auf.

Wahre Wunder geschehen manchmal: Arztroman Sammelband 4 Romane

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