Читать книгу Wahre Wunder geschehen manchmal: Arztroman Sammelband 4 Romane - A. F. Morland - Страница 30

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Tags darauf war sie wieder ansprechbar, und diese Gelegenheit nützte Robert, um ihr zu zeigen, dass sie auf ihn zählen konnte. Er hatte viele trostreiche Worte für sie, und sie fand es nett von ihm, dass er sich so sehr um sie kümmerte. Sie hatte jetzt viel Aufmunterung und guten Zuspruch nötig. Konnte sich keinen depressiven Durchhänger leisten, weil schon bald das nächste Meeting auf dem Programm stand, und da musste ihr Kopf frei sein, denn sie wollte ihre schlechte Leistung in Berlin vergessen machen. Wenn sie schon privat nicht erfolgreich war, wollte sie es wenigstens auf der sportlichen Schiene sein.

Robert saß auf dem Rückflug wieder neben Stefanie. „Du brauchst jetzt ein paar Tage Ruhe und Erholung, musst ausspannen“, sagte er.

„Ich hab’ noch keine Pläne“, gab sie zurück.

„Darf ich welche für dich schmieden? Und darf ich dir Gesellschaft leisten?“ Sie lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen. Die Maschine war erfüllt vom gedämpften Dröhnen der Düsen. „Ich denke, ich lasse erst mal alles an mich herankommen. Ich bin im Moment nicht in der Lage, große Sprünge zu machen. Ich kann nicht so tun, als wäre nichts geschehen.“

„Das ist klar, aber daheim zu sitzen und Trübsal zu blasen ist auch keine Lösung.“

„Ich brauche etwas Zeit.“

Robert nahm ihre Hand und sah ihr in die Augen. „Du weißt, was ich für dich empfinde.“ Seine Finger strichen zärtlich über ihren Handrücken. „Ich bin immer für dich da, rund um die Uhr. Und: alle Männer sind nicht gleich.“

Stefanie schaute aus dem Fenster. „Hoffentlich kommt er nicht auf den Flugplatz, um mich abzuholen.“

„Ich glaube nicht, dass er so unvernünftig ist.“

„Wer kann wissen, was ihm einfällt?“ Robert presste die Kiefer zusammen, seine Wangenmuskeln zuckten. Es wäre nicht gut, wenn ich ihm heute begegnen würde, dachte er. Ein unbedachtes Wort von ihm, und ich würde mich vergessen. Himmel, wäre das ein Schauspiel für die Presse! Nein, es ist besser, Wylander bleibt zu Hause.

Gleich nach der Landung wurde Stefanie durch den VIP-Korridor geschleust. Am Ausgang wartete ein schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben auf sie und brachte sie nach Hause. Robert Rahner und Erik Frings kamen mit ihrem Gepäck nach.

„Er war nicht da“, informierte Robert seine Freundin und Kollegin. „Ich habe mich erkundigt.“

„Er scheint meine Entscheidung zu akzeptieren“, sagte Stefanie.

Robert lächelte. „Er hat keine andere Wahl.“

Er und Erik Frings blieben eine Stunde, dann verabschiedeten sie sich. Eigentlich hatte nur der Trainer gehen wollen, damit Stefanie und Robert allein waren, doch Robert hatte gesagt: „Ich komme gleich mit.“

„Warum bleibst du nicht und leistest Stefanie noch eine Weile Gesellschaft?“, hatte Frings erwidert.

„Ich sehe es meiner lieben Sportsfreundin an, dass sie jetzt lieber allein sein möchte“, hatte der feinfühlige Robert Rahner lächelnd erwidert. Dann hatte er sich an Stefanie gewandt und hinzugefügt: „Aber ich komme morgen wieder, und dann wird irgend etwas unternommen.“

Nachdem die beiden gegangen waren, packte Stefanie ihre Sachen aus. Die Schmutzwäsche kam in den Wäschekorb, alles andere wurde auf die Schränke verteilt.

Das Telefon läutete. Der automatische Anrufbeantworter schaltete sich ein, und Stefanie rieselte es eiskalt über den Rücken, als sie Matthias’ Stimme hörte. Es würde lange dauern, bis sie über ihn wirklich ganz hinweg war. Robert hätte ihr niemals so weh getan. Warum nur hatte sie sich für den falschen Mann entschieden? Sie hatte keine Erklärung dafür. Hatte es nicht auf der Hand gelegen, dass Matthias früher oder später ins alte Fahrwasser zurückkehren würde? Wie hatte sie annehmen können, ihn davon abhalten zu können? Sie konnte sich nicht erinnern, sich schon mal so sehr überschätzt zu haben, und sie nahm sich ganz fest vor, darauf zu achten, dass ihr das nie wieder passierte.

„Stefanie!“, rief Matthias. Seine Stimme war überall im Haus. „Stefanie!“ Ihr Herz krampfte sich zusammen. „Stefanie, bitte melde dich. Schalte diesen blöden Anrufbeantworter ab und sprich mit mir!“

Sie rührte sich nicht von der Stelle. Fröstelnd verschränkte sie die Arme.

„Ich weiß, dass du zu Hause bist, Stefanie!“, rief Matthias eindringlich. „Ich weiß, dass du mich hörst.“

Sie presste die Lippen zusammen und atmete kaum noch.

„Ich war nicht auf dem Flugplatz“, sagte Matthias.

Ich weiß, dachte Stefanie.

„Nicht, weil ich dich nicht sehen wollte, sondern wegen der Reporter“, erklärte Matthias. „Ich wollte uns beiden einen Spießrutenlauf ersparen.“

Sieh an, er kann auch mal Rücksicht nehmen, dachte Stefanie ironisch. Wer hätte das gedacht!

„Bitte sprich mit mir, Stefanie.“

Nein!

„Ich komme mir blöd vor, so ins Leere zu reden.“

Dann leg doch auf!

„Wir müssen uns aussprechen, Stefanie.“

Zwischen uns ist bereits alles gesagt!

„Ich möchte, dass du mir ins Gesicht sagst, dass es aus ist, und du musst mir dabei in die Augen sehen.“

In die Augen eines Lügners und Betrügers! Wozu?

Sie hatte unterschwellig Angst davor, ihn wiederzusehen. Wenn er zum richtigen Moment die richtigen Worte sagte, wenn er sie berührte... Sie wusste nicht, wie sie darauf reagiert hätte. Es war schon schlimm genug, seine Stimme zu hören. Aber ihm nahe zu sein, ihn ansehen zu müssen ... Nein, sie glaubte nicht, dass sie einer solchen Konfrontation gewachsen gewesen wäre. Sie legte die Hände auf ihre Ohren und nahm sie erst wieder herunter, als Matthias Wylander aufgelegt hatte.

Er schickte Blumen. Sie nahm sie nicht an, nannte dem Boten Matthias’ Adresse und sagte, er möge sie dort abliefern. Er rief immer wieder an. Es war der reinste Telefonterror. Stefanie entschloss sich schließlich, den Stecker rauszuziehen. Erst dann hatte sie Ruhe. Aber nun konnte auch niemand anderer sie telefonisch erreichen.

Nachts wurde sie von einem Geräusch geweckt. Es hatte lange gedauert, bis sie eingeschlafen war, und nun war sie wieder putzmunter.

Gespannt lauschte sie in die Dunkelheit. Befand sich ein Einbrecher im Haus? Es war Stefanie unmöglich, sich auf die Seite zu drehen und weiterzuschlafen.

Erst musste sie Gewissheit haben, dass alles in Ordnung war. Sie stand auf, zog gähnend ihren Morgenrock an und schlüpfte in die weichen Pantoffel.

0.37 Uhr verkündete die rote Digitalanzeige des Radioweckers. Stefanie stakste zur Tür und öffnete sie. Im Haus herrschte Stille.

Ob sie dieses Geräusch nur geträumt hatte? Sie machte Licht und begab sich ins Erdgeschoss. Auch da ließ sie überall das Licht aufflammen.

Ein kühler Lufthauch streifte sie. Obwohl sie vor dem Zu-Bett-Gehen alle Türen und Fenster mit Sicherheit geschlossen hatte. Sie betrat das Wohnzimmer, und die Gardine bauschte sich gespenstisch vor der offenen Terrassentür.

Im gleichen Moment sah sie Matthias Wylander. Sie sah ihn verblüfft an. „Wie kommst du hier rein?“, fragte sie feindselig.

„Durch die Tür“, antwortete er.

„Sie war geschlossen“, sagte sie kalt.

Er hob verlegen die Schultern. „Ich habe sie mit meiner Kreditkarte aufgemacht.“

„Du brichst bei mir ein ...“

Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. „Du wirst mir deswegen hoffentlich keine Schwierigkeiten machen.“

„Du kannst hier doch nicht einfach ...“

Matthias nickte finster. „Ich bin wahrscheinlich nicht mehr zurechnungsfähig.“

„Was willst du hier?“ Stefanies Stimme bebte, und ihr Herz trommelte wie verrückt gegen die Rippen. Sie hatte befürchtet, dass sie so heftig reagieren würde, wenn sie Matthias von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.

„Ich habe so oft angerufen, du hast dich nicht gemeldet. Da an Schlaf sowieso nicht zu denken war, dachte ich, ich komme hierher, und wir reden.“

„Ich habe geschlafen“, sagte Stefanie schneidend.

Matthias sah sie groß an. „Dich hat die Sache weniger mitgenommen als mich? Das erstaunt mich.“

„Würdest du jetzt bitte gehen? Ich bin mit dir fertig.“

„Ich liebe dich, Stefanie.“

„Ich wusste nicht, dass du Moslem bist“, sagte sie giftig.

Er blinzelte verwirrt. „Wieso Moslem?“

„Deren Religion erlaubt ihnen, mehrere Frauen zu lieben.“

„Ich liebe Uschi Lang nicht.“

„Aber du hast die Nacht mit ihr verbracht“, fauchte Stefanie gereizt.

Matthias senkte betrübt den Blick. „Das kann ich nicht leugnen.“

Sie lachte gallig. „Nein, das kannst du nicht, weil es mit Fotos belegt ist. Wenn es das nicht wäre, würdest du es wahrscheinlich sehr entrüstet in Abrede stellen.“

„Liebling...“

Ihr Blick erdolchte ihn beinahe. „Ich bin nicht mehr dein Liebling.“

„Was geschehen ist, zählt nicht“, behauptete er.

Sie sah ihn an, als hätte sie nicht richtig gehört. „Wie bitte?“

„Ich weiß nichts davon. Ich war so betrunken, dass ich einen totalen Blackout hatte. Als ich in Uschis Schlafzimmer ... Als ich bei Uschi aufwachte, war ich wie vom Donner gerührt, das musst du mir glauben. Ich habe über einen sehr langen Zeitraum nicht gewusst, was ich tat, das ist die Wahrheit. Kein Gericht der Welt würde mich für das, was geschehen ist, verurteilen. Ich war irgendwelchen Mechanismen unterworfen, auf die ich nicht den geringsten Einfluss hatte.“

„Warum hast du so viel getrunken?“ Ihre Stimme klang auf einmal nicht mehr so hart.

„Ich war so einsam ohne dich“, gestand Matthias mit weinerlicher Miene. „Ich wäre so gerne bei dir gewesen. Kurt Veltin, mein alter Saufkumpan, erwischte mich ausgerechnet an diesem Tag auf dem falschen Fuß. Wir haben früher immer viel getrunken, wenn wir zusammen waren. Er kam zu mir ins Büro und sagte, es wäre mal wieder eine große Sause fällig. Ich hatte keine Lust dazu, aber allein daheimsitzen wollte ich auch nicht, deshalb sagte ich zu. O Stefanie, es tut mir unsagbar leid, wozu das geführt hat. Ich würde mir den linken Arm abhacken, wenn ich das Ganze damit ungeschehen machen könnte.“

Sie hatte es befürchtet: Er weichte mit seinen Worten alles auf. Sie konnte nicht hart bleiben. Ihr Widerstand wurde immer schwächer. Irgend etwas in ihr drängte sie immer stärker, ihm zu glauben und ihm zu verzeihen.

Matthias stand wie ein armer Sünder vor ihr. Er breitete die Arme aus. „Ich bin unschuldig“, sagte er mit brüchiger Stimme. „Ich habe, wissentlich, nichts getan. Ich kann mich an überhaupt nichts erinnern. Es ist nichts geschehen, Stefanie.“

Ihre Augen schwammen mit einemmal in Tränen. „Ach, Matthias ...“

„Vergib mir.“

„Matthias ...“

Er nahm sie in die Arme. Sie hinderte ihn nicht daran. Er drückte sie fest an sich, und sie empfand so unbeschreiblich viel dabei.

„Verzeih mir.“

„Ja“, schluchzte sie beglückt.

„Ich liebe dich. Ich brauche dich. Du darfst mich nicht verlassen.“

„Ich verlasse dich nicht“, flüsterte sie, und dann küssten sie sich atemlos. „Ich kann es nicht. Nicht mehr.“

Er nahm sie auf seine Arme, trug sie zum Schlafzimmer hinauf, und sie weinte ihm glücklich das Hemd nass.

Wahre Wunder geschehen manchmal: Arztroman Sammelband 4 Romane

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