Читать книгу Arztroman Sammelband 8 Romane Februar 2020 - A. F. Morland - Страница 9
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ОглавлениеOttilie, die grauhaarige Haushälterin der Familie Härtling, war zu Besuch bei Veronika Triebe, einer alten Bekannten. Das Wohnzimmer war vollgestellt mit alten Möbeln. Frau Triebe hatte früher in einer größeren Wohnung gewohnt, sich nach dem Tod ihres Mannes vor sieben Jahren nach einer kleineren Unterkunft umgesehen und fast alle Möbel mitgenommen.
Obwohl das Wohnzimmer nicht klein war, fühlte Ottilie sich darin beengt. In einem großen Käfig neben dem Fenster saß ein schöner Nymphensittich. Obwohl das Türchen offen war, kam er nicht heraus. Offenbar hatte er Angst vor Ottilie.
„Seit ich regelmäßig meinen Tee trinke, fühle ich mich wie neugeboren“, erzählte Veronika Triebe ihrer Freundin, während Bubi, der Sittich, sein Gefieder säuberte.
„Was ist das denn für ein Tee?“, erkundigte sich Ottilie, der gleich beim Eintreten aufgefallen war, dass Veronika heute frischer und vitaler wirkte als bei ihrem letzten Besuch.
„Er entwässert und fördert die Ausscheidung von Harnsäure“, sagte Frau Triebe.
„Und wie heißt er?“
„Vollmers Tee.“ Veronika Triebe holte die Packung und eine kleine Informationsschrift. Unter der Überschrift „Aktuelles aus der Naturheil-Medizin“ stand: Das Geheimnis vieler Erkrankungen liegt in Störungen der Verdauung. Die Nahrung bleibt zu lange im Körper. Damit verzögert sich die Ausscheidung von Stoffwechselabbauprodukten, der Kreislauf möglicher Gesundheitsstörungen beginnt: Viele Menschen klagen dann über nervöse Erschöpfung, Nervenschwäche und sogar Kopfschmerzen.
„Dieser präparierte grüne Hafertee fördert die Verdauung, regt den Gesamtstoffwechsel an, vermindert die Möglichkeit der Wasseransammlung im Körper und ist ein hervorragendes Aufbau- und Kräftigungsmittel“, erklärte Ottilies Freundin.
Die Wirtschafterin der Familie Härtling nickte interessiert. „Und wo bekommt man es?“
„In Apotheken und Reformhäusern.“
„Muss ich mir merken“, sagte Ottilie. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und erschrak. „Gott, so spät schon. Ich muss gehen.“ Als sie sich erhob, flog Bubi aufgeregt im Käfig hin und her.
„Verrückter Kerl“, schalt Veronika Triebe ihn. „Ottilie tut dir doch nichts.“
„Sprichst du oft mit ihm?“, fragte Ottilie, während sie ihre Handtasche aufnahm.
„Eigentlich immer, wenn ich allein bin, und er hört mir aufmerksam zu.“
„Und widerspricht dir nie“, sagte Ottilie schmunzelnd und verließ mit der Freundin das enge Wohnzimmer. Nicht einmal die Tür konnte man ganz aufmachen, weil ein alter Schrank dahinterstand und dies verhinderte.
Frau Triebe seufzte. „Wenn ich doch nur das Herz hätte, mich von drei, vier Möbelstücken zu trennen, aber an jedem einzelnen hängen so viele Erinnerungen, dass ich einfach nichts rausschmeißen kann.“
„War wieder mal nett, mit dir zu plaudern“, sagte Ottilie.
„Wir sehen einander hoffentlich bald wieder.“
„Ich rufe dich an, wenn ich Zeit habe“, versprach Ottilie und ging.
Nur eine halbe Stunde später servierte sie der Familie Härtling das Abendessen. Es grenzte an Zauberei, und sie verriet nicht, wie sie es gemacht hatte.