Читать книгу Arztroman Sammelband 8 Romane Februar 2020 - A. F. Morland - Страница 23
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ОглавлениеOttilie brühte sich gerade ihren Vollmers-Tee, als das Telefon läutete. Es hatte sich gezeigt, dass der arzneilich wirksame präparierte grüne Hafertee ihre Verdauung sehr gut förderte, und deshalb versuchte sie ihn so regelmäßig wie möglich zu trinken. Die alte Wirtschafterin verließ die Küche und nahm den Anruf entgegen. „Bei Härtling“, meldete sie sich.
„Hallo, Ottilie“, sagte Trix Lassow am anderen Ende, „ist meine Schwägerin zu Hause?“
„Tag, Frau Lassow“, sagte die grauhaarige Haushälterin. „Einen Augenblick, ich hole sie an den Apparat.“
Jana Härtling befand sich im Garten, schnitt ein paar Rosen für die Vase ab und entfernte die Dornen.
„Frau Doktor!“, rief Ottilie von der Terrasse aus.
„Ja?“, antwortete Jana, richtete sich auf und drehte sich um.
„Ihre Schwägerin ist am Apparat.“
„Ich komme!“ Auf der Terrasse drückte Jana der Wirtschafterin die Rosen in die Hand. „Würden Sie die bitte ins Wohnzimmer bringen?“
„Selbstverständlich.“
Jana eilte an den Apparat. „Hallo, Trixi, was ist los?“, fragte sie ein wenig außer Atem. „Hast du Wolf-Dietrich Bockmayer zugesagt?“
„Hab’ ich.“
„Bravo!“
„Unter einer Bedingung“, sagte die Frau des Rechtsanwalts.
„Unter welcher?“
„Dass du auch mitmachen darfst.“ Jana Härtling hatte das Gefühl, jemand hätte sie mit Eiswasser übergossen. „Bist du verrückt?“
„Ich habe Bockmayer eine Fotografie von dir gezeigt. Er ist einverstanden. Bitte, Jana, du darfst mich nicht hängenlassen.“
Jana war fassungslos und verstört. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Mannequin. Sie. O Gott! „Ich ich bin Mutter von vier Kindern“, stammelte sie.
„Ich bin ebenfalls Mutter.“
„Aber nur von zwei Kindern.“
„Zwei Kinder mehr oder weniger.“
„Ich kann doch nicht …“
„Wenn ich es kann, kannst du es auch“, sagte Trix Lassow nüchtern.
Hitze brannte in Jana Härtlings Wangen. „Meine Familie wird nie und nimmer damit einverstanden sein.“
„Sie wird auf dich genauso stolz sein, wie es meine Familie auf mich ist.“ Jana fühlte sich von ihrer Schwägerin total überrumpelt. Sie sah sich im Geist auf hochhackigen Schuhen über den Laufsteg stolpern, umkippen und stürzen und vermeinte das wiehernde Gelächter des Publikums zu hören. Grauenvoll. „Ich sollte dir meine Freundschaft aufkündigen“, sagte sie mit belegter Stimme.
Trix lachte. „Warum denn?“
„Das fragst du noch?“
„Du musst bei dieser Benefiz-Veranstaltung mitmachen, Jana“, sagte Trix Lassow beschwörend. „Ich traue mich da allein nicht hin. Wenn es nicht für einen guten Zweck wäre, hätte ich mich bestimmt nicht breitschlagen lassen, aber da der Reinerlös behinderten Kindern zugute kommt, dürfen wir uns davor auf gar keinen Fall drücken, so unangenehm es uns auch sein mag.“
Behinderte Kinder … Trix Lassow war schlau. Sie wusste: Wenn Jana Härtling weich zu kriegen war, dann nur mit diesem starken Argument.