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Katja Arndt fuhr nach Hause, duschte und zog sich um. Sie war froh, dass ihr Mann nicht da war, denn er hätte sich mit Sicherheit wieder gegen ihren Zweitjob ausgesprochen. Ihr wäre es ja selbst lieber gewesen, wenn sie darauf hätte verzichten können, aber Jan Achberger und seine Wucherzinsen waren ein triftiger Grund, in den sauren Apfel zu beißen, die Sache mit der nötigen Konsequenz durchzuziehen und das Beste daraus zu machen.

Irgendwann wird auch dieser bittere Kelch zur Neige gehen, sagte sich die junge Ärztin. Nichts dauert ewig. Sobald Achberger sein Geld hat, höre ich auf mit dieser Tätigkeit für „Flamingo“. Aber im Moment muss es sein. Es muss sein!

Katja warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Sie sah verführerisch aus. Hoffentlich nicht zu verführerisch, ging es ihr durch den Sinn.

Sie schloss die Augen, atmete mehrmals kräftig durch, und dann sagte sie: „Auf in den Kampf, Mädchen! Und mach deine Sache gut! Du bist auf diese zusätzliche Einnahmequelle angewiesen.“

Sie traf den Mann, der sich an „Flamingo“ gewandt hatte, in einem noblen Restaurant beim Kapuzinerhölzl. Er war Schweizer, Anfang sechzig, sehr distinguiert, mit dichtem grauem Haar und sorgfältig gestutztem Oberlippenbärtchen.

Sein dunkler Nadelstreifanzug war nach Maß gefertigt und saß wie angegossen, die Bügelfalten seiner Hosen waren rasiermesserscharf.

Im Knopfloch trug er eine weiße Nelke, das Erkennungszeichen. Er küsste Katja galant die Hand und bat sie höflich, sich an seinen Tisch zu setzen.

Sie nahm Platz, und er stand hinter ihr und rückte ihr den Stuhl zurecht. Ein Gentleman mit besten Manieren. Das konnte ein netter Abend werden.

Leicht verdientes Geld, dachte Katja, während sie den Schweizer freundlich anlächelte. Er winkte dem Kellner und bestellte mit ihrem Einverständnis zwei Aperitifs.

Sein Name war Urs Kägi. Er war im Bankwesen tätig und gestand ihr, dass er zum ersten Mal in seinem Leben die Dienste einer Begleitagentur in Anspruch nahm.

Entsprach diese Behauptung der Wahrheit?

Katja schien ihn so skeptisch anzusehen, dass er in schweizerisch gefärbtem Hochdeutsch mit ausgeprägtem „ch“ fragte: „Glauben Sie mir etwa nicht?“

„Ich habe keinen Grund, an Ihren Worten zu zweifeln“, gab die junge Frau zur Antwort.

„Das sagt Ihr Mund. Ihre Augen sagen etwas anderes.“

Katja lächelte. „Dann entschuldige ich mich für meine Augen.“ Der Kellner brachte die Drinks und zog sich gleich wieder zurück. Katja nahm ihr Glas und fragte: „Darf ich mit Ihnen auf einen schönen, harmonischen Abend anstoßen, Herr Kägi?“

„Nennen Sie mich bitte Urs.“

„Urs.“

Er stieß mit ihr an. „Auf diesen Abend und auf Ihre märchenhafte Schönheit.“

Sie schlug verlegen die Augen nieder. „Ich muss Ihnen ebenfalls ein Geständnis machen, Urs.“

„Nur zu.“

„Auch für mich ist es heute das erste Mal, dass ich …“ Sie unterbrach sich.

Er lachte. „Da hat der Zufall zwei blutige Anfänger zusammengeführt. Ist das nicht verrückt?“ Auch sein „ck“ war sehr prägnant.

Sie tranken, und Urs Kägi erzählte, dass er bis vor einem Jahr verheiratet gewesen war. „Manchmal habe ich meine Frau mitgenommen, wenn ich geschäftlich verreisen musste. Aber auch wenn sie nicht mitkam, konnte sie sich darauf verlassen, dass ich solide blieb. Ich halte nichts von flüchtigen Abenteuern, die von beiden Seiten nicht ehrlich gemeint sind.“

Katjas anfängliche Verkrampfung löste sich. Es schien wirklich nicht nötig zu sein, sich vor dem sympathischen Schweizer in acht zu nehmen.

Kägi schien tatsächlich nur an einem unterhaltsamen Abendessen in netter Gesellschaft interessiert zu sein, ohne jeden Hintergedanken.

Der gute Eindruck, den sie von ihm gewann, ließ sie rasch auftauen. Er hatte gesagt, er wäre bis vor einem Jahr verheiratet gewesen.

Katja fragte ihn behutsam, wieso er nun nicht mehr verheiratet war. Er wurde traurig. „Meine Frau ist vor einem Jahr gestorben“, sagte er dunkel.

„Das tut mir leid.“

„Das Herz“, sagte Urs Kägi. „Es hörte plötzlich auf zu schlagen. Wir saßen beim Frühstück. Auf einmal griff meine Frau sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Brust, sackte zusammen und schon war es vorbei. Ein gnädiger Tod für sie. Ein schwerer Schock für mich.“

„Wie alt war sie?“

„Achtundfünfzig. Sie hat mich viel zu früh verlassen.“

„Haben Sie eine gute Ehe geführt?“

„Es war eine sehr glückliche Ehe“, sagte Urs Kägi ernst.

„Haben Sie Kinder?“

Kägi schüttelte den Kopf und seufzte: „Meine Frau konnte keine bekommen.“

Zwei Frauen und zwei Männer nahmen am Nachbartisch Platz. Einer der beiden Männer sah bei flüchtigem Hinsehen aus wie Dr. Jan Jordan, einer der Assistenzärzte der Paracelsus-Klinik.

Katja überlief es kalt. Großer Gott, wenn es tatsächlich Dr. Jordan gewesen wäre, wäre ihr Doppelleben von kurzer Dauer gewesen.

So etwas konnte jedes Mal passieren, wenn sie mit einem Kunden ausging. Sich vorzunehmen, vorsichtig zu sein, war ein Ding der Unmöglichkeit, denn Katja konnte nie wissen, wohin es einen ihrer Kollegen, einen Pfleger oder eine Schwester verschlug. „Entschuldigen Sie“, sagte Urs Kägi.

„Wie, bitte?“

„Ich langweile Sie mit meiner traurigen Geschichte …“

„Nein“, bestritt Katja Arndt mit Nachdruck. „Nein, das tun Sie nicht. Ich schwör’s. Es tut Ihnen sicher gut, sich mal von der Seele zu reden, was Sie bedrückt.“

Obwohl Katja das sagte, sprach der Schweizer nicht weiter über seine Frau. „Wollen wir uns die Karte bringen lassen?“, fragte er stattdessen. Katja nickte. Kägi gab dem Kellner ein Zeichen, und dieser brachte zwei riesige Karten.

Arztroman Sammelband 8 Romane Februar 2020

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