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Auch die neue Nachricht ging wie ein Lauffeuer durch die Paracelsus-Klinik. Walter Tögel kein strahlender Held, sondern ein gemeiner Verbrecher.

„Wer hätte gedacht, dass sich einer so etwas einfallen lässt?“, sagte Dr. Jordan.

Dr. Donat sagte: „Das hätte ich ihm nie zugetraut.“

Und Schwester Olli meinte: „Bei dem müssen sämtliche Schrauben locker sein.“

Von all dem Ärger bekamen die Patienten zum Glück nichts mit, sonst hätte einige noch im nachhinein das nackte Grauen gepackt. Eine Giftschlange in der Paracelsus-Klinik. Unfassbar.

„Darf ich Barbara heute sehen, Herr Doktor?“, fragte Harald Häussler gepresst.

Der Klinikchef war soeben mit Röntgenbildern unterm Arm um die Ecke gebogen. Er nickte. „Ja, Herr Häussler, heute dürfen Sie zu ihr.“

„Wie geht es ihr?“, erkundigte sich der Reporter mit banger Miene.

„Sie erholt sich langsam.“

„Wenn ich sie verloren hätte...“ Harald schüttelte den Kopf. „Ich, ich weiß nicht, ob ich darüber jemals hinweggekommen wäre.“

Dr. Härtling sah den Reporter ernst an. „Keine Vorwürfe, okay? Sie kann nichts für ihre Kurzschlusshandlung. Wenn Menschen einen großen Schock erleiden, hakt manchmal ihr Verstand aus, so dass sie nicht mehr wissen, was sie tun.“

„Ich werde sehr behutsam mit ihr umgehen“, versprach Harald Häussler.

Als er kurz darauf das Krankenzimmer betrat, in dem die Frau, die er über alles liebte, lag, beschlich ihn ein flaues Gefühl, und eine lästige Schwäche kroch ihm in die Glieder. Ausgerechnet jetzt!

Du musst jetzt Stärke demonstrieren, ermahnte er sich. Nimm dich zusammen. Lass sie nicht sehen, dass du mit ihr leidest, dass du dich fast genauso elend fühlst wie sie. Zeig Optimismus und Zuversicht. Lass sie erkennen, dass sie sich an dir hochziehen kann.

Er trat so leise ein; dass sie ihn nicht hörte. Sie schien mit ihren Gedanken weit fort zu sein. Ihre Handgelenke waren verbunden, und sie war sehr blass.

Erst als er nur noch zwei Schritte von ihrem Bett entfernt war, nahm sie ihn wahr. Langsam drehte sie den Kopf und sah ihn an.

„Harald...“ Ihre Stimme war kaum zu verstehen.

Er zwang sich zu lächeln. „Hallo, Kleines.“

Tränen traten in ihre veilchenblauen Augen. „Es tut mir leid...“

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf.

„Nicht doch;“ Seine Stimme war sehr heiser. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich werfe dir nichts vor.“ Er trat an ihr Bett, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie. „Wie geht es dir?“

Barbara sah ihn nicht an. „Ich schäme mich ja so...“

Harald streichelte liebevoll ihre Wange. „Du kannst nichts für das, was du getan hast, warst nicht bei Verstand.“ Er küsste sie noch einmal. „Ich liebe dich. Ich brauche dich. Sieh zu, dass du so rasch wie möglich gesund wirst.“

Sie schluckte. „Manche Menschen ziehen das Unheil an wie ein Magnet.“

„Ich werde weiteres Unheil von dir fernhalten.“

Sie nahm kraftlos seine Hand. „Ach, Harald. Ich bin so furchtbar schwach. Jeder Schicksalsschlag wirft mich gleich um.“

Er versuchte ihr mit einem zuversichtlichen Lächeln Mut zu machen. „Wir werden gemeinsam stark sein, Liebes. Von heute an, für immer...“

„Weiß Karsten...“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht.“

„Der Junge braucht Hilfe.“

„Wir werden uns seiner gemeinsam annehmen. Wir werden von nun an alles gemeinsam angehen.“

Barbara schloss die Augen. Warum hatte sie die Hilfe dieses wunderbaren Mannes nicht schon viel früher angenommen? Er war immer dagewesen.

Bereit, zu helfen. Aber sie hatte es nicht zugelassen, hatte sich eingebildet, mit allen Schicksalsschlägen, mit Kummer und Schmerz allein fertig werden zu müssen. An dieser Unvernunft wäre sie beinahe zerbrochen.

„Ich habe gestern in eurer Wohnung auf Karsten gewartet“, erzählte Harald Häussler. „Aber er kam nicht nach Hause. Ich konnte einen Therapieplatz für ihn auftreiben. Der Leiter der St. Blasius Stiftung ist ein ehemaliger Schulfreund von mir. Man würde Karsten da aufnehmen.“

„Der Junge hat bestimmt panische Angst vor dem Entzug“, sagte Barbara Wanders.

„Ich habe einen Zettel mit der Bitte, Karsten möge mich zu Hause anrufen, an euren Kühlschrank geklebt“, erzählte Harald Häussler.

„Hat er angerufen?“

„Nein.“

„Ich glaube nicht, dass er es tun wird“, sagte Barbara.

„Ich auch nicht“, sagte Harald. Er schwieg einen Augenblick. Dann fuhr er fort: „Ich war heute Vormittag in der Drogenszene am Karlsplatz, habe Karsten gesucht. Diese Leute sind alle ziemlich verstockt. Keiner wollte mit mir reden. Niemand wollte den Namen Karsten Wanders schon mal gehört haben. Aber mit Geld brachte ich schließlich doch einen dazu, mir ein paar Antworten zu geben.“ Er sah Barbara ernst an. „Dem Jungen scheint es gestern nicht sehr gut gegangen zu sein. Möglicherweise hat er so was wie einen Kollaps erlitten.“ Barbara presste die Lippen fest zusammen. Ihre Nasenflügel bebten.

„Der Bursche, mit dem ich sprach, war nicht ganz da“, sprach Harald Häussler weiter. „Er redete viel wirres Zeug.“

„Ist Karsten auf der Straße zusammengebrochen?“, fragte Barbara unglücklich. „Hat die Polizei ihn...“ Ihre Finger krallten sich in Haralds Ärmel. „Liegt er in irgendeinem Krankenhaus?“

Harald schüttelte den Kopf. „Ein Mädchen hat sich seiner angenommen.“

„Ein Mädchen?“

„Ihr Name ist Corinna Berger.“ Barbara hatte diesen Namen noch nie gehört.

„Sie war eine Zeitlang selbst heroinsüchtig“, erzählte Harald Häussler. „Jetzt ist sie angeblich clean. Sie hat Karsten mit zu sich nach Hause genommen. Ich werde nachher zu ihr fahren und mit ihm reden, wenn er noch da ist.“

„Fahr sofort“, sagte Barbara drängend. „Bitte, bitte fahr sofort.“

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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