Читать книгу Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane - A. F. Morland - Страница 162

34

Оглавление

„Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte Corinna Berger. „Die lassen dich nicht durch die Hölle gehen.“

Karsten Wanders nagte nervös an der Unterlippe. „Man kriegt Methadon, hab’ ich gehört“, sagte er heiser. „Es wirkt langsamer als Heroin, macht aber ebenfalls abhängig.“

„Mir haben sie Naltrexon gegeben“, erzählte Corinna. „Das ist ein neueres Entwöhnungsmittel. Es ist nicht suchterzeugend und wirkt, indem es die Opiatrezeptoren blockiert und somit ein ‘High-Werden' verhindert.“

„Und damit haben sie dich von der Nadel runter geholt?“

Corinna nickte lächelnd. „Mit Erfolg, wie du siehst.“

„Wie lange bist du schon clean?“, wollte Karsten wissen.

„Fast ein Jahr.“

„Und hast du nie mehr...“

„Ich habe mein Leben wieder im Griff, habe einen Job, der mir gefällt...“

„Was machst du?“, erkundigte sich Karsten Wanders.

„Ich schreibe Werbetexte“, gab Corinna Berger zur Antwort. „Ich bin raus aus der Drogenszene, habe einen neuen Freundeskreis gefunden und gelernt, Schicksalsschläge auch ohne Rauschgift zu bewältigen.“ Nicht mehr drücken zu müssen... Gott, wäre das schön gewesen. Nicht mehr Sklave dieses grausamen Dämons, frei in allen Entscheidungen, nicht mehr abhängig von diesen trügerischen Hochgefühlen und gesund zu sein...

Aber da war die Angst, dass es doch nicht so leicht sein würde, wie Corinna es darstellte. Und wenn er sich erst mal in den Händen dieser Therapeuten befand, musste er da auch durch. Dann gab es kein Zurück mehr für ihn.

„Du musst dich selbst entscheiden“, sagte Corinna Berger. In der Kochnische pfiff der Teekessel. Sie stand auf und drehte den E-Herd ab. „Ich werde dich zu nichts überreden. Könnte ich auch gar nicht“, sagte sie, während sie das heiße Wasser über Pfefferminzblätter goss, die sich in einem Sieb befanden. „Ich fände es nur schade, wenn du diese Talfahrt fortsetzen würdest.“

Sie stellte zwei Teetassen auf den Tisch und eine Schale mit braunem Kandiszucker daneben.

Sobald der Tee etwas abgekühlt war, trank Karsten einen Schluck, und eine angenehme Wärme füllte seinen Magen. „Wie fühlt man sich, wenn man es hinter sich hat?“, wollte er dann wissen.

„Stark“, sagte Corinna. „Wie neugeboren. Deine Gedanken kreisen nicht mehr pausenlos darum, wie du das Geld für den nächsten Schuss auftreibst. Du bist stolz auf dich, weil du’s geschafft hast, bist high, ohne gedrückt zu haben.“

Karsten trank wieder. „Schmeckt sehr gut, dein Tee.“

„Möchtest du etwas essen?“, fragte Corinna.

„Ich habe keinen Appetit.“ Corinna nickte. „Das kenne ich.“ Karsten betrachtete sich. „Dieser Pullover... Du hast gesagt, er gehört deinem Ex-Freund...“

„Ich hab’ hier noch ein paar Klamotten von ihm herumliegen“, sagte Corinna.

„Will er sie nicht wiederhaben?“, fragte Karsten.

„Er ist nach Südamerika gegangen“, sagte Corinna Berger. „Macht Trecking-Touren mit abenteuerlustigen Urlaubern, die was Tolles erleben möchten.“

„Wie ist sein Name?“

„Kurt Moser.“

„Hast du ihn geliebt?“

Corinna schob die Teetasse vor sich hin und her. „Ich hab’s eine Zeitlang für Liebe gehalten, aber als er Schluss machte, hat’s überhaupt nicht weh getan. Im Gegenteil. Ich war erleichtert, dass es vorbei war.“

„Warum hast du seine Klamotten noch nicht weggegeben?, fragte Karsten Wanders.

Corinna schmunzelte. „Vielleicht wusste ich, dass ich sie noch brauchen würde.“

Es klopfte. Karsten zuckte zusammen. „Wer ist das?“

„Keine Ahnung.“

„Erwartest du Besuch?“

Corinna schüttelte den Kopf. „Nein.“ Sie stand auf, ging zur Tür und öffnete sie. Draußen stand ein großer, gutaussehender Mann um die Vierzig. Sie kannte ihn nicht. „Ja, bitte?, sagte sie reserviert.

„Corinna Berger?“

„Und wer sind Sie?“, fragte sie zurück.

„Mein Name ist Harald Häussler. Ist Karsten Wanders bei Ihnen?“

„Warum?“

„Ich bin ein Freund und Kollege seiner Mutter. Ich muss mit ihm reden. Es ist wirklich sehr wichtig.“ Corinna überlegte kurz, dann gab sie die Tür frei. „Kommen Sie herein.“

Harald Häussler betrat die kleine, saubere Wohnung. Er sah den Jungen und nickte ihm zu. „Hallo, Karsten.“

Karaten Wanders sah ihn überrascht an. „Wie haben Sie mich gefunden?“ Der Reporter lächelte. „Ich habe vielen Leuten viele Fragen gestellt. Die meisten waren unergiebig. Aber einer...“ Er zuckte mit den Schultern. „Er brauchte Geld, wir machten ein Geschäft. Und nun bin ich hier.“

„Setzen Sie sich“, sagte Corinna Berger. „Möchten Sie auch einen Pfefferminztee?“

Harald Häussler lehnte dankend ab. „Corinnas Tee schmeckt hervorragend“, sagte Karsten. „ Sie sollten ihn probieren.“

„Ein andermal“, sagte Harald Häussler ernst. „Karsten...“ Er atmete schwer aus. „Deine Mutter liegt in der Paracelsus-Klinik.“

„Schon wieder?“ Karstens Stimme zitterte.

„Sie hat nach eurer gestrigen Auseinandersetzung. ..“

„Was?“, krächzte Karsten. „Was hat sie getan?“

„Sie hat versucht, sich das Leben zu nehmen.“

Karsten schlug die Hände vors Gesicht. „O mein Gott.“

„Sie ist inzwischen über'n Berg“, sagte Harald Häussler beruhigend.

„Meinetwegen“, schluchzte der Junge. „Sie wollte sich meinetwegen...“ Er weinte herzzerreißend.

„Sie ist in großer Sorge um dich“, sagte Harald Häussler eindringlich. „Ich habe ihr versprochen, dir zu helfen, aber das funktioniert nur, wenn du dir von mir auch helfen lässt.“ Er erzählte von seinem ehemaligen Schulfreund, der jetzt die St. Blasius Stiftung leitete.

„Da war ich“, warf Corinna ein. „Zur Entwöhnung. In der St. Blasius Stiftung.“

War dieser Zufall ein Wink des Schicksals? Karsten Wanders deutete ihn als solchen, und plötzlich stand für ihn fest: Wenn Therapie, dann in der St. Blasius Stiftung, denn dort hatte Corinna es geschafft, und dort konnte vielleicht auch er es schaffen.

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

Подняться наверх