Читать книгу Extra Krimi Paket Sommer 2021 - A. F. Morland, Pete Hackett - Страница 18

XI.

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Schippel hatte Durchfall, ganz ordinären, brutalen Dünnschiss, der einfach nicht aufhören wollte. Alle halbe Stunde packte ihn der Krampf, dann konnte er nur noch wie ein Verrückter aufs WC rasen und beten, dass nicht alle Kabinen besetzt waren. Von Mal zu Mal, so bildete er sich ein, wurden die Schmerzen schlimmer, so was hatte er noch nicht erlebt. Schuld war natürlich dieses verdammte Kraut, er hätte nach der ersten Portion, die wie hart gewordene Essiggurken schmeckte, ablehnen sollen, aber Kitty platzte fast vor Stolz über ihren kulinarischen Frevel. Selbst eingelegt, selbst gewürzt, selbst gesäuert, schmeckte es ihm etwa nicht? Nein, hätte er am liebsten gebrüllt, doch feige, wie er war, hatte er geschwiegen und Bier nachgeschüttet, um diese magenzerfressende Säure zu neutralisieren. Nein, nicht nur feige, zum ersten Mal hatte sie ihn in ihre Wohnung eingeladen und natürlich hatte er sich mehr erhofft als Bier und Essig. Ihr schien es nichts auszumachen, ihr Magen bestand wohl aus - um Himmels willen, es ging schon wieder los!

Pfefferminztee und trockener Zwieback. Wenn er aufstieß, fühlte er, wie es ihm die Speiseröhre spaltete. Im Bett waren sie nicht gelandet; als Schippel ihre Bluse aufknöpfte, bekam sie Migräne. Wozu also das Opfer? Sterbensübel hockte er auf dem Klo und schwor sich, Kitty aufzugeben. So gut konnte sie im Bett gar nicht sein, um diese Qualen zu rechtfertigen.

Und die Scheißkantine hatte natürlich noch geschlossen.

Lauwarmer Tee und Zwieback. Davon hing jetzt sein Überleben ab. Er musste raus aus dem Bau, zum Teufel mit dem Computer, wo war das nächste Geschäft?

Den ersten Zwieback erbrach er umgehend. Und dieser Durst! Eine mitleidige Seele organisierte ihm den Schlüssel für das Krankenzimmer, beim dritten Versuch behielt er Tee und Zwieback bei sich und schlief vor Erschöpfung auf der Liege ein.

Gegen 15 Uhr wankte er wieder in sein Zimmer, hockte sich an seinen Schreibtisch, den Kopf auf beide Fäuste gestützt, und stierte vor sich hin. Der Griff nach der Tastatur zählte zu den unbekannt gebliebenen Heldentaten des männlichen Geschlechts. Achtzig Meldungen waren aufgelaufen und die Anfrage nach Zinneck, Charlotte und Zinneck, Hans hätte er beinahe überlesen.

Pertz schluckte und atmete dreimal tief durch, bis er wieder mit normaler Stimme fragen konnte: »Wann ist die Anfrage eingelaufen?«

»Um 8.06 Uhr.«

»Und das erfahre ich erst jetzt?«

Schippel wollte zu einer Erklärung ansetzen, aber ein gütiges Geschick bewahrte ihn vor diesem Fehler, deshalb schwieg er. Nachdem Jockel Pertz wortlos aufgelegt hatte und nur stumm über die Kooperation von Bundesnachrichtendienst und Bundeskriminalamt fluchte, rief Schippel Kitty an und sagte unter einem Vorwand ihre Verabredung ab.

Montag, 25. September

Seit Sonnenaufgang regnete es, staubfeiner Niesei schwebte herab, genug, um die Windschutzscheibe zu verschmieren, zu wenig, um die knarzenden Scheibenwischer ruhig zu stellen. Es war empfindlich kühl geworden, was Rogge in einem Punkt nicht störte, seine Sommerhosen und -jacketts hatten in den beiden vergangenen Wochen heftig gelitten und mussten irgendwann ersetzt werden; allein bei dem Gedanken an Geschäfte und Anproben und Umkleidekabinen schauderte Rogge. Altbier und Samtkragen verursachten keinen schweren Kopf, erst recht nicht auf der Grundlage von Gundas hervorragenden Buletten und Bratkartoffeln, und auch Kili, der schon seit sieben Uhr an seinem Schreibtisch hockte, hatte den mäßigen Exzess gut überstanden.

In der Semperstraße parkte Rogge drei Häuser vor der Bäckerei Krone. Als er das Geschäft betrat, warf Inge Weber ihm einen beunruhigten Blick zu, offenbar verriet sein Gesicht seine Spannung.

»Guten Morgen, Herr Rogge.«

»Guten Morgen. Können wir uns einen Moment ungestört unterhalten?«

»Ja, kommen Sie.«

Zwischen Geschäft und Backstube lag ein schmaler Raum, voll gestellt mit Schränken, einem langen Tisch und Stühlen; Inge Weber setzte sich und starrte ihn an.

»Ich glaube, ich habe etwas herausgefunden.«

»So?«

»Sagt Ihnen der Name Zinneck etwas?«

»Zinneck«, wiederholte sie gedehnt. »Nei...ein.«

»Charlotte.«

Sie überlegte, die Stirn vor Konzentration gerunzelt. »Nein«, murmelte sie schließlich und forschte in seinem Gesicht: »Müssten denn beide Namen ...«

»Ich bin mir ziemlich sicher, Sie heißen Charlotte Zinneck.«

»Charlotte Zinneck.« Sie flüsterte die beiden Wörter und ihre Blicke irrten umher. »Charlotte Zinneck - Herr Rogge, ich muss Sie enttäuschen, das sagt mir gar nichts.«

»Keine Erinnerung, keine schwache Ahnung, das merkwürdige Gefühl, man müsste sich an etwas erinnern, aber käme bloß nicht drauf?«

Ihm zuliebe strengte sie sich an, aber als ihre Lippen hilflos zu zittern begannen, erhob er sich mit einem Zentnergewicht auf den Schultern. Den Fehlschlag hatte er nicht erwartet und sie schaute ihn flehend an, als bitte sie um Entschuldigung dafür, dass sie ihm nicht helfen konnte.

»Können Sie heute Nachmittag, nach Ihrem Dienst, zu mir ins Präsidium kommen?«

»Ja, natürlich. Gegen fünf, ja?«

»Dann erzähle ich Ihnen die ganze Geschichte.«

»Ja - ja - um fünf — ich muss Achim anrufen«, murmelte sie verwirrt. Sie war durcheinander, seine Erregung hatte sie angesteckt, und als sie ihm die Hand hinstreckte, kämpfte sie mit den Tränen.

Die Montagskonferenz hatte schon begonnen, als Kogge ins Präsidium kam, und Hertha legte den Kopf schräg: »Ist das nicht ärgerlich? - Nun haben Sie schon wieder diese schöne Versammlung versäumt.«

»Lieber eine Tasse Kaffee als zwei Stunden Konferenz«, flachste er sie an.

»Schon recht, aber wenn ich an die Kaffeekasse denke ...«

»Sie sollten Kassiererin bei der Mafia werden.«

»Hier fühle ich mich sowieso wie bei der Mafia«, entrüstete sie sich und er zückte ergeben sein Portemonnaie.

Kili lobte Gunda in den höchsten Tönen, ihre Buletten etwas weniger, und erwähnte nur höflichkeitshalber die Kombination von Altbier und Samtkragen, einen klaren Schnaps, auf den so vorsichtig ein dunkelroter Magenbitter gegossen wurde, dass er auf der Oberfläche des Klaren schwamm und einen Kragen bildete.

»Wie alt ist Gunda eigentlich?«, fragte Kili sehr beiläufig und Rogge grinste breit. Daraus machte sie ein Geheimnis, Rogge kannte ihr Geburtsdatum allerdings aus den Akten, und als Gunda ihn eines Abends direkt anhaute: »Stört es dich, dass ich vorbestraft bin?«, hatte Rogge geantwortet: »Wäre ich dann hier?«

»Gunda meint ganz zu Recht, man sei nur so alt, wie man sich fühle.«

»Dann steckt sie wohl noch in der Pubertät«, murrte Kili, der gestern Abend heftig mit ihr geflirtet hatte, was Rogge naserümpfend missbilligt, aber nicht gerügt hatte. Die zierliche aschblonde Gunda war hübsch und schien sanften Gemütes zu sein, hatte eine hinreißende Figur und liebte enge Kleider, bei denen sie oben und unten an Stoff sparte; alle drei Eigenschaften hatten Kili wohl daran erinnert, dass seine Jasmin gerade bei Kerzenlicht mit einem anderen Mann schäkerte, wenn nicht noch mehr, und Gunda hatte seine Komplimente mehr geduldig denn erfreut ertragen.

»Es wird sie begeistern zu hören, dass du sie für einen albernen Teenager hältst. Was macht unser Fall?«

»Alles aufs Gleis geschoben, Chef.« Anfragen in Hamburg, bei den Kollegen und der Einwohnermeldestelle, beim BKA, beim Kraftfahrzeugbundesamt, bei den Autoversicherungen. Zentraler Abgleich mit den Vermisstenmeldungen lief noch; dass Hans Zinneck seine Frau - Schwester? - Charlotte nicht als vermisst, verschwunden angezeigt hatte, ließ sich am einfachsten dadurch erklären, dass ihm ebenfalls etwas zugestoßen war. Aber beim BKA geriet jede Anfrage in die große Warte-und Kontrollschleife vor den zentralen Computern.

»Schon was aus Herlingen gehört?«

»Nein, sie drehen Benno noch durch die Mangel.«

Bis zum Mittag saß Rogge vor dem Computer und verfasste seinen zweiten langen Bericht. Diesmal wurde er häufiger gestört, die Mannschaft wollte sich vergewissern, dass er wieder an Deck war, und wie aus heiterem Himmel wuchsen die bekannten und ungeliebten Aktenstapel auf seinem Schreibtisch.

In der Kantine winkte ihm Simon zu, der natürlich das Gras hatte wachsen hören. Rogge berichtete ihm in groben Zügen, was sich ereignet hatte. Sie saßen allein an dem großen Tisch, es gab nur wenige Kollegen, die sich freiwillig zu dem Kriminalrat gesellten. Zudem kultivierte Simon eine fiese Technik, jeden niederträchtig anzugrinsen, der auf den Tisch zusteuerte.

»Gute Arbeit, Herr Rogge«, urteilte Simon endlich anerkennend. »Mit Grem hätte keiner aus dem Dorf so offen gesprochen.«

»Mit Wibbeke auch nicht«, fügte Rogge hämisch hinzu. So billig ließ sich ein erfahrener Hauptkommissar auch von einem durchtriebenen Vorgesetzten Kriminalrat nicht abspeisen; daher war ohne Worte ausgemacht, dass Simon eines nicht mehr allzu fernen Tages beichten musste, warum er Grem den Fall weggenommen hatte.

»Übrigens - kein Wort an die Pressestelle«, setzte Simon beiläufig hinzu.

Nach einer Minute bejahte Rogge nachdenklich.

Um fünf Uhr war Rogge halbwegs auf dem Laufenden, um sechs hielt er es nicht mehr aus. In der Bäckerei Krone versicherte man ihm, dass Inge Weber kurz nach vier fortgegangen sei. In ihrer Wohnung hob niemand das Telefon ab.

Hinter Schönborn musste er hertelefonieren, der sein Misstrauen nicht verhehlte, aber versprach, Inge Weber zu suchen.

Um sieben Uhr rief Schönborn zurück: »Nein, sie ist nicht bei mir und nicht in ihrer Wohnung. Auch nicht bei den Nachbarn.«

»Scheiße«, fluchte Rogge aus tiefstem Herzen.

»Was soll das heißen?«

»Ich habe ihr heute Morgen erzählt, wie sie richtig heißt, und prompt ist sie abgehauen.«

Darauf schwieg Schönborn so lange, dass Rogge den Hörer auflegte.

Simon krächzte ins Telefon: »Soll ich jetzt behaupten, ich sei völlig erschüttert?«

»Nein, aber wenn Sie genau diese Reaktion befürchtet haben, hätten Sie mir einen Tipp geben müssen.«

»Diese Reaktion habe ich nicht - ich wiederhole: nicht - befürchtet.«

»Und was machen wir jetzt?«

»Eine Nacht darüber schlafen. Was denn sonst!?«

Weil eine Hiobsbotschaft sich immer so einsam fühlt, schlich Kili in Rogges Zimmer, als solle ihm der Kopf abgerissen werden: »Absolute Fehlanzeige. Zinneck, Hans und Charlotte sind im vorigen September nicht in Hamburg gemeldet gewesen. Es gibt keine Vermisstenmeldung auf den Namen Hans oder Charlotte Zinneck. Im vorigen Jahr ist in Hamburg kein Auto auf einen der Namen angemeldet gewesen. Eine Diebstahls-oder Verlustmeldung für den BMW liegt auch nicht vor.«

»Mahlzeit!«

Damit war das Maß noch nicht erfüllt, Wibbeke rief an und räusperte sich umständlich: »Alles Scheiße.«

»Hier auch.«

»Wir haben Benno Brockes freilassen müssen.«

»Das darf nicht wahr sein!«

»Über Mittag wollte er plötzlich einen Anwalt. Was sollten wir machen? Er gibt den Diebstahl dieses BMWs zu. Aber er leugnet stur, dass er auf Sie geschossen hat, und das Labor will sich mit dem Gewehr nicht festlegen.«

»Hat Benno denn für die Nacht ein Alibi?«

»Nein. Er behauptet, eigentlich sei er mit Andrea Wirksen verabredet gewesen, die habe auch auf ihn in seiner Hütte gewartet, aber weil er was getrunken hatte, gab’s Streit und sie rauschte beleidigt wieder ab.«

»Und der Anwalt hat Ihnen daraufhin auseinander gesetzt, dass Benno geständig sei und einen festen Wohnsitz habe, geregelter Arbeit nachgehe und wahrscheinlich auch nicht vorbestraft sei ... Ach, verdammt, Herr Wibbeke, das kotzt mich alles an.«

»Ich tanze auch gerade vor Begeisterung auf dem Tisch«, erwiderte Wibbeke kleinlaut. »Bericht folgt. Tut mir Leid, Herr Rogge, mehr war nicht drin.«

Gegen neun Uhr rief Rogge noch einmal Schönborn an, der ihn bestürmte, alles zu erzählen; Rogge vertröstete und überredete ihn, nicht aus dem Haus zu gehen; vielleicht meldete sich Inge ja noch bei ihm.

Kili warnte: »Lass das lieber sein, Chef.«

»Was habe ich denn vor?«

»Du willst dich in der Wohnung dieser Weber oder Zinneck umsehen und Schönborn soll dir nicht in die Quere kommen.«

»Und genau davon wirst auch du mich nicht abhalten.«

»Dann vergiss das kleine Erste-Hilfe-Päckchen nicht!«

In dem scheußlichen Hochhaus Wilhelmstraße 37 wohnten einundsiebzig Parteien, wahrscheinlich alles Zwerge, nach der Größe der Wohnungen zu schließen. Auf dem nackten Beton hatten sich rostbraune Streifen gebildet, die Platten des Gehwegs waren eingesunken, Rogge balancierte und sprang über große Pfützen. Ein älterer Mann schlurfte von den Müllcontainern heran und hielt ihm die Haustür auf, hier kannte kein Mieter alle anderen.

»Danke«, brummte Rogge. »Läuft wenigstens die Heizung?«

»Nee, woher denn! Erst ab 1. Oktober, keinen Tag früher, diesen Hausmeister könnte ich in die Mülltonne stopfen.«

Mit dem Aufzug fuhr Rogge in den achten Stock und ging leise eine Treppe hinunter. Dank der dünnen Wände bekam er mit, dass die meisten Mieter in ihren Wohnungen waren. Inge Webers Wohnung lag am Ende des Flures, im Vorbeigehen studierte Rogge die Türschlösser, nicht schlecht, aber auch nicht wirklich schwierig. Er lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand und schob den Stahlstreifen mit dem Haken in das Sicherheitsschloss, ganz durch, eine halbe Drehung, zurückgezogen, Widerstand auf Marke zwei, noch mal das Ganze, auch Marke drei besaß eine Zylinderkerbung, zwei rechts, drei rechts, fünf links. Sechs eine Hohlkehle. Auf dem Dietrich stellte Rogge die Zacken ein, bis jetzt war noch kein Mieter auf dem Flur erschienen, jawohl, das gute Stück passte, Rogge drehte vorsichtig, das Schloss knackte, die Tür war offen. Wenn die Leute wüssten, wie leicht man Türen aufschließen konnte ...

Drinnen verschnaufte Rogge erst einmal in der dunklen Diele, für einen erfolgreichen Einbrecher besaß er einfach nicht die nötigen Nerven. Oder nicht genügend Übung. Er tastete nach dem Lichtschalter, drückte und taumelte vor Schreck, die berühmten Sterne funkelten und wirbelten vor seinen Augen.

Die beiden Männer standen regungslos vor ihm, hatten höfliche, glatte, nichts sagende Gesichter aufgesetzt und richteten ihre Pistolenläufe auf seinen Bauch. Als Rogge wieder nach Luft schnappen konnte, pochte sein Herz schmerzhaft gegen die Rippen. Zwei Profis. Sie trugen Plastikhandschuhe und hatten eng schließende Kappen über die Haare gestülpt, wie die Chirurgen im Fernsehen. Denn aus Haaren ließ sich in der Tat viel rekonstruieren. Dann senkte der Hauptkommissar den Blick auf die Waffen und spürte noch einmal, wie ihn der Schwindel erfassen wollte. Zwei Heckler & Koch, mit hülsenloser Munition, Rogge kannte die Pistolen bisher nur von Bildern.

»Umdrehen!«, befahl der eine. Er hatte eine hohe Stimme. Der andere trat neben den Beamten und filzte Rogge gekonnt, Dienstwaffe, Ausweise, Dietriche. Derweil war der erste zur Seite getreten, keine Chance zu einem Überraschungsangriff und seine zitternden Knie warnten Rogge auch, dass er dazu keine Energie mehr besaß.

»Sie können sich wieder umdrehen.«

Wenn sie von dem Dienstausweis eines Hauptkommissars überrascht waren, ließen sie sich das jedenfalls nicht anmerken. Zwei ordentlich gekleidete Männer, Mitte bis Ende dreißig, beide groß und sportlich, eiskalt und geübt.

»Wir gehen ins Wohnzimmer«, entschied der andere. Er hatte eine tiefe Stimme und sprach mit einem Hauch von Dialekt.

Als Rogge sie mit seiner Manipulation am Türschloss aufgescheucht hatte, hatten sie schon zur Hälfte erledigt, weshalb Rogge gekommen war, doch sie verstanden ihr Handwerk und wussten, wie man eine Wohnung systematisch und gründlich durchsuchte, ohne ein Chaos zu hinterlassen.

»Ziehen Sie bitte Ihre Jacke und Ihre Hose aus, auch die Krawatte.«

Das Bitte entmutigte ihn regelrecht und deshalb gehorchte er, ohne zu fragen, was sie mit ihm vorhatten.

»Ins Schlafzimmer.«

Verdammt, sie waren noch kaltblütiger, als Rogge befürchtet hatte. Der eine kramte schon in dem Pilotenkoffer, sie hatten an alles gedacht und waren auf alles vorbereitet, und ob sie nun Inge Weber oder ihn ins Reich der Träume beförderten, bereitete ihnen kein Kopfzerbrechen.

»Leiden Sie an Bluthochdruck? - Diabetes? - Nehmen Sie kreislaufstärkende Mittel oder etwas zur Blutverdünnung?«

»Nein«, sagte er erschöpft, und das war tatsächlich das erste Wort, das er herausbrachte. »Sie können mich unbesorgt schlafen schicken.«

»Etwa acht Stunden«, nickte der mit der tiefen Stimme.

Rogge rollte den Hemdsärmel hoch und der Knabe setzte die Spritze sehr geschickt, er hatte Übung, hielt sogar Tupfer und Pflaster bereit. Der andere beobachtete Rogge unverwandt, jede Sekunde auf einen Täuschungs- und Ablenkungsversuch vorbereitet. So, wie er sich benahm, würde er erst schießen und sich dann nach der vermeintlichen Gefahr umdrehen. Deshalb legte Rogge sich ohne Sträuben ins Bett und deckte sich zu, der Spritzenmensch öffnete sogar das Fenster einen Spalt weit. Was für nette, fürsorgliche Zeitgenossen! Rogge hätte schon gerne gefragt, für wen sie arbeiteten, aber er wusste, dass sie nicht antworten, nicht einmal über ihn lachen würden. Sehr schnell wurde sein Arm etwas taub, eine seltsame Schwäche wallte durch seinen Körper, erreichte seinen Kopf, löschte alles aus,

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