Читать книгу Liebeswirren auf der Bergalm: Roman Paket 9 Heimatromane - A. F. Morland - Страница 19
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Jetzt, wo das junge Mädchen alles über den Mann und seine Vergangenheit wusste, war es selbstverständlich, dass sie ihn auf ihre Art und Weise vor der Frau schützen wollte. Sie sah doch, wie er unter diesem schrecklichen Wesen Sonjas litt, wie er immer stiller und demütiger wurde. Manchmal hätte sie ihn am liebsten bei den Schultern gepackt und ihm zugerufen: So wehr dich doch endlich, schlag zurück. Lass es dir doch nicht bieten!
Lilly begann um diesen Mann zu leiden, ihr eigener Kummer trat dabei völlig in den Hintergrund. Aus Mitleid und Fürsorge wurde dann eines Tages auch noch Liebe. Weil er so selbstlos war, musste man ihn doch lieben. Zu Anfang erschrak sie mächtig und hielt sich für eine Weile von ihm fern, aber er war wie ein Magnet, lange hielt sie diesen Zustand nicht aus. Und dann mussten sie ja immer zusammen sein. Jede Arbeit wurde doch fast gemeinsam ausgeführt. Sie konnte sich doch jetzt nicht einfach zurückziehen, das wäre doch aufgefallen.
Lilly Eibensteiner magerte ab und grämte sich. Wie kann ich ihm nur das Leben schöner gestalten, fragte sie sich immer wieder. Soll ich zu ihr hingehen, ihr sagen, sie soll endlich aufhören, mit bösen Worten um sich zu werfen. Sie tun doch so weh!
Das junge Mädchen hatte sehr lange versucht, sich in die Lage der Frau zu versetzen. An alles dachte sie, und immer wieder kam sie zu dem Schluss, dass Sonja eigentlich noch dem Schicksal dankbar sein müsse. Aber sie war es nicht.
Sonja selbst war eine Frau, und sie fühlte sehr wohl, dass das junge Mädchen Ignaz zu lieben begann. Sie brauchte sie ja nur zu beobachten, an ihren Augen konnte sie stets die Stimmung ablesen.
Und dieser Dummkopf, dachte sie bei sich, merkt es noch nicht mal. Nun, das soll mein Vorteil sein. Einige Zeit beobachtete sie die Kleine sehr scharf. Aber weil Lilly so aufrichtig war, wusste sie, dass sie nie etwas sagen würde, ja, sie hatte sogar sehr große Angst, Ignaz möge etwas von ihren Gefühlen erfahren.
Sonja hatte alles versucht, Ignaz zur Verzweiflung zu bringen. All die Jahre war es ihr nicht geglückt. Seit diese Kleine hier im Haus weilte, hatte er jetzt so etwas wie eine unsichtbare Wand zwischen sie geschoben. Sie konnte ihn nicht mehr so verletzen wie früher.
Aber jetzt wusste sie, dass sie alles anders machen musste, sie musste die Kleine quälen. Wenn Ignaz das sah, würde er bestimmt durchdrehen und endlich die Dummheit begehen, auf die sie schon so lange wartete.
Immer wenn ihr Blick aus dem Fenster auf die Bergwelt fiel, dann krümmte sie sich vor Hass. Sie fühlte sich eingeengt wie in einem Kerker. Sie konnte einfach nicht verstehen, wie andere Menschen bei diesem Anblick in Begeisterungsstürme ausbrechen konnten.
Ganz vorsichtig ging sie zu Werke, und sie passte sehr gut auf, dass nicht zufällig Ignaz in der Nähe war. Sie war wie eine Spinne, die in ihrem Netz hockt, reglos und dann blitzschnell auf ihr Opfer einschlägt.
Lilly war völlig ahnungslos. Sie wusste ja nicht, dass man in ihren Augen wie in einem Buch lesen konnte.
An diesem Nachmittag stand sie in der Küche und knetete den Teig für das Brot. Sie tat die Hausarbeit gern, und sie dachte sich auch immer wieder neue Rezepte aus. Wenn man genug zur Verfügung hatte, dann konnte man mit Lust und Liebe kochen, nicht wie bei der Mutter, wo man oft aus dem Nichts eine Suppe herbeizaubern musste.
Sonja stand auf ihren Krücken da und starrte sie an. Lilly krümmte sich innerlich und hoffte nur, sie würde bald wieder gehen.
Und dann schlug Sonja zu.
»Wenn du glaubst, du kriegst ihn herum, dann irrst du dich gewaltig«, sagte sie lachend. Es war ein falsches Lachen, und Lillys Ohren taten weh.
Sie hörte auf zu kneten und drehte sich langsam herum.
»Was willst du?«, fragte sie spröde.
»Er wird nicht wagen, mir die Scheidung anzutragen, weil er einen Skandal hasst, und er ist ein Schlappschwanz, er wird nicht mal versuchen, darum zu kämpfen«, höhnte sie.
Lilly wurde leichenblass. Das Herz ging in unregelmäßigen Stößen.
»Was willst du damit sagen?«
Sonja lächelte. »Glaubst du, ich bin so dumm und merke nicht, dass du eine läufige Katze bist, dass du hinter ihm her bist? O ja, ich weiß es schon die ganze Zeit. Na, habt ihr zwei schon zusammen im Stroh gelegen? Im Bett wagt ihr es ja wohl nicht, dazu hat er den Mut nicht.«
Die Liebe zu Ignaz war für sie das Höchste und Reinste. Als man sie jetzt in den Schmutz zerrte, mit Füßen darauf trat, alles so schmutzig und gemein erscheinen ließ, da glaubte sie einen Augenblick, zusammenbrechen zu müssen. Sie wollte ihr zuschreien, hör auf, hör doch endlich auf. Aber sie tat es nicht. Reglos stand sie am Tisch und kämpfte mit den Tränen. Sie wusste es also schon. Oh, wie gemein sie doch war! Schon lange liebte sie ihn nicht mehr, aber sie gab ihn auch nicht frei.
Sonja kam näher.
»Ja, ich gebe ihn nicht frei, jetzt weißt du es. Ich tu es nicht, hörst du, nie! Du kannst warten, bis du schwarz wirst, er wird mein Mann bleiben, bis zum letzten Augenblick. Alles wird so bleiben wie jetzt. Ich werde Siegerin bleiben, du wirst schon sehen, ich bleibe Siegerin.«
Das war einfach zu viel für das junge Mädchen. Sie nahm ihr Schultertuch und rannte davon. Sie musste fort in die Einsamkeit, nicht mehr bei dieser schrecklichen Frau sein.
Ignaz sah, wie sie über den Hof rannte, die Wiese und dann zum Hochwald. Neben dem kleinen Grab ließ sie sich nieder. Sie setzte sich auf einen Ast und stöhnte furchtbar auf.
»O mein Gott«, weinte sie vor sich hin, »ich halt das nicht mehr aus. Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende.«
Sie weinte so bitterlich, wie sie schon lange nicht mehr geweint hatte.
Ich gehe fort, ich muss fortgehen. Um ihn nicht noch mehr zu quälen, muss ich fortgehen. Ich muss sehen, wie ich zurechtkomme. Irgendwie werde ich es schon schaffen, ich muss es einfach schaffen. Vielleicht finde ich unten in Eichberg eine Stellung, dann kann ich ihn hin und wieder noch sehen. Mein Gott, ich habe noch nie so sehr geliebt wie jetzt! Weil ich ihn so hebe, muss ich dieses Opfer bringen. Ich darf jetzt nicht an mich denken. Wenn sie alles weiß, so wird sie ihn auch mit diesem Wissen zu quälen versuchen. Und er ist doch unschuldig. Ich werde ihn nicht anblicken können, wenn ich weiß, er kennt meine Gefühle. Vor Scham müsste ich in den Boden sinken.
Wieder hörte sie die schrecklichen Worte der Frau. Hier oben in der Einsamkeit, da war alles noch viel grauenvoller. »Bis zum letzten Augenblick bleibe ich Siegerin, du wirst schon sehen, ich bleibe Siegerin!«
Lilly starrte auf die Berge. Sie gaben ihr immer wieder Mut und Trost. Wie ein Mühlrad drehten sich ihre Gedanken im Kopf herum. Und wie sie so dasaß, verzweifelt, einsam, so schrecklich verlassen, wie damals in der Nacht, da auf einmal ging ihr ein Licht auf. Jetzt begriff sie die ganze schreckliche Wahrheit, sie wusste jetzt, was Sonja vorhatte! ,Bis zum letzten Augenblick!’
Sie gab ihn nicht frei, weil sie ihn vielleicht noch liebte oder es einfach nicht dulden wollte, dass er glücklich wurde, während sie gelähmt blieb, nein, sie wollte ihn vernichten, vollkommen vernichten. Sie wollte ihn in den Abgrund treiben, er sollte umkommen, um so an sein Vermögen zu gelangen. Sie wollte Siegerin bleiben!
Lilly erschauerte! Gab es das wirklich? So schreckliche Menschen? Die einem anderen den Tod wünschten?
»O mein Gott!«
Sie legte die Hände vor das Gesicht. Jetzt begriff sie alles! Darum ihre hohnvollen Worte. Mit allen Mitteln ging sie zu Werk. Sie also war so etwas wie ein Rammbock vor Ignaz. Sonja wollte sie fortjagen, damit er ihr wieder schutzlos ausgeliefert war. Beinahe wäre ich auch darauf hereingefallen, dachte sie bitter. In meiner eigenen Not habe ich einen Augenblick nur an mich gedacht. Aber zum Glück sind mir noch rechtzeitig die Augen geöffnet worden. Ich weiß nicht, was sie vorhat. Aber jetzt weiß ich, dass sie ihn töten will. Irgendwie! Ich muss ihn also schützen. Und sie dachte zuerst, soll ich es ihm sagen, ihn warnen? Aber zugleich wusste sie auch, dass sie keine Handhabe hatte. Sie hatte keine Beweise. Nein, diese musste sie erst noch sammeln.
Ich werde bleiben und aufpassen. In mir hat sie eine starke Gegnerin. Ich werde ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Ich werde um ihn kämpfen, das bin ich ihm schuldig. Er hat so viel für mich getan, ich kann es ihm jetzt zurückzahlen. Und wenn ich selbst daran zerbrechen sollte, aber ich liebe ihn so sehr, ich will es tun!
Ihre Schultern strafften sich. Ruhe war wieder in ihr Herz eingekehrt. Entschlossen stand sie auf, klopfte die Erde vom Rock und ging zurück.
Bald würde es Frühling sein. Überall leckte die Sonne am Tag den Schnee fort. In den Tälern blühten schon die ersten Frühlingsboten. Doch hier oben in der Bergwelt verzögerte sich alles.
Sie lief über den Hof, leicht und schmal wie ein Reh, schöner denn je. Sie war jetzt zur Frau gereift. Alles Kindliche, was bisher an ihr gehangen hatte, war wie fortgeblasen. Sie war eine wissende Frau geworden, und was noch wichtiger war, sie liebte und würde kämpfen, bis zum Schluss.
Ignaz Monnschein und Sepp reparierten die Scheunentür. Er hörte sie kommen und drehte sich um, ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht, verlor sich in dem Bart.
Lilly, dachte er, und sein Herz wurde ganz weit.