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Am übernächsten Abend entschloss sich Melanie Weckmann, Klaus Krage eine Erklärung für ihr ungewöhnliches Benehmen zu geben. Herz und Gewissen drängten sie dazu. Und vielleicht waren auch ein wenig Dr. Härtlings neugierige Blicke, die er ihr immer zuwarf, wenn sie sich zufällig über den Weg liefen, schuld daran.

Als der Patient von Bruno hörte, schaute er die Nachtschwester überrascht und befremdet an und sagte: „Und Sie dachten im Ernst, Ihr an den Rollstuhl gefesselter Bruder wäre für mich ein Hinderungsgrund?“ Er setzte sich vorsichtig auf. „Es liegt schon einige Nächte zurück, aber Sie erinnern sich sicher noch an unser Gespräch. Sie waren ziemlich verblüfft, als ich Ihnen erzählte, dass ich in letzter Zeit nicht mehr sonderlich erpicht aufs Leben gewesen war. Sie wollten den Grund dafür wissen, und ich sagte: ‘Das ist eine lange, traurige Geschichte. Vielleicht erzähle ich sie Ihnen irgendwann mal. Wenn man nicht mehr erkennt, wofür es sich zu leben lohnt, stumpft man irgendwie ab. Man schließt sich freiwillig von allen Freuden des Lebens aus, nimmt absichtlich nicht mehr daran teil und führt nur noch ein tristes, graues Schattendasein - ohne Glück, ohne Freude, ohne Liebe ...' Das waren meine Worte. Erinnern Sie sich?“

Sie nickte. „Sehr genau sogar.“

„Nun, ich denke, die Zeit ist reif für meine Geschichte, Schwester. Möchten Sie sie hören?“

„Ich glaube ja“, sagte sie zuerst. Dann korrigierte sie sich und sagte schlicht und einfach nur: „Ja.“

„Ich habe vor kurzem meinen Vater verloren“, begann Klaus schleppend.

„Das tut mir leid.“

Klaus Krages Miene verdüsterte sich.

„Und davor hat der Tod mir meine geliebte Frau entrissen. Elvira und ich haben eine vorbildliche Ehe geführt. Wir waren unbeschreiblich glücklich. Aber das Schicksal sieht es nicht gern, wenn zwei Menschen so über alle Maßen zufrieden sind. Da muss es eingreifen. Dagegen muss es etwas unternehmen. Damit keiner übermütig wird. Wir waren neunzehn Jahre alt, als wir vor den Traualtar traten, und wir hatten so viele Pläne. Wir malten uns unsere gemeinsame Zukunft in den rosigsten Farben aus und schwebten auf daunenweichen Wolken durchs Leben - bis ...“

Der Patient unterbrach sich. Er knirschte so laut mit den Zähnen, dass es Melanie kalt über den Rücken rann. Tränen glänzten mit einem Mal in seinen Augen.

„Eines Abends ...“, fuhr er schleppend fort, nachdem er mehrmals kräftig durchgeatmet hatte. „Ich war allein zu Hause ... Elvira hatte eine Freundin besucht, wollte aber um zwanzig Uhr wieder daheim sein ... Da sie immer sehr pünktlich war, begann ich mir nach zwanzig Minuten Sorgen zu machen ...“ Er musste immer wieder eine Pause einlegen. Die Wunde der Erinnerung war noch lange nicht verheilt, tat noch immer weh. „Ich rief ihre Freundin an - Ramona hieß sie“, erzählte er weiter. „‘Ist Elvira noch bei dir?’, fragte ich. ‘Ist sie denn noch nicht zu Hause?’, fragte Ramona erschrocken zurück. ‘Nein’, sagte ich beklommen ...“

Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021

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