Читать книгу Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021 - A. F. Morland - Страница 76
33
ОглавлениеSchwester Melanie machte inzwischen wieder Nachtdienst in der Paracelsus-Klinik. Ernst, verschlossen und zuverlässig erledigte sie ihre Aufgaben. Sie schwamm wieder im gewohnten Fahrwasser und bemühte sich, nicht mehr an Klaus Krage zu denken, dem es beinahe gelungen wäre, sie aus ihrem gewohnten Trott herauszureißen.
Aber zum Glück nur beinahe. Es war besser, wenn weder er noch sonst irgendein Mann in ihrem Leben eine Rolle spielte - versuchte sie sich einzureden.
Klaus Krage hätte ihr Leben nur unnötig kompliziert, und sie hätte sich wahrscheinlich nicht mehr so hundertprozentig auf die beiden Dinge konzentrieren können, die die wichtigsten in ihrem Leben waren, die ihr Dasein beherrschten und bestimmten: die aufopfernde Betreuung ihres Bruders und die Arbeit in der Paracelsus-Klinik.
Klaus Krage war vor einer Woche entlassen worden, und Melanie kam allmählich wieder zur Ruhe. Sie hörte, dass der gewalttätige Mann, mit dem ihre Mutter zusammenlebte, sich wieder einmal von seiner übelsten Seite gezeigt hatte.
Es wäre geheuchelt gewesen, wenn sie gesagt hätte, dass sie das besonders berührte. Berta Weckmann war für sie nur noch eine fremde Frau, mit der sie nichts zu tun haben wollte und deren Leben sie nicht mehr und nicht weniger interessierte als das irgendeines anderen Menschen. Das war zwar bedauerlich, aber es ließ sich leider nicht mehr ändern. Melanies Mutter hatte in der Vergangenheit einfach zu viel kaputtgemacht.
Gestern hatte Melanie Nachtdienst gehabt, heute und morgen hatte sie frei, und sie wollte an diesen beiden Tagen irgendetwas mit ihrem Bruder unternehmen - vielleicht in den Zoo gehen, einen Schaufensterbummel machen oder Brunos Rollstuhl durch den Englischen Garten schieben. Die Wettervorhersage hörte sich großartig an. Sonne. Sonne. Sonne. Und angenehm warme Temperaturen.
Der siebzehnjährige Bruno summte mit seinem elektrischen Rollstuhl durch das Wohnzimmer. Jemand hatte an der Haustür geläutet.
Melanie war in der Küche und hatte es offenbar nicht gehört. Bruno öffnete die Tür. Das Erste, was er sah, war ein riesiger, geschmackvoll arrangierter Blumenstrauß, und eine Männerhand, die ihn hielt.
„Wohnt hier eine gewisse Melanie Weckmann?“, fragte eine sympathische Stimme hinter dem Strauß.
„Ja“, antwortete Bruno.
Der Mann ließ den Blumenstrauß sinken und lächelte den im Rollstuhl sitzenden Jungen freundlich an. „Hallo, Bruno.“
„Wieso kennen Sie meinen Namen?“, fragte Bruno verdutzt. „Woher wissen Sie, wer ich bin?“
„Deine Schwester hat mir von dir erzählt.“
„Wer sind Sie?“, wollte Bruno wissen.
„Ich heiße Klaus Krage. Hat Melanie mal über mich gesprochen?“
Bruno schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Das macht nichts. Darf ich trotzdem eintreten?“
Bruno gab die Tür frei.
„Melanie!“, rief er. „Besuch für dich!“
Melanie kam aus der Küche - und prallte zurück, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen.
„Klaus!“, entfuhr es ihr - nicht „Herr Krage“. „Was tun Sie hier?“
„Ich wollte sehen, wie es Ihnen geht und mich mit Ihrem Bruder bekannt machen.“ Er reichte ihr die Blumen. „Die sind für Sie.“
Ihr wurde schwindelig vor Freunde über dieses unverhoffte Wiedersehen. Ein heißer Sturm brauste durch ihr einsames Herz, und sie hätte es niemals fertiggebracht, Klaus wieder wegzuschicken, denn sie spürte plötzlich ganz deutlich, wie sehr sie ihn liebte. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als von ihm in die Arme genommen und geküsst zu werden. Dass Klaus ihren brennenden Wunsch erriet, war nicht weiter verwunderlich, denn er hatte denselben. Er erfüllte ihn sich und ihr auf der Stelle und mit großer Hingabe.
Eine Stichflamme schoss in Melanie hoch, als sich seine Lippen sanft auf ihren weichen Mund legten. Sie schloss selig und berauscht vor Glück die Augen, und ihre Liebe brannte lichterloh.
Nur zwei Monate später heirateten sie, und sie waren überglücklich, einander in der Paracelsus-Klinik gefunden zu haben.
Bruno war für Klaus kein Klotz am Bein. Im Gegenteil, der junge Schwager bereicherte sein Leben auf angenehmste Weise und gehörte von nun an für immer zur Familie - die im nächsten Jahr Zuwachs bekommen würde. Ein Mädchen, wie Dr. Härtling bei der Ultraschalluntersuchung von Schwester Melanie zweifelsfrei erkennen konnte ...
ENDE