Читать книгу Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021 - A. F. Morland - Страница 74

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Dana Härtling gefiel Mike Hardts weltmännisches Auftreten. Er war so herrlich energisch, so fantastisch souverän. Er schien die ganze Welt fest im Griff zu haben. Manchmal kam es ihr fast so vor, als tanzten alle nach seiner Pfeife, und es imponierte ihr natürlich sehr, dass so ein selbstbewusster Mann sich ausgerechnet für sie interessierte.

Ein Mann noch dazu, der beim Film war und kein Problem darin sah, sie unterzubringen. Oh, sie sah sich schon die tollsten Hauptrollen spielen. Hollywood würde auf sie aufmerksam werden. Sie würde mit den besten Regisseuren arbeiten - Cameron, Stone, Lucas, Spielberg ... Die zugkräftigsten Partner würde sie haben - Dalton, de Niro, Nicholson, Douglas ...

„Woran denkst du?“ Mit dieser Frage riss Mike Hardt sie aus ihren Gedanken.

Sie sah ihn verwirrt an. Er hatte sehr markante Züge, sah umwerfend aus. Dass er achtzehn Jahre älter war, störte Dana nicht. Er wusste wenigstens schon, wo’s im Leben langging, war nicht mehr so ängstlich und unsicher wie die Jungs, mit denen sie sonst immer ausging. Mike Hardt war das, was eine Frau sich unter einem richtigen Mann vorstellte. Er stellte das ganze Gemüse, diese lächerliche Schnullerbrigade, mit der Dana es bisher zu tun gehabt hatte, weit in den Schatten.

„Ich?“, fragte sie verlegen. „Woran ich denke? An meine Zukunft - beim Film.“ Sie saßen in Mikes geleastem Wagen. Es war Freitagabend, und sie fuhren gerade am Hauptbahnhof vorbei.

Mike nickte.

„Da schneidest du ein gutes Thema an.“

Dana sah ihn begeistert an.

„Hast du vielleicht schon was für mich in die Wege geleitet?“

„Ich habe mit einigen kompetenten Leuten gesprochen“, berichtete ihr neuer Freund, „habe ihnen vorgeschwärmt, wie super du aussiehst - jung, frisch, sexy ...“

„Und?“, fragte Dana Härtling aufgeregt. „Was haben sie gesagt? Haben sie eine Rolle für mich?“

„Im Prinzip ja. Aber diesen Einfaltspinseln fehlt es an der nötigen Vorstellungskraft. Sie glauben mir zwar, wenn ich ihnen sage, dass du toll aussiehst - schließlich wissen sie, dass sie sich auf mein Urteil verlassen können, aber um sich selbst ein Bild von deiner sensationellen Ausstrahlung machen zu können, möchten sie Fotos von dir sehen.“

„Ich habe zu Hause ein paar Passfotos.“

„Passfotos.“ Mike Hardt verzog geringschätzig das Gesicht. „Ich bitte dich. Was sollen die Filmleute denn mit diesen winzigen Dingern? Ich muss denen eine Mappe mit postergroßen Aufnahmen vorlegen.“

„Und wer soll die machen?“

Mike winkte ab. „Kein Problem.“

„Die sind bestimmt ziemlich teuer.“

Der gut aussehende Mann vom Film grinste breit.

„Nicht verzagen, Mike fragen. Ich habe zu Hause alles, was ich für gestochen scharfe Porträtaufnahmen brauche.“

„Bei dir zu Hause ...“ Dana schluckte. Sie war noch nie in seinem Haus gewesen. Stets hatte sie es irgendwie verstanden, sich davor zu drücken.

„Lichtstarke Scheinwerfer, faltbare Schirmreflektoren, hochentwickelte Spiegelreflexkameras, verschiedene Hintergründe, eine kleine Windmaschine ...“, zählte ihr Freund seine fototechnischen Schätze auf. „Wenn du möchtest, machen wir die Aufnahmen heute, und morgen knalle ich sie den Filmleuten bereits auf den Schreibtisch.“

„Morgen ist Samstag“, warf Dana ein.

Mike Hardt lachte.

„Baby, beim Film gibt es keine Wochenenden und keine Feiertage. Entweder man arbeitet, oder man macht blau. Kein Mensch kümmert sich da um einen Kalender.“

Dana rang mit sich. Sie war zwar in den Mann, der neben ihr am Steuer saß, verliebt, aber sie kannte ihn noch nicht lange und wollte deshalb nicht, dass er zu weit ging. In seinem Haus konnte er zu weit gehen. Andererseits ... Er konnte nur so weit gehen, wie sie es ihm erlaubte, und sie brauchte diese Bilder.

„Na, wie ist’s?“, fragte Mike. „Kommst du mit, oder hast du Angst vor mir?“

„Ich habe keine Angst vor dir.“

„Tja, dann ...“ Mike überholte die Fahrzeuge, die vor ihnen fuhren, bog an der nächsten Kreuzung scharf links ab und raste nach Hause, damit Dana es sich nicht wieder anders überlegte.

Sie wusste, wo er wohnte. Er hatte es ihr gesagt, und sie hatte es notiert, um ihm mal einen Liebesbrief zu schicken. Aber der war noch nicht geschrieben.

Sein Haus war nichts Besonderes. Die Garage befand sich darunter. Mike stieg aus, öffnete das Garagentor, stieg wieder ein und ließ den Wagen die Abfahrt hinunterrollen.

„So“, sagte er und zog den Zündschlüssel ab. „Da wären wir.“

Dana zögerte. Sollte sie aussteigen?

Ihr Freund lachte. „Hat dich der Mut verlassen?“

Sie stieg aus. Er schloss das Garagentor, und ihr schoss es durch den Kopf: Jetzt bist du seine Gefangene!

Sie gingen durch den Keller. Ein flaues Gefühl beschlich Dana Härtling, und eine Stimme raunte in ihr: Es ist nicht richtig, was du tust! Aber sie ging weiter. Wenn Mike etwas von ihr wollte, womit sie nicht einverstanden war, würde sie ihm das klipp und klar sagen.

Das Haus war ziemlich geschmacklos eingerichtet. In allen Räumen stand nur das Nötigste. Billige Massenware, wahllos zusammengetragen, lustlos aufgestellt.

Mike Hardt drängte Dana einen Drink auf.

„Damit du schön locker wirst“, sagte er. „Du musst vor der Kamera völlig unbefangen sein. Das ist sehr wichtig, und deine Augen müssen strahlen.“

Der Drink war unheimlich stark, und es blieb nicht bei dem einen. Nach dem dritten Glas war Dana beschwipst. Jetzt zeigte der Mann ihr sein Fotostudio, das von einem riesigen Bett beherrscht wurde. Er ließ die großen Scheinwerfer aufflammen. Grelles Licht blendete Dana Härtling. Sie setzte sich auf das Bett, weil der Boden unter ihren Füßen schwankte.

„Wollen wir es gleich mal probieren?“, fragte Mike. „Bist du bereit? Schießen wir mal ein paar nette Fotos? Später, wenn du ein bisschen in Fahrt gekommen bist, lasse ich vielleicht auch noch eine Videokamera mitlaufen, damit die Leute sehen, wie geschmeidig du dich bewegst.“

Dana posierte kichernd.

„Gut!“, lobte Mike Hardt. „Sehr gut! Du machst das wie ein Profi, Kleines!“ Sein Fotoapparat klickte ununterbrochen. Er nahm Dana von allen Seiten auf, ging in die Hocke, um sie von unten zu knipsen, sprang auf das Bett und schoss Bilder von oben. Klick. Klick. Klick.

Mit begeisterten Zurufen stachelte er sie immer mehr an.

„Ja, Dana, du bringst es! Du bist ein Naturtalent! Du bist wie geschaffen für den Film. Es wäre eine Sünde, so ein ausdrucksstarkes Gesicht in der grauen Masse der Anonymität vergammeln zu lassen. Ich werde dafür sorgen, dass du ganz groß herauskommst. Los, Baby, zeig mir, wie wandlungsfähig du bist! Lass mich die Unschuld vom Lande sehen! Ja! Und jetzt bist du stinksauer auf mich. Wunderbar!“

Sie musste naiv, herzig, liebenswürdig, böse und vergrämt dreinsehen. Sie musste lachen und traurig sein, unnahbar, anziehend, fröhlich, deprimiert ... Es machte ihr Spass, all diese Gesichter zu zeigen, und es freute sie, dass ein so filmerfahrener Mann wie Mike Hardt so sehr von ihrer Ausdruckskraft begeistert war.

„Und nun kommt der Vamp, das Luder, das Biest!“, verlangte der Mann. „Ich bin in dieser Kamera. Versuch mich herauszulocken! Kokettier mit mir! Mach mich an! Versuch mich zu verführen! Streng dich an, Süße! Ich bin nicht so leicht zu kriegen, aber du möchtest mich unbedingt haben. Zeig mir, wie du das machst! Zeig ein bisschen mehr Busen! Zeig ein wenig mehr Bein! Nun komm schon! Du brauchst keine Angst zu haben. Das ist eine rein künstlerische Angelegenheit. Ich bin überhaupt nicht da. Du hast es nur mit diesem Fotoapparat zu tun.“

Sie weigerte sich, ihre Bluse zu öffnen und den Rock hochzuziehen. Er brachte ihr noch einen Drink, und in dem befand sich nicht nur Alkohol. Damit schaltete er ihren Willen aus - und das Zeug veränderte in kritischer Weise ihr Wesen. Sie benahm sich auf einmal so, wie sie sich normalerweise nie verhalten hätte. Sie schlüpfte aus ihrer Haut, sprang über ihren Schatten, war nicht mehr Dana Härtling.

Sie erlebte alles in einer Art Dämmerzustand, hatte keinen eigenen Willen mehr, tat nur noch, was dieser Mann von ihr verlangte.

Sie sah, dass er eine Videokamera in Position brachte und einschaltete. Dann zog er sich nackt aus und kam zu ihr aufs Bett. Er sprach von Liebe, doch das, was er mit ihr vorhatte, hatte mit Liebe nicht das Geringste zu tun.

Dana wollte nicht, dass er sie berührte, aber sie konnte es nicht verhindern. Er zog sie in seine Arme und küsste sie mit einer widerwärtigen Gier. Sie bekam keine Luft, erstickte beinahe an seinem hemmungslosen Kuss, und seine Hände waren überall an ihrem jungen Körper. Jetzt wehrte sie sich doch, aber nur matt und kraftlos.

Jemand läutete an der Haustür. Ausgerechnet jetzt. Mike Hardt ließ fluchend von Dana ab, stand auf, schlüpfte in einen Frotteemantel und verließ das Atelier.

Als er öffnete, stand ein dunkelhaariger, gut aussehender Mann Mitte vierzig vor ihm.

„Wer sind Sie?“, schnauzte er den Fremden unfreundlich an. „Was wollen Sie?“

„Ich bin Dr. Härtling. Ich möchte meine Tochter nach Hause holen.“

Sören trat unaufgefordert ein.

„He!“, protestierte der andere Mann lautstark. „Was fällt Ihnen ein? Sie können hier nicht einfach hereinspazieren!“

Sören ging einfach weiter. Dana torkelte ihm aus dem Studio entgegen - benommen, mit zerzausten Haar und in Unordnung geratener Kleidung. Es fehlte nicht viel, und Dr. Härtling hätte die Beherrschung verloren. Es legte den Arm um seine Tochter, die geistig völlig weggetreten war, und starrte Mike Hardt, der ihnen mit geballten Fäusten in den Weg trat, eiskalt und durchdringend an.

„Wagen Sie nicht, uns aufzuhalten!“, knurrte der aufgebrachte Vater. „Wagen Sie es ja nicht!“ Er drückte seine Tochter an sich. „Komm, Dana, lass uns nach Hause gehen!“

Mike Hardt hatte tatsächlich nicht den Mut, Dr. Sören Härtling und dessen Tochter am Verlassen seines Hauses zu hindern. Er trat sogar zähneknirschend einen Schritt zur Seite. Dr. Härtling führte Dana zu seinem Wagen. Sie musste einsteigen. Er gurtete sie an. Sie schaute benommen geradeaus und nahm am Geschehen nur ganz am Rande teil.

Sörens Vaterherz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als er seine geliebte Tochter in dieser furchtbaren Verfassung sah - willenlos gemacht von einem gewissenlosen Schurken. Dana konnte von Glück sagen, dass ihr Bruder Tom mit einem Freund - der um einiges älter war, bereits einen Führerschein besaß und sich jederzeit den Zweitwagen seiner Eltern leihen konnte - nachspioniert und sofort Alarm geschlagen hatte, als er durch eines der Fenster mitbekam, was dieser Mann in seinem Haus mit Dana in der Hauptrolle inszenieren wollte. Damit hatte Tom gerade noch das Schlimmste verhindern können.

Sören Härtling brachte Dana nach Hause. Jana fiel aus allen Wolken, als sie sah, in welchem Zustand sich ihre Tochter befand. Er überließ sie ihr. Sie brachte Dana in ihr Zimmer und zu Bett.

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