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„Elvira ist vor einer Stunde gegangen“, sagte Ramona.

„Vor einer Stunde schon?“, stöhnte Klaus Krage, krank vor Sorge.

„Vielleicht hatte sie eine Panne.“

„In dem Fall hätte sie mich angerufen“, gab er nervös zurück.

Er hörte, wie sie erschrak.

„Großer Gott, Klaus“, sagte Ramona gepresst, „du denkst doch nicht etwa, dass ... dass ...“

„Dass etwas passiert ist?“

„Ja“, sagte Ramona heiser.

„Hast du eine andere Erklärung dafür, dass Elvira, die Pünktlichkeit in Person, noch immer nicht da ist?“

„Ich fürchte nein, Klaus.“

„Ich warte noch zehn Minuten, dann rufe ich die Polizei an“, entschied er.

„Gib mir bitte Bescheid, wenn du was weißt!“

„Ja“, sagte der besorgte Ehemann und legte auf. Er nahm das gerahmte Foto auf, das neben dem Telefon stand. Elvira lächelte ihn strahlend an. Sie versprühte so viel Lebenslust, dass man beim bloßen Betrachten der Fotografie davon angesteckt wurde. Klaus hoffte, dass er sich unbegründet Sorgen machte.

Himmel, wäre er froh gewesen, wenn Elvira jetzt zur Tür hereingekommen wäre und gesagt hätte: „Entschuldige meine Verspätung, Liebling, aber da war auf der Heimfahrt ein Mega-Stau. Ich steckte mittendrin und hatte keine Chance, mich mit dir in Verbindung zu setzen.“

Dieser sehnliche Wunsch ging leider nicht in Erfüllung. Elvira kam nicht heim. Stattdessen läutete jemand an der Haustür, und als Klaus öffnete, sah er sich zwei uniformierten Polizeibeamten gegenüber. Er wusste sofort, was das zu bedeuten hatte, und wurde kreideweiß.

„Ja, bitte?“, kam es blechern aus seiner zugeschnürten Kehle.

„Herr Krage?“

„Ja.“ Klaus’ Stimme vibrierte vor Angst.

„Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre Frau einen Unfall hatte.“

„Nein!“, schrie Klaus entsetzt auf, obwohl er genau mit dieser Nachricht gerechnet hatte. Sein verstörter Blick pendelte zwischen den beiden Beamten hin und her. „Ist Elvira verletzt?“

„Es war ein schwerer Unfall, Herr Krage.“

Elviras Mann riss bestürzt die Augen auf.

„Um Gottes willen, sie ist doch nicht etwa ... Nein ... Sie fährt doch immer so vorsichtig, so rücksichtsvoll und defensiv ...“

„Ihre Frau wurde bei dem Unfall schwer verletzt.“

„Schwebt sie in Lebensgefahr?“, wollte Klaus verzweifelt wissen.

„Das wissen wir leider nicht.“

Klaus raufte sich das schwarze Haar.

„Oh Gott, wie konnte das ... Wie ist das passiert?“

„Der Mann, der den Unfall verschuldet hat, fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit. Es war ein alter Wagen, und als der Fahrer bremsen wollte, haben die Bremsen versagt ...“

„Wo ist meine Frau jetzt?“, fragte Klaus krächzend. „Wohin hat man Elvira gebracht?“

Die Beamten nannten den Namen des Krankenhauses, in das Elvira Krage eingeliefert worden war.

„Ich muss zu ihr!“, stieß Klaus aufgewühlt hervor. „Ich muss sofort zu ihr!“

Die Beamten brachten ihn ins Krankenhaus. Dort erfuhr er, dass Elvira sich im Not-OP befand. Er rannte auf dem Flur wie ein gefangenes Raubtier hin und her.

Jeden Arzt, jeden Pfleger, jede Schwester fragte er, ob sie ihm sagen könnten, wie es seiner Frau gehe. Man speiste ihn aber lediglich mit leeren Phrasen ab.

Ramona fiel ihm ein. Er rief sie an. Eine halbe Stunde später traf sie ein. Ihr dickes Gesicht war kreideweiß, und kalter Schweiß glänzte auf ihrer Stirn. Sie umarmten sich. Ramona weinte.

„Das arme Mädchen“, schluchzte sie. „Das arme Mädchen.“

Die Operation dauerte fast vier Stunden. In dieser Zeit hatte Klaus das Gefühl, um Jahre zu altern. Er machte Schreckliches mit. In seinem Kopf spielten sich wahre Horrorszenen ab: Panik im Operationssaal ...! Überall Blut ...! Elviras Blut ...! Eine weinende Operationsschwester ...! Ein verstörter Anästhesist ...! Ein überforderter Chirurg, der sich nicht mehr zu helfen wusste ...!

Das nackte Grauen, das Klaus im Geist erlebte, brachte ihn fast um den Verstand. Dann - endlich war das quälende Warten vorbei.

Ein Arzt kam, um ihn und Ramona zu informieren. Die Patientin sei außer Lebensgefahr, sagte der Doktor, ein magerer Mann mit feingliedrigen Händen.

Klaus atmete auf. Seine schlimmste Befürchtung war zum Glück nicht wahr geworden. Elvira würde am Leben bleiben. Er dankte dem Himmel für diese Gnade. Elvira hatte viel Blut verloren. Der davon herrührende Schock hatte ihren Kreislauf zusammenbrechen lassen, doch den Ärzten war es gelungen, den Kreislauf mit Medikamenten zu stabilisieren, und sie hatte ausreichend Blut bekommen. Sie würde weiterleben, aber ...

„Aber?“ Klaus sah den mageren Arzt furchtsam an. Was für eine Hiobsbotschaft hielt der Doktor noch für ihn bereit?

„Bei dem Unfall wurde die Wirbelsäule Ihrer Frau verletzt“, erklärte der Arzt.

„Heißt das, Elvira wird nicht mehr gehen können?“, fragte Klaus unglücklich. „Ist meine Frau querschnittgelähmt?“

Der Arzt nickte langsam.

„Es tut mir sehr leid, Herr Krage.“

Ramona schluchzte laut.

„Wird meine Frau für den Rest ihres Lebens im Rollstuhl sitzen müssen?“, fragte der Ehemann niedergeschmettert.

„Wir müssen froh sein, dass wir ihr Leben retten konnten.“

„Was für ein Leben - im Rollstuhl“, stieß Klaus bitter hervor.

„Wäre es Ihnen lieber, Ihre Frau wäre ...“

„Nein!“, fiel Klaus dem Arzt ins Wort. Er hatte Angst davor, dass der Doktor es aussprach. Er wollte so etwas Schreckliches nicht hören.

Nein, Elvira im Rollstuhl war besser, als sie ganz zu verlieren. Auch querschnittgelähmte Menschen können sich freuen und Spass am Leben haben. Vor allem dann, wenn jemand bei ihnen ist, der ihnen ihr Leben erträglich macht, der trotz allem zu ihnen hält und sie weiterhin liebt.

Wir werden dem Schicksal trotzen, dachte Klaus voller Ingrimm. Wir werden uns selbst von diesem grausamen, schmerzhaften Schicksalsschlag nicht unterkriegen lassen. Nichts kann unsere starke Liebe in die Knie zwingen.

Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021

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