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b) Handeln bei Erfüllung

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Nicht jedes Verhalten eines Erfüllungsgehilfen ist dem Schuldner wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Man unterscheidet zwischen einem Verhalten „bei Erfüllung“ und „bei Gelegenheit der Erfüllung“. Es stellt sich dieselbe Abgrenzungsproblematik wie bei der Repräsentantenhaftung nach § 31.

Zwischen dem Verhalten des Erfüllungsgehilfen und der ihm mit Willen des Schuldners zugewiesenen Aufgabe muss ein mehr als zufälliger Zusammenhang in der Weise bestehen, dass die Handlung aus Sicht eines Außenstehenden noch in einem inneren Sachzusammenhang zu seinen mit Willen des Schuldners übernommenen Aufgaben steht.[22] Dabei spielt die Überschreitung etwaiger Vertretungsmacht oder eine Strafbarkeit des Verhaltens keine entscheidende Rolle.

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Als Faustformel können Sie sich merken, dass ein Verhalten „bei Erfüllung“ zu bejahen ist, wenn sich im schuldhaften Verhalten noch ein spezifisches Risiko der zugewiesenen Aufgabe verwirklicht hat. Schließlich muss der Schuldner dann mit der Verwirklichung solcher Risiken rechnen und wird durch die Zurechnung nicht unangemessen belastet.

Beispiel

A bestellt bei Maler M den Anstrich der Wände im Wohnzimmer seines Hauses (§ 631).

Variante 1 Der beim Anstrich behilfliche Lehrling L des M beschädigt beim Umstellen der Leiter eine Vase des A, da er sich nicht umgesehen hatte. Hier liegt eine schuldhafte Verletzung einer Rücksichtspflicht vor, die sich M nach § 278 zurechnen lassen muss. L ist mit Willen des M beim Anstreichen und damit bei der Erfüllung der sich aus dem mit A geschlossenen Werkvertrag ergebenden Leistungspflicht des M tätig geworden. Das Verrücken der Leiter steht in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der dem L zugewiesenen Aufgabe, da es sich um eine typische und notwendige Maßnahme zur Durchführung des Anstrichs handelt.

Variante 2 L findet beim weiteren Anstrich einen 100 Euro-Schein auf dem Schreibtisch des A und nimmt ihn heimlich mit nach Hause. Hier ist ein innerer Sachzusammenhang zwischen dem Diebstahl (= Pflichtverletzung i.S.d. § 241 Abs. 2) und dem Zuweisen der Hilfstätigkeit beim Anstrich zu verneinen, da der Diebstahl nicht zu den typischen Risiken der dem L zugewiesenen Hilfstätigkeit gehört.

Variante 3 L raucht in einer kurzen Pause eine Zigarette und drückt sie auf dem Parkettfußboden des A aus, wobei ein Brandfleck entsteht.

Zwar besteht kein funktioneller Zusammenhang zwischen dem Ausdrücken der Zigarette (= Pflichtverletzung i.S.d. § 241 Abs. 2) und der dem L zugewiesenen Tätigkeit. Jedoch ist eine „Raucherpause“ kein rein zufälliges Ereignis im Rahmen eines Anstrichs. Da bereits das Rauchen in einer fremden Wohnung – zumindest aber das Rauchen ohne Aschenbecher – eine schuldhafte Pflichtverletzung darstellt, ist noch ein innerer Zusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten und der Hilfstätigkeit zu bejahen. Auf das Ausdrücken auf dem Fußboden kommt es nicht mehr entscheidend an, da die Beschädigung des Fußbodens einen Schaden darstellt, der adäquat kausal auf das Rauchen (ohne Aschenbecher) zurückzuführen ist. Auf den Schaden muss sich das Vertretenmüssen bei § 280 Abs. 1 S. 2 aber nicht beziehen, sondern nur auf die Pflichtverletzung (Rauchen ohne Aschenbecher)!

Variante 4 L fühlt sich aufgrund einer Virenerkrankung auf einmal elend und muss sich plötzlich auf dem kostbaren Perserteppich des A im Flur übergeben.

Hier fehlt es bereits an einem zurechenbaren Verschulden des L, weil ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, eine derartige Entwicklung voraussehen zu müssen. Auf die Frage des inneren Sachzusammenhangs kommt es gar nicht an. Anders wäre anzusetzen, wenn der Teppich wegen der Streicharbeiten hätte abgedeckt werden müssen (je nach Lage und Verschmutzungswahrscheinlichkeit). Wenn L das Abdecken trotz Weisung des M unterlassen hat, liegt das Verschulden darin und begründet bereits eine Haftung des M. Dann kann man die Beschädigung durch Erbrechen des L aber als atypischen und außergewöhnlichen Kausalverlauf ansehen und die objektive Zurechenbarkeit des Schadens verneinen.

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Die oben genannte und von der Rechtsprechung verwendete Formel vom „inneren Sachzusammenhang“ wird in der Literatur teilweise als zu eng und im Übrigen wenig aussagekräftig angesehen. Daher wird vorgeschlagen, ein Handeln „bei Erfüllung“ immer dann anzunehmen, wenn dem Gehilfen das schuldhafte Verhalten durch die ihm übertragene Aufgabe erheblich erleichtert wurde.[23] Denn der Schuldner habe durch eine Einschaltung des Gehilfen ein erhöhtes Risiko für die Gefährdung des Gläubigers geschaffen.[24]

Eine derartige Haftungserweiterung bringt zwar mehr Rechtssicherheit, aber auch unbillige Ergebnisse mit sich: Im vorhergehenden Beispiel müsste sich der M auch den Diebstahl des L zurechnen lassen, da er erst durch die Hilfstätigkeit beim Anstrich möglich wurde. M hat aber kaum Möglichkeiten, derartiges Fehlverhalten seines Gehilfen zu unterbinden. Eine permanente Beaufsichtigung kann von ihm nicht verlangt werden und würde die Einschaltung von Hilfspersonen letztlich unsinnig machen (M könnte dann selbst nicht mehr arbeiten). Dass die in der Literatur vorgeschlagene Formel keine deutliche Verbesserung der Abgrenzungssicherheit bringt, zeigt sich daran, dass ein Verhalten „bei Erfüllung“ beispielsweise dann nicht vorliegen soll, wenn der Gehilfe das vor dem Haus abgestellte Fahrrad des Kunden entwendet.[25] Zum Kunden ist er aber doch nur gekommen, weil er seinem Arbeitgeber dort behilflich sein muss. Der genaue Standort des Fahrrades (vor dem Haus, im Garten hinter dem Haus, im Flur oder in der offenen Garage, etc.) kann schwerlich das maßgebliche Kriterium sein.

Hinweis

Sie können selbstverständlich dem Literaturvorschlag folgen. Wichtig ist nur, dass Sie erst prüfen, ob die Auffassungen überhaupt zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das ist bei den Varianten Nr. 1, 3 und 4 im Beispiel nicht der Fall.

2. Teil VertretenmüssenD. Vertretenmüssen wegen Verschuldens Dritter (§ 278) › IV. Gesetzliche Vertreter

Schuldrecht Allgemeiner Teil II

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