Читать книгу Schuldrecht Besonderer Teil I - Achim Bönninghaus - Страница 120
e) Exkurs: Haftung Dritter und Drittschadensliquidation aa) Problemstellung
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Aufgrund der eben unter Rn. 108 ff. vorgestellten Preisgefahrregeln nach §§ 446, 447 kann es dazu kommen, dass der Käufer zur Kaufpreiszahlung verpflichtet bleibt, ohne seinerseits Eigentum und Besitz an der verkauften, aber aus Gründen des § 275 nicht lieferbaren Sache zu erhalten.
Da diese Regeln nur „bei Zufall“ greifen, also dann, wenn weder der Verkäufer noch der Käufer den Grund für die Leistungsbefreiung nach § 275 zu vertreten haben, ist entweder ein Dritter „schuld“ oder es hat sich ein allgemeines Lebensrisiko, etwa in Form einer Naturkatastrophe verwirklicht.
Ist ein Dritter für den Leistungsausfall verantwortlich, steht dem Verkäufer regelmäßig dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des noch dem Verkäufer verbliebenen Eigentums an der verkauften Sache zu.
Wenn nun der Verkäufer infolge des Leistungshindernisses für die nach § 275 ausgeschlossene Leistung einen Schadensersatzanspruch gegen Dritte bekommt, kann der Käufer die Abtretung dieses Schadensersatzanspruches bzw. die Auskehr einer bereits erfolgten Ersatzleistung aus § 285 verlangen.[45] Im Falle eines Anspruchs aus § 285 steht dem Käufer gegen den Kaufpreiszahlungsanspruch ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 zu.[46]
JURIQ-Klausurtipp
Der Anspruch aus § 285 sollte immer dann auf der Einredeebene über § 273 Abs. 1 erörtert werden, wenn der Sachverhalt Anhaltspunkte für eine Erhebung dieser Einrede bietet. Ist dies nicht der Fall und allgemein nach „der Rechtslage“ oder zusätzlich nach „eventuellen Gegenansprüchen des Käufers“ gefragt, sollten Sie § 285 separat als eigenen Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer erörtern.
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Das Dilemma besteht nun freilich im Folgenden: Der Verlust der Sache führt bei strenger Anwendung der Differenzhypothese[47] gar nicht zu einem ersatzfähigen Schaden des Verkäufers: Bei hypothetischer Betrachtung (also ohne Verlust der Sache) hätte der Verkäufer sein Eigentum und den Besitz an den Käufer verloren, wäre dadurch von seiner Leistungspflicht durch Erfüllung frei geworden und hätte den Kaufpreis erhalten. Real hat er sein Eigentum zwar nicht auf den Käufer übertragen, sondern aus anderen Gründen verloren. Wegen § 275 ist er von seiner Leistungspflicht frei geworden und behält seinen unverminderten Kaufpreiszahlungsanspruch gegen den Käufer. Vergleicht man beide Lagen, besteht kein Nachteil zu Lasten des Verkäufers. Damit fehlt der haftungsausfüllende Tatbestand, so dass im Ergebnis kein Schadensersatzanspruch besteht, den der Käufer nach § 285 herausverlangen könnte.
Beispiel
V verkauft dem Händler K ein Porzellanservice, das V dem K zusenden soll. Aus Unachtsamkeit des Transporteurs T geht das Service während des Transports irreparabel zu Bruch. Hier liegt infolge der Konkretisierung vollständige Gesamtunmöglichkeit vor. Dies ergibt sich daraus, dass das Service bei Gefahrübergang nach § 447 noch vollständig unbeschädigt war. Ist der T Frachtführer nach § 407 HGB oder selbstausführender Spediteur (vgl. §§ 453, 458 HGB), könnte V dem Grunde nach von T Schadensersatz aus §§ 425 ff. HGB – sonst ggf. aus §§ 280 ff. – und § 823 Abs. 1 bzw. § 831 von T beanspruchen. Wegen § 447 fehlt es aber bei V an einem ersatzfähigen Schaden, da V von K Zahlung des Kaufpreises verlangen kann.
Achtung: Im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs kommt § 447 grundsätzlich nicht zur Anwendung (siehe oben Rn. 114).
Der im Ergebnis geschädigte Käufer hat dem Grunde nach gegen den Drittschädiger häufig keinen eigenen Schadensersatzanspruch (zur Ausnahme beim Frachtvertrag nach §§ 407 ff. HGB unter Rn. 132 f. mehr): Ein Anspruch aus § 280 scheitert bereits an einem Schuldverhältnis zwischen Schädiger und Käufer. Im Beispiel lässt sich aus dem zwischen V und T geschlossenen Transportvertrag kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des K ableiten,[48] da zwischen Verkäufer und Käufer keine besondere Nähebeziehung besteht.[49] Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 scheitert an der fehlenden Verletzung eines der in § 823 Abs. 1 genannten Rechtsgüter des Käufers.
Der Schädiger hätte also Glück gehabt und müsste weder dem Verkäufer noch dem Käufer Schadensersatz leisten. Der Verkäufer hat einen Schadensersatzanspruch ohne eigenen Schaden, der Käufer einen eigenen Schaden ohne Anspruch. Dieses Ergebnis bedarf der Korrektur.