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a) Ambivalenz des Rückgriffs auf den Volksentscheid

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Die Ergebnisse der Referenden zum Beitritt Englands (1972), zur Ratifizierung des Vertrags von Maastricht (1992) und zur Ratifizierung des VVE (2005) zeigen die ganze Ambivalenz eines Rückgriffs auf Volksentscheide. Denn keiner dieser Volksentscheide war angesichts der unvermeidlichen Konfusion mit anderen Zielen in seiner politischen Botschaft eindeutig. Obwohl Referenden eigentlich dazu bestimmt sind, den Bürgern eine direkte Mitwirkung an politischen Entscheidungen zu ermöglichen, sind sie für die, die sie ansetzen – in Frankreich ausschließlich der Staatspräsident – immer auch ein Mittel, sich des Rückhalts in der Bevölkerung zu vergewissern oder die parlamentarische Opposition auszuschalten. Diese Ambivalenz wird in europäischen Fragen besonders deutlich, weil diese nicht beständig in die politische Diskussion einfließen oder sonst im Mittelpunkt des politischen Interesses stehen. Die Bürger werden somit aufgefordert, sich zu einer Frage zu äußern, die ihnen häufig fremd oder gleichgültig ist, und für die Politiker ist die Versuchung groß, in die Diskussion über Europa innenpolitische Aspekte einfließen zu lassen. Sicher steht das Scheitern der Linken in den Kreis- und Regionalwahlen von 1992 im Zusammenhang mit der Entscheidung Präsident Mitterrands, zur Stärkung seiner Popularität ein Referendum über die Ratifizierung des Vertrags von Maastricht anzusetzen. Ebenso tragen das Scheitern der Rechten in den Regionalwahlen von 2004 und die Absicht, von der Spaltung innerhalb der größten Oppositionspartei, der sozialistischen Partei (PS), zu profitieren, zur Erklärung bei, weshalb Präsident Chirac auch bei der Ratifizierung des VVE auf ein Referendum gesetzt hat. Diese Gemengelage – die Hintergedanken der Politiker, die technokratisch formulierten Fragen, die Unkenntnis über Europa sowie das Gefühl, dass die Würfel bereits gefallen sind – mindern die Mitwirkungsbereitschaft der Bürger oder begünstigen eine Ablehnung der Verträge. Die Beteiligung am Referendum von 1972 war relativ schwach (etwa 60% gegenüber beinahe 80% anlässlich des von de Gaulle angesetzten Referendums); die Beteiligung am Referendum von 1992 betrug dagegen über 70%, doch gab es für das „Ja“ zum Maastrichter Vertrag nur eine hauchdünne Mehrheit (knapp 51%). Das Referendum vom 29. Mai 2005 über die Ratifizierung des VVE entsprach den vorangegangenen Volksbefragungen: Bei einer Beteiligung von wiederum 70% wurde der VVE mit 54,87% der abgegebenen Stimmen abgelehnt.

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