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b) Conseil constitutionnel

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An der Übernahme der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Beschlüsse des Europäischen Gerichtshofs in die Verfassungsrechtsprechung bestehen keine Zweifel. Sie ist Teil der auf die fortschreitende Integration in die Europäische Union zurückgehenden „Internationalisierung der nationalen Verfassungen“[88]. Doch ist der tatsächliche Einfluss der EMRK auf den Conseil constitutionnel schwer zu messen, da er sich praktisch nie auf ihre Bestimmungen und weit weniger noch auf die Entscheidungen des Gerichtshofs bezieht. Die Ablehnung einer Einbeziehung der Konvention in den „bloc de constitutionnalité“, also in die Gesamtheit der vom Gesetzgeber zwingend zu beachtenden Normen, dessen Achtung der Conseil constitutionnel überwacht, erklärt dieses Schweigen.[89] Diese Haltung stützt sich auf eine strenge Auslegung der französischen Verfassung und erleichtert dem Conseil constitutionnel, die EMRK nur implizit anzuwenden.[90] Die Ausweitung der Rechte der Verteidigung durch das Verfassungsgericht, die weite Auslegung der Meinungsfreiheit oder auch die Bereicherung mancher Auslegungsmethoden bezeugen jedoch den Einfluss der europäischen Rechtsprechung.[91]

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Es gibt Anzeichen, dass der Conseil constitutionnel seine „Inspirationsquellen“ künftig offener ausweisen will. In diese Richtung deutet namentlich seine Entscheidung über die Vereinbarkeit des VVE mit der französischen Verfassung.[92] In der Begründung zu dieser Entscheidung erwähnt der Conseil constitutionnel ausdrücklich die Festlegung des EGMR zur Religionsfreiheit in seiner ersten Entscheidung in Sachen Leyla Sahin und bezieht sich in den Entscheidungsgründen auf sie. Dass er die Entscheidung des EGMR dabei verkürzt, mag man bedauern.[93] Er scheint aber auch die für den EGMR geltenden Verfahrensregeln zu verkennen, indem er sich auf einen damals noch nicht rechtskräftigen Beschluss stützt, da von der Antragstellerin die Große Kammer des Gerichtshofs angerufen worden war. Es ist verfrüht, aus dieser Entscheidung definitive Schlussfolgerungen über die Aussöhnung zwischen der von der Konvention zugestandenen Religionsfreiheit und dem von der französischen Verfassung betonten Laizismus zu ziehen. Überdies übernimmt der Conseil constitutionnel die vom Gerichtshof zum türkischen Recht gezogene Schlussfolgerung in französisches Recht, ohne zu erwähnen, dass der EGMR stark auf die Besonderheiten der türkischen Situation abstellt. Es hat daher den Anschein, dass der Conseil constitutionnel die europäische Rechtsprechung vor allem dann zitiert, wenn sie ihm ermöglicht, zum gewünschten Ergebnis zu kommen: So hat er, um die Vereinbarkeit der Grundrechtecharta der Europäischen Union mit der französischen Verfassung unter Beweis zu stellen und zugleich alle zu beruhigen, die sich in Frankreich Sorgen um das sehr heikle Thema der Erhaltung des französischen Laizismusmodells machen, auf die EMRK Bezug genommen. Die Grundrechtecharta ist weitgehend eine Kopie der EMRK, und wenn der Conseil constitutionnel die Grundrechtecharta interpretiert, interpretiert er zugleich die EMRK. Wenngleich der Beschluss des Conseil constitutionnel nicht ohne Kritik geblieben ist,[94] so kann man doch hoffen, dass dieser erste tastende Versuch einer expliziten Umsetzung der europäischen Rechtsprechung andere Entscheidungen nach sich ziehen wird, die den Ansprüchen des EGMR besser gerecht werden.

Erster Teil Offene Staatlichkeit§ 15 Offene Staatlichkeit: Frankreich › IV. Die Europäisierung der französischen Verfassung

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