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Das Böse naht

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Zur selben Zeit lief Worak nuschelnd durch seine modrige, unterirdische Höhle. Die Haltung war leicht nach vorn gebeugt, als ob die Last der eigenen Bosheit ihn niederdrückte. Die eine Hälfte seines hageren Gesichts war durch einen Unfall entstellt worden, als der Zauberer versucht hatte, ein Verjüngungselixier herzustellen. Einer der Glaskolben explodierte, wobei ätzende Säure und loderndes Feuer diese Seite seines Gesichtes zerfraßen. Inzwischen wurde die Haut von tiefen, roten Narben durchfurcht.

Die düstere Höhle bestand aus vielen, weit verzweigten Gängen. Hin und wieder wurde die Dunkelheit durch Fackeln erhellt, deren Feuer gespenstische Schatten an die Wände warf. Einige Gänge erweiterten sich zu Kammern, die Worak als Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche dienten. An den Wänden des Wohnzimmers hingen ausgestopfte Köpfe von Zentauren, Einhörnern, Wassermännern und Kobolden. Auf einem Schild unterhalb der Köpfe standen die Namen der jeweiligen Wesen, geschrieben mit dem Blut der Getöteten. Inmitten des Zimmers thronte ein aus einem Baumstamm geschnitztes Sofa, dessen Polster aus schneeweißem Einhornfell bestand. Neben diesem Sofa kauerte ein aschgraues Etwas mit mottenzerfressenem Fell. Es war ein Wolf, der ab und zu knurrend den Kopf hob, um ihn dann wieder gelangweilt auf dem Boden abzulegen.

In der Küche brodelte es in verschiedenen Töpfen und farbigen Glaskolben. Es zischte, dampfte und stank bestialisch. Worak erfand mit Begeisterung neue Zaubertränke, Giftmischungen oder selbstgebrannte Schnäpse. Gerade jetzt lief er aufgeregt in seine Giftküche, weil ein Kolben, gefüllt mit einer dampfenden, grünen Flüssigkeit, fauchend überlief.

»Ach je, in Teufels Namen! Mein Gastgeschenk, der Eidechsenschnaps für Yarkona und ihre dämlichen Hexenschwestern, ist übergekocht!«, schimpfte Worak. Aus seinem schmutziggrauen Kittel zog er einen zerknitterten Brief und strich ihn hektisch auf dem bekleckerten Küchentisch glatt.

»Wann soll ich Yarkona besuchen? Was schreibt sie? Verdammt, wo steht es denn?«, fluchte der Zauberer. »Verflixt! Wo bleibt Bosrak? Ich brauch das Zauberbuch!«

Bosrak, der Diener Yarkonas, war ein Gestaltwandler, den Worak sich manchmal ausgeborgte. Da Bosrak herrlich durchtrieben war, hatte Worak ihn mit einem Spezialauftrag in die Menschenwelt geschickt.

»Diese Yarkona weiß gar nicht, was man mit Bosrak alles anstellen kann. Pff, nur ein Schönheitszauber für ihre Hilfe. Den Zauber mach ich doch mit links oder ich besorg ihn mir bei meinem schlauen Bruder! Obwohl dieser Bücherwurm gerade wütend auf mich ist!« Worak schnäuzte in einen alten Lappen. »Hihi, aber den kann ich flott besänftigen. Klappt immer!« Kichernd wischte er mit dem schmierigen Tuch die übergekochte, grüne Flüssigkeit vom Tisch. Den Rest des Eidechsengebräus füllte er in eine Flasche. »Yarkona kapiert nicht, dass ich ihre Hilfe nicht brauche und die ihrer blöden Schwestern schon mal gar nicht. Eigentlich will ich nur diesen Bosrak! Aber wo bleibt der verdammte Wurm?«

Worak war nervös und gleichzeitig voller Vorfreude. Bald hielte er das kostbare Zauberbuch in den Händen, mit dem er endlich die Umwandlung der Elfen vervollständigte. Mit der dadurch gewonnenen Macht könnte er das ganze Leben neu gestalten, sogar zu einem der größten Zauberer Fanreas aufsteigen. Sein Körper bebte ein wenig vor Gier und Aufregung. Der Zauberer war besessen von dem Gedanken, an vergangene, ruhmreiche Zeiten anzuknüpfen und endlich aus der Vergessenheit aufzutauchen. Ja, er würde es noch einmal allen zeigen und ihnen beweisen, dass noch jede Menge Magie in ihm steckte.

Dank Bosrak wusste der Zauberer, dass diese beiden Menschenkinder samt Buch nach Fanrea kommen wollten. Er grübelte. »Da Bosrak nicht kommt, tritt nun Plan B in Kraft. Ich muss schnell zu Rurk, damit der seine Viecher losschickt«, zischte Worak.

Ohne weitere Verzögerung hastete Worak durch den Dunkelwald zu Rurk, dem König der Achillikrusse. Der Zauberer kannte einen der geheimen Einstiege. Die dort positionierten Wachen grüßten und ließen ihn passieren.

»Die werden auch nicht hübscher, die blassen Fratzgesichter«, murmelte Worak, als er durch die düsteren Gänge eilte. Ihm schlug ein muffiger Geruch nach feuchter Erde sowie Wurzeln entgegen, sodass Worak die Nase rümpfte. Schließlich stand er vor dem König, der ihn aus finsteren Augen anstarrte.

Sogleich erinnerte der Zauberer Rurk an den Handel: »Verehrter König, schön, dich zu sehen. Ich komme wegen unseres Paktes, den wir geschlossen haben. Es geht jetzt richtig los. Gut, dass du die Elfen außer Gefecht gesetzt hast. Doch jetzt wartet einen neue Aufgabe für dich: Die zwei Menschenkinder tauchen bald mit dem Zauberbuch in Fanrea auf. Schnapp dir die Kinder! Wie besprochen, bekommst du als Belohnung das Menschenmädchen für deine Opferzeremonie.«

»Ich weiß, was wir besprochen haben!«, Rurks Stimme klang rau und knirschte wie Sand unter den Füßen. »Erzähl mir genau, wann wir wo zuschlagen sollen!«

*

Unterdessen befand sich die Hexe Yarkona auf dem Rückweg zu ihren Hexenschwestern. Sie war mager wie ein Skelett, dünne Arme endeten in langen, krallenartigen Händen. Ihre Haut glänzte kalkig weiß, die Augen blickten düster aus tief liegenden Augenhöhlen. Die Nase stakte ebenso lang wie spitz aus dem Gesicht, das Kinn war übersät mit dicken Warzen.

Wenn Yarkona nervös, schlecht gelaunt oder zornig war, kratzte sie mit ihren langen, spitzen Fingernägeln die Warzen auf, sodass eine schleimige, stinkende Flüssigkeit herausplatzte.

Mit wutverzerrtem Gesicht saß Yarkona in einer Kutsche, die von geifernden, riesengroßen Hyänen gezogen wurde. Die alte, offene Kutsche klapperte wegen jeder Menge schadhafter Bretter, knarzte und fiel fast auseinander. Zudem drehten sich die viel zu großen Holzrädern ruckelig. Um den Kopf der Hexe flatterte ein Torak, ein fledermausähnliches Wesen.

Neben Yarkona stand Bosrak, der Auslöser für Yarkonas schlechte Laune. Auf seinem Weg zu Worak war er ihr zufällig über den Weg gelaufen.

Sie fauchte ihn an: »Du verdammter Rattenpopel hast das Buch gesehen? Gesehen? Du warst so dicht dran und nicht in der Lage, es zu rauben?« Wütend spuckte sie grünen Schleim aus.

Bosrak duckte sich. Das Gesicht wurde noch eine Spur grauer, überdies vertieften sich seine Falten, da er sich vor Anspannung völlig verkrampfte.

Aufgebracht fluchte die Hexe weiter: »Ach Unkenpisse! Dieses verdammte Buch! Seit Hunderten von Jahren suchen wir danach, und du lässt es dir durch die Lappen gehen? Würmerkacke!«

Die Hexe kochte fast über, sie konnte ihren Zorn kaum zügeln. Bosrak machte sich noch kleiner und hoffte, dass er unbeschadet den Wutanfall der Hexe überstünde. Nervös strich er ein paar fettige Haarsträhnen nach hinten.

»Was hast du mir sonst noch zu berichten, du überflüssiger Nichtsnutz?«, keifte Yarkona ihn an.

»Ich wollte den zwei Menschenkindern das Buch gerade wegnehmen, als diese Blumenelfe kam. Sie hüllte die beiden in dieses weiße Zeug, sodass ich nicht mehr an sie herankam. Die blöde Elfe ist schuld! Es war mir einfach nicht möglich, ihren Schutzwall zu durchbrechen. Aber dafür war das Gewitter in meiner Gewalt, es hat mir gehorcht!« Hoffnungsvoll stierte der Diener die Hexe an.

Ein Wutschrei von Yarkona gellte durch die Luft, der dafür sorgte, dass Pflanzen und Tiere, die sich in der Nähe befanden, die Luft anhielten und sich schnell versteckten. Unerwartet donnerte die Hexe Bosrak ihre Peitsche mitten ins hässliche Gesicht und spuckte auf die aufgeplatzte Wunde. Er zuckte nur kurz zusammen, er war Schlimmeres gewöhnt.

»Gewitter? Was tut schon ein dämliches Gewitter? Verschwinde, du hässliche Kröte! Besorge mir das Buch! Vernichte die Kinder und die Elfe! Geh endlich, du wurmstichiger Kerl, finde sie!«

Bosrak war froh, dass er dieses Mal so glimpflich davonkam war, und wollte schnell weg, bevor Yarkona es sich anders überlegte. Zögernd nuschelte er: »Ich muss erst zu Worak, um ihm Bericht zu erstatten.«

Die Hexe kreischte genervt. Sie sandte den Torak anstelle ihres Dieners mit der schlechten Nachricht zu dem Zauberer. So konnte Bosrak sich ohne weitere Verzögerung auf die Suche nach dem Buch machen.

Wieder einmal fühlte Bosrak sich schlecht. Immer hackte Yarkona wie eine Krähe auf ihm herum, und er kam sich wie ein Versager vor. Dabei war er als Gestaltwandler etwas Besonderes und nicht nur so ein dummer, kleiner Trottel! Außerdem verstand er auch ein wenig von Magie! Der Unwillen in ihm wuchs. Seit einiger Zeit entwickelte sich ein Gefühl des Widerstandes in ihm. Nie ein Lob, immer nur Unzufriedenheit und Gezänk von der Hexe. Er wartete auf eine Gelegenheit, um sich von Yarkona loszusagen. Aber wollte er das wirklich? Auch wenn er unzufrieden war, die Hexe war immerhin so etwas wie seine Familie!

Die Luft um ihn herum flimmerte, seine Gestalt verschwamm. Bosrak wurde zur Ratte, seiner Lieblingsgestalt, und machte sich grübelnd auf den Weg, um den Auftrag zu erfüllen.

Die Hexe dagegen setzte fluchend den Weg zu ihren Schwestern fort. Sie peitschte die Hyänen, welche die Kutsche zogen. Währenddessen kratzte sie mit einer Hand aufgeregt an den Warzen, sodass ihr ganzes Kinn mit der stinkenden Glibbermasse bedeckt war. Die andere Hand rupfte wild an den abstehenden Haaren.


Fanrea

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