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Ein ganz normaler Tag

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Es war ein wolkenloser Morgen, der von den Verlockungen der baldigen Sommerferien flüsterte. Die lilafarbenen Blüten des Lavendels sowie die prachtvollen Rosen verbreiteten ihren süßlichen Duft, während der Rittersporn mit dem Blau des Himmels wetteiferte. Zahlreiche Bienen summten von Blume zu Blume. Schmetterlinge, die mit ihren farbenprächtigen Flügeln verzauberten, flatterten fröhlich umher.

Das Dorf lag in einer malerischen Landschaft aus Seen, Wäldern und Wiesen, durch die sich Bäche zogen. Die Einwohner dieser Gegend lebten im Einklang mit der Natur, alles ging hier etwas gemächlicher zu. Die Mehrzahl der Häuser war sehr alt und liebevoll gepflegt, die Menschen wohnten schon seit vielen Generationen darin und bildeten eine vertraute Gemeinschaft. Der laute Klang der Kirchenglocke durchbrach die Stille dieses friedlichen Sommermorgens.

Die vierzehnjährige Emma schnippte eine Fluse von ihrer Jeans und band schnell die blauen Chucks zu. Tiefe Augenringe verrieten Schlafmangel, denn seit einiger Zeit wurde sie von schrecklichen Alpträumen gequält. Der Traum der letzten Nacht war besonders beängstigend gewesen: Orientierungslos lief Emma durch einen düsteren Wald, dessen Bäume sich als unheimliche Scherenschnitte gegen den Vollmond abhoben. Dicke Wurzeln brachten das Mädchen zum Stolpern, während die Locken in langen Ästen hängenblieben.

Plötzlich durchbrach bedrohliches Heulen die Dunkelheit, gleichzeitig sank die Temperatur abrupt. Kälte überlief Emma wie flüssig gewordenes Grauen und ihr Herz setzte vor Angst einen Schlag aus. Unvermittelt tauchten haarige Bestien auf, die eine Treibjagd auf das Mädchen eröffneten. Wilde Wölfe mit rotglühenden Augen hetzten durch die Nacht, sprangen es schließlich brutal an, trieben es mit gefletschten Zähnen vor sich her. Der heiße Atem der Tiere keuchte so dicht am Gesicht, dass Emma den fauligen Aasgeruch zu riechen glaubte. Es ekelte sie dermaßen, dass sie zu würgen begann.

Schließlich war Emma durch ihre eigenen, panischen Schreie schweißgebadet aufgewacht. Vor lauter Angst, dass der widerliche Albtraum zurückkehrte, lag sie grübelnd wach. Als der Morgen langsam anbrach, schlief sie traurig, mit rot geweinten Augen ein.

Nun starrte Emma trübsinnig in den Spiegel. Während sie ihr Haar kämmte, stieß sie unerwartet heftig hervor: »Ich will nicht mehr grübeln! Papa weg! Opa weg! Dann ist es eben so!« Voller Trotz kaute sie auf der Lippe. Seufzend griff Emma nach einer Spange, um damit ihre langen, dunklen Locken zu bändigen. »Diese plustrigen Haare! Dass alle Mädchen aus meiner Klasse mich deswegen beneiden! Hätte ich doch nur glatte blonde!«

In diesem Moment klingelte es unten an der Tür, was Emma dazu verleitete zu fluchen: »Verdammter Mist! Ich hab meine Tasche noch nicht gepackt!« Hektisch warf sie zwei Hefter, Mäppchen und ein Buch in ihren Rucksack. Dann eilte sie die Treppe herunter, stoppte mitten im Lauf, stolperte dabei fast über die eigenen Füße und stürmte noch einmal hoch in ihr Zimmer. Dort packte sie den Turnbeutel, mit dem sie zurückraste.

Emmas Mutter rief: »Deine Pausenbrote liegen noch hier!«

Seufzend lief Emma in die Küche, griff nach den Broten, warf der Mutter einen Handkuss zu und rannte zur Haustür. »Hi, Ben, sorry, dass du warten musstest!«

Wie jeden Morgen, wenn Schule war, begrüßte Ben sie mit einem frechen Grinsen, das sich bis zu den strahlend blauen Augen fortsetzte. Die hellblonden Haare wirkten mal wieder ungekämmt, denn sie wuchsen in so vielen Wirbeln auf seinem Kopf, dass eine richtige Frisur unmöglich war. Kauend nuschelte er: »Hi! Komm, beeil dich, wir sind spät dran! Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben*.«

»Besser spät als nie*!«, hielt Emma dagegen.

Mit dem Handrücken wischte Ben ein paar Krümel von der Lippe.

»Was kaust du denn schon wieder?«, fragte Emma.

»Meine Mutter hat mir keine Brote gemacht. Sie ist wegen der Nachtschicht total müde und schläft noch. Deshalb hab ich wenigstens ein paar Kekse mit ’ner Banane auf dem Weg zu dir gegessen.« Sein Blick wurde jämmerlich. »Aber bis zur Schule bin ich bestimmt verhungert.«

Emma grinste. »Ist klar! Ich schlepp wahrscheinlich wieder zehn Brote mit mir rum! Willst du eins?«

»Kommt drauf an, was drauf ist. Hoffentlich nicht nur Gurke oder Tomate! Von Salat schrumpft der Bizeps*

Emma verdrehte die Augen, knuffte Ben in die Seite und reichte ihm ihre Brotdose.

Skeptisch begutachtete der den Inhalt: »Ein Biogesundheitsbrot – natürlich mit Gurke und Tomate. Ein Körnerbrot mit Käse und Salat. Tss! Ahh ja, da kommen wir der Sache näher: ein Schinkenbrot! Das nehm ich! Deine Mutter weiß genau, was mir schmeckt.«

»Sie macht die doch für mich!«

»Das glaubst du doch wohl selbst nicht!« Genussvoll biss er hinein.

»Wie kannst du nur so schlank sein, wenn du so viel isst?«

»Ich bin eben ein toller Typ!« Er nahm noch einen großen Bissen. Doch unvermittelt wurde sein Blick ernst, als er die Freundin fixierte. »Hattest du letzte Nacht schon wieder einen deiner Alpträume?«

»Ja, einen echt ekelhaften!«

»Monster mit Krallenhänden?«

»Nee!«, seufzte Emma. »Dieses Mal waren es Wölfe. Es war widerlich!«

»Aber nur ein Traum!«, versuchte Ben, sie zu beruhigen.

Fragend sah Emma ihren Freund an, als ob er eine Erklärung wüsste, warum diese schrecklichen Träume sie quälten. Doch in seinen Augen stand nur Ratlosigkeit.

Jedes Mal gruselte es Ben, wenn sie ihm diese entsetzlichen Träume beschrieb. Das Verstörende war, dass sie sich alle ähnelten und für Emma real anfühlten. Beklommen betrachtete er die Freundin von der Seite, bemerkte, wie übernächtigt sie aussah. Die beiden kannten einander, seit sie laufen konnten, und gingen zusammen in dieselbe Schulklasse. Eine tiefe Freundschaft verband sie, und Ben machte sich Sorgen. Emma war immer schlank gewesen, aber in den letzten Monaten war sie dünn geworden. Zudem blitzten ihre blaugrünen Augen nicht mehr so unternehmungslustig wie früher.

»Was hältst du davon, wenn wir am Wochenende klettern gehen?«, startete Ben den Versuch, seine Freundin von ihren Alpträumen abzulenken.

»Hm!«

»Oder willst du lieber eine Kanutour machen?«

»Hm!«

»Komm schon, mit wem soll ich sonst losziehen? Du sagst doch eigentlich immer ja!«

»Stimmt! Du hast ja recht! Ich bin langweilig geworden! Okay, du darfst aussuchen!«

Als sie erneut schwieg, stattdessen nur ihre Stirn runzelte, ließ Ben nicht locker: »Wie war dein Ballett? Mein Karatetraining war total anstrengend!«

»Eigentlich gut, aber ich brauche schon wieder neue Spitzenschuhe. Dabei sind die so teuer!«

»Wieso? Sind sie zu klein?«

»Nee, weich getanzt.«

»Ah! Was hast du gestern außer Tanzen noch gemacht?«

»Gelesen! Hab das Ende von Gregor und das Schwert des Kriegers gelesen. War leider ohne richtiges Happy End. Danach hab ich ein neues Buch von Michael Scott angefangen. Es handelt von auserwählten Zwillingen, die die Welt retten müssen. Nicolas Flamel ist ihr Mentor. Du weißt schon, der Alchemist. Das Buch ist voll krass, weil darin lauter Gestalten aus Mythen oder Sagen vorkommen.«

»Aha!« Ben war erleichtert, dass es ihm endlich gelungen war, Emmas Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Gut! Jetzt musste er sie nur noch reden lassen, vielleicht ab und zu eine Bemerkung einwerfen. Emma war im Redefluss, die schlimme Nacht und die Grübeleien dadurch verdrängt. Nach einer Weile drifteten Bens Gedanken weg, während seine Freundin weiter von dem Buch schwärmte.

Er kam gut mit Emma klar, weil er sich nichts aus ihren extremen Stimmungsschwankungen machte und die Freundin nahm, wie sie war: Manchmal introvertiert, mal zickig, dann wieder lustig und ausgelassen. Eines wusste er jedoch ganz sicher: Er konnte sich immer auf sie verlassen!

Mit seiner fröhlichen, unbeschwerten Art war Ben ein ganz anderer Typ als Emma. Meistens verbreitete Ben gute Laune, nahm die Dinge eher leicht und grübelte nicht viel. Mit Leidenschaft lernte er Koryû Uchinâdi, eine spezielle Form von Karate, und spielte gerne Fußball mit Freunden. Schon in der Grundschule hatte Ben seine Begeisterung dafür entdeckt, da die Jungen in den Pausen meistens kickten. Seit Ben und Emma auf das Gymnasium gingen, war die Zeit zwar knapper geworden, aber er trainierte trotzdem weiterhin im Verein.

Der Sport verband ihn mit Gleichaltrigen, denn manchmal fühlte Ben sich wie ein Außenseiter, da ihn die Natur mehr interessierte als Computerspiele, Netzwerke oder Smartphones. Diesem ganzen digitalen Kram konnte er nicht allzu viel abgewinnen. Ben brauchte Bewegung, wollte Wind in den Haaren spüren und dabei frisch gemähtes Gras riechen oder wenn es regnete, die kalten Tropfen fühlen, die auf seiner Haut zerplatzten. Er liebte es, beim Joggen die Muskeln zu spüren, dabei bis an die Grenzen zu gehen. Sogar den Winter mit seiner eisigen Pracht mochte er und genoss es, morgens durch den Wald zu laufen, wenn der Atem blasse Wölkchen erzeugte und der Raureif die Bäume zu bizarren Gebilden verzauberte.

»Hörst du mir überhaupt zu?«, riss Emma ihn aus den Gedanken.

»Äh, ja! John Dee hat die Toten erweckt, sogar Säbelzahntiger.«

»Da hast du aber gerade noch mal die Kurve gekriegt.« Sie knuffte Ben erneut in die Seite.

Plötzlich rempelte jemand Emma von hinten an. »Geh aus dem Weg, du dumme Kuh!«

Es war Paul, ein unangenehmer Raufbold. Er war groß für sein Alter, der Körper jedoch untrainiert und schwammig. Die kleinen Augen im rundlichen, blassen Gesicht blickten ständig Streit suchend umher.

Ben murmelte leise: »Ein Choku-Zuki und er liegt am Boden! Soll ich?«

»Nein, lass es! Das ist genau das, was er will. Der sucht mal wieder Streit. Mir reichen die Wölfe von heute Nacht!«

Ben hörte auf Emma und zügelte sein Temperament. Das fiel ihm jedoch sehr schwer, denn wenn ihm etwas nicht passte oder ihn jemand ärgerte, neigte er zu cholerischen Wutanfällen. Vergeblich versuchte er, nicht so hitzköpfig zu reagieren. Doch im Bauch loderte dann ein wildes Feuer, das ihn zu verzehren drohte. In der letzten Zeit wurde diese Hitze immer stärker, und er fragte sich, wie diese Wut zu bändigen sei. Erleichtert stellte Ben fest, dass er heute einen entspannten Tag hatte und die Zorneswelle ausblieb.

Streitlustig stierte Paul die beiden an, doch als die gewünschte Reaktion nicht folgte, zog er enttäuscht ab, zischte aber noch gehässig: »Feigling!«

Vorsichtshalber hielt Emma ihren Freund am Arm fest. »Der blöde Rüpel ist es nicht wert, sich aufzuregen! Er meint, er ist etwas besseres, weil sein Vater mit der Schreinerei gut Geld verdient. Paul denkt, er kann sich alles erlauben!«

»Tja! So wie sein Vater die Arbeiter in der Schreinerei tyrannisiert, springt Paul mit uns um. Oder den Klassenkameraden! Deshalb hat er auch keine Freunde! Nicht einen einzigen!«

Emma zuckte mit den Schultern. »Eigentlich kann er einem leidtun.«

Schnell liefen Ben und Emma in die Klasse. Mit dem Läuten der Schulglocke nahmen sie ihre Plätze ein. Die Stunden plätscherten gemächlich dahin, bis endlich der erlösende Gong ertönte, der das Ende des Schultages verkündete.

Als Emma sich mit Ben für den Nachmittag verabreden wollte, lehnte dieser ab: »Ich hab dir doch erzählt, dass meine Augen schlecht geworden sind. Gleich fahre ich in die Klinik zur Kontrolle. Ich hoffe, dass ich nicht demnächst so ’ne dicke Brille tragen muss, mit der mich alle auslachen.«

Emma kicherte: »Wäre doch süß!«

»Na, prima!«

»Dann siehst du endlich mal etwas intelligenter aus!«

Gegenseitig neckend machten die Freunde sich gemeinsam auf den Heimweg.

*

Als Emma die Küche betrat, blubberte eine Gemüsesuppe auf dem Herd. Es duftete verlockend nach Kartoffeln, Möhren, Sellerie und Lauch. Erst jetzt bemerkte Emma, wie hungrig sie war. Gemüsesuppe! Eines ihrer Lieblingsgerichte!

Da vernahm Emma das gleichmäßige Brummen eines Motors und sah aus dem Fenster. Ihre Mutter Marlene mähte den Rasen, während die drei kleineren Geschwister halfen, indem sie Stöckchen und Spielzeug aus dem Weg räumten.

Emma seufzte, als sie sah, wie ihre Mutter sich abmühte. Schwer wog die Last der vergangenen Monate auf der Familie, und Emma fühlte sich elend und allein gelassen. Der Vater war einfach gegangen, ohne große Erklärungen. Sie wusste nicht viel über das Warum oder Wieso der Trennung ihrer Eltern. Die Mutter hatte nur erzählt, dass es eine neue Frau in seinem Leben gab und dass er, ohne lange zu zögern, mit ihr nach Südamerika ausgewandert war. Wo er lebte oder wer diese neue Frau an seiner Seite war, wollte Emma gar nicht wissen. Sie sah ihn nicht mehr und hatte nicht vor, noch einmal mit ihm zu reden. In ihren Augen war er ein Verräter, der nur noch Verachtung verdiente.

Der Auszug des Vaters veränderte das ganze Familienleben. Marlene hatte noch mehr Arbeit als vorher, denn sie musste ihren Mann ersetzen, doch das war schwer. In jedem Bereich! Immerhin überwies er regelmäßig etwas Geld, auch wenn es trotzdem vorne und hinten nicht reichte. Deshalb bügelte oder nähte Marlene nachts, wenn die Kinder schliefen, für die Leute aus dem Dorf. Wegen der vier Kinder war es ihr nicht mehr möglich, den Beruf als Fotografin auszuüben.

Einmal, als Emma nachts nicht schlafen konnte, hatte sie sich leise nach unten in die Küche geschlichen, um ein Glas Wasser zu trinken. Ihre Mutter saß am Küchentisch, den Kopf auf die Hände gestützt und vergoss lautlose Tränen. Dieses traurige Bild brannte sich in Emmas Kopf ein, vergiftete seither die Gedanken. Damals verdrückte sie sich, weil sie unsicher war, ob ihre Mutter so verzweifelt gesehen werden wollte.

Emma seufzte. Sie hatte Wut auf ihren Vater. Unbeschreibliche, grenzenlose Wut, die sich im Bauch wie ein Eisblock festsetzte und langsam darin ausbreitete. Manchmal meinte sie an ihrem Zorn zu ersticken. Dann half nur noch eines: Wasser!

Während Emma die Suppe umrührte, erinnerte sie sich: Die Dämmerung hatte den stillen See hinterm Haus in einen mystischen Ort verwandelt. Wie ein Spiegel lag die Wasseroberfläche vor ihr und lud ein, in eine andere Wirklichkeit zu tauchen. Mit einem kühnen Kopfsprung durchbrach sie diesen Spiegel. Kaum berührte das kühle Nass ihre Haut, verloren sich Hass sowie Trauer. Stattdessen durchfluteten Energiewellen den Körper, sodass die lästigen Gedanken davontrieben wie Seetang in einem Sturm. Emma durchpflügte das kalte Wasser, als wären Furien hinter ihr her, bis die Lungen zu zerspringen drohten. Danach ging es ihr besser, der Eisklumpen war geschmolzen. Mit dem Element Wasser fühlte sie sich eins. Am liebsten wäre Emma für immer in dem See geblieben.

Wenig später, nach dem Weggang des Vaters, starb der Großvater. Der Krebs hatte ihn langsam aufgefressen, am Ende seiner Lebensfreude und Würde beraubt. Dieser zweifache Verlust und der damit verbundene Schmerz bohrten tief in Emmas Seele. Immer. Jeden Tag. Tag und Nacht.

Aber nun befand Emma sich im Hier und Jetzt. Zuhause. Allein mit den trüben Gedanken, die genüsslich an ihren Eingeweiden fraßen.

Gerade als sie etwas Suppe auf den Teller schöpfte, kam die jüngere Schwester Lara in die Küche.

»Guck mal, was ich gefunden habe!«, rief Lara und zeigte ihr zwei riesige Nacktschnecken, die auf den Händen eine schleimige Spur zogen.

»Iiihhh!«, kreischte Emma. »Musst du immer diese ekeligen Viecher mit ins Haus bringen?«

»Stell dich doch nicht so an!« Lara verdrehte die Augen.

»Jeden Tag ärgerst du mich mit irgendwelchen fiesen Spinnen oder sonst einem Tier! Benimm dich doch mal wie eine Achtjährige!« Emma streckte ihrer Schwester die Zunge heraus.

Lara plärrte direkt: »Mama, Emma ist wieder gemein zu mir!«

»Dumme Petze!«, zischte Emma.

»Selber!«

»Du bist einfach eine blöde Kuh!«

Die Mutter erschien in der Küche und seufzte erschöpft: »Nicht schon wieder streiten, ihr zwei! Hallo, Emma. Bring die Schnecken raus, Lara! Du weißt doch, dass Emma sich davor ekelt.«

Der zehnjährige Max stürmte schreiend in die Küche: »Ich habe Hunger, Hunger, Hunger!« Dazu führte er einen wilden Indianertanz auf.

Stöhnend verdrehte Emma die Augen, sie fand Max zurzeit einfach nur laut und nervig. Sie zankten ständig miteinander.

Jakob, der Kleinste, kam ebenfalls in die Küche. Dort, wo er stand, bildete sich eine Pfütze aus Wasser, während jede Menge Sand von seiner Kleidung sowie den Händen herabrieselte.

»Jakob! Raus mit dir! Sofort draußen alles ausziehen!«, befahl die Mutter umgehend.

»Manno, ist doch nur Sand!«, maulte Jakob.

Emma schüttelte den Kopf über die Geschwister und wünschte sich zum hundertsten Mal, ein Einzelkind zu sein. Na ja, nicht ganz, Jakob würde sie vielleicht behalten!

Das gemeinsame Essen verlief chaotisch, weil Jakob seinen Orangensaft umwarf, zusätzlich mit Suppe kleckerte, während der Rest der Kinder herumzankte. Emma und Lara gerieten besonders heftig aneinander, sie stürzten sich in den üblichen Zickenkrieg. Schließlich floh Emma aus der Küche, um sich in ihr Zimmer zurückzuziehen. Nach einer Weile ging die Tür auf und Lara trat ein.

»Oh, nein, nicht du schon wieder! Raus mit dir und nerv mich nicht!«, schleuderte Emma ihr entgegen.

»Ich wollte doch nur fragen, ob ich deine Buntstifte leihen kann.«

»Nee, du hast eigene, nimm die! Meine verzottelst du immer!«

Laras Blick fiel auf den Schreibtisch. »Kann ich dann wenigstens deine Spängchen haben?«

»Nee! Du willst immer alles haben, was ich habe! Überhaupt willst du immer viel mehr als ich je hatte, als ich in deinem Alter war! Das Schlimme ist: du kriegst es auch noch!« Schlecht gelaunt warf Emma ihre Schwester aus dem Zimmer, sie wollte jetzt endlich Ruhe haben. Zunächst hatte der Albtraum den Tag schlecht beginnen lassen, dann folgten quälende Gedanken an den Vater und zu guter Letzt nervten die Geschwister.


Fanrea

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