Читать книгу Der Tod auf dem Nil - Agatha Christie - Страница 10

VII

Оглавление

»Und wenn er nun ein furchtbarer Grobian ist?«, gab Joanna Southwood zu bedenken.

Linnet schüttelte den Kopf. »Ach, das wird er schon nicht. Auf Jacquelines Geschmack ist Verlass.«

»Na ja, nur –«, murmelte Joanna, »verliebt sind die Leute nicht unbedingt in Hochform.«

Linnet schüttelte den Kopf noch unwirscher und wechselte das Thema. »Ich muss zu Mr Pierce wegen der Pläne.«

»Pläne?«

»Ja, ein paar furchtbar unhygienische alte Hütten. Ich lasse sie abreißen und die Leute woanders unterbringen.«

»Wie gesundheitsbewusst und menschenfreundlich von dir, Liebling!«

»Die Hütten mussten sowieso weg. Man hat von da aus Einblick in mein Schwimmbecken.«

»Wollen denn die Leute, die da jetzt wohnen, auch weg?«

»Die meisten liebend gern. Ein, zwei stellen sich ein bisschen dumm an – die sind sogar ziemlich lästig. Die wollen offenbar nicht einsehen, wie viel besser sie woanders leben könnten!«

»Trotzdem hast du es ganz eigenmächtig entschieden, nehme ich an.«

»Meine liebe Joanna, es ist tatsächlich zu ihrem Besten.«

»Aber ja, Liebes. Ganz bestimmt. Zwangsbeglückung.«

Linnet runzelte die Stirn.

Joanna lachte.

»Na komm, du bist ein Tyrann, gib’s zu. Ein wohltätiger Tyrann, wenn du so willst!«

»Ich bin kein Tyrann, kein bisschen.«

»Aber du willst immer alles nach deiner Fasson machen!«

»Nicht unbedingt.«

»Linnet Ridgeway, kannst du mir in die Augen sehen und ein einziges Mal nennen, bei dem nicht alles genau so gemacht wurde, wie du es wolltest?«

»Dutzende.«

»O ja, ›Dutzende‹ – sagst du so –, aber kein einziges konkretes Beispiel. Dir fällt auch partout keins ein, und wenn du dich noch so anstrengst! Linnet Ridgeway beim Triumphzug im goldenen Wagen.«

»Willst du damit sagen, ich bin selbstsüchtig?«, fragte Linnet spitz.

»Nein – nur unwiderstehlich. Die geballte Macht von Geld und Charme. Vor dir geht alles auf die Knie. Und was du nicht mit Geld kriegst, das kriegst du mit einem Lächeln. Fazit: Linnet Ridgeway, das Mädchen, das alles hat.«

»Sei nicht albern, Joanna!«

»Wieso, hast du etwa nicht alles?«

»Doch, habe ich wohl. Aber das klingt so … irgendwie ekelhaft.«

»Natürlich ist das ekelhaft, Liebling! Wahrscheinlich langweilst du dich bald entsetzlich und wirst mit der Zeit blasiert. Bis dahin genieß nur deinen Triumphzug im goldenen Wagen. Ich weiß allerdings nicht, ich weiß wirklich nicht, was passiert, wenn du irgendwann eine Straße entlangfahren willst, und da steht ein Schild: ›Keine Durchfahrt‹.«

»Du bist ja übergeschnappt, Joanna.« Linnet drehte sich um zu Lord Windlesham, der gerade dazugekommen war. »Joanna sagt ganz gemeine Sachen zu mir.«

»Die reine Bosheit, Liebling, die reine Bosheit«, murmelte Joanna und stand auf. Sie ging ohne ein Wort aus dem Zimmer. Sie hatte das Funkeln in Windleshams Augen gesehen.

Er schwieg eine Weile und fragte schließlich ganz direkt: »Hast du dich entschieden, Linnet?«

Langsam antwortete Linnet: »Bin ich gefühllos? Ich müsste doch wohl, wenn ich mir nicht sicher bin, nein sagen –«

Er fiel ihr ins Wort. »Sag’s nicht. Du hast Zeit – alle Zeit, die du willst. Aber weißt du, ich finde, wir sollten miteinander glücklich sein.«

»Sieh mal«, Linnet klang fast kindlich trotzig, »ich bin so gern allein – vor allem hier, mit alldem.« Sie fuhr mit der Hand durch die Luft. »Ich wollte mit Wode Hall mein Ideal von einem Landhaus verwirklichen, und ich finde, das habe ich doch ganz gut geschafft, oder?«

»Es ist wunderschön. Schön entworfen. Alles vollkommen. Du bist sehr klug, Linnet.«

Wieder hielt er einen Augenblick inne. »Aber du magst doch Charltonbury auch, oder? Man müsste es natürlich modernisieren und alles – aber in solchen Dingen bist du ja sehr geschickt. Es wird dir Spaß machen.«

»Aber ja, natürlich, Charltonbury ist himmlisch.« Sie klang begeistert, aber tief innen spürte sie einen Schauder. Ein fremder Ton war da mitgeschwungen, und der trübte ihre vollkommene Zufriedenheit mit dem Leben. Sie ging dem Gefühl nicht weiter nach. Erst später, als Windlesham gegangen war, fing sie an, die geheimen Winkel ihrer Gedanken zu durchstöbern.

Charltonbury. Ja, das war es gewesen – der Name Charltonbury hatte das in ihr aufgerührt. Aber warum? Charltonbury war sogar ziemlich berühmt. Windleshams Vorfahren saßen dort seit den Zeiten von Königin Elisabeth. Herrin von Charltonbury war eine kaum zu überbietende gesellschaftliche Position. Windlesham war einer der begehrenswertesten Adligen in ganz England. Und Wode Hall konnte ihn natürlich nicht beeindrucken. Es war gar kein Vergleich mit Charltonbury.

Nein, aber Wode Hall gehörte ihr! Sie hatte es entdeckt, erworben, umgebaut, neu eingerichtet und ihr Geld mit Freuden dafür ausgegeben. Es war ihr ganz eigener Besitz – ihr Königreich.

Doch irgendwie wäre das alles nichts mehr wert, wenn sie Windlesham heiraten würde. Was sollten sie auch mit zwei Landsitzen? Aufgegeben würde natürlich Wode Hall. Und sie selbst, Linnet Ridgeway, gäbe es auch nicht mehr. Sie würde Countess of Windlesham und brächte eine hübsche Mitgift mit nach Charltonbury und zu dessen Herrn. Sie wäre die Gemahlin des Königs und nicht mehr selbst die Königin.

»Ich bin albern«, sagte Linnet laut zu sich.

Aber es war schon eigenartig, wie wenig ihr die Vorstellung gefiel, Wode Hall aufzugeben …

Und war da nicht noch etwas Nagendes? Jackies Stimme, mit diesem sonderbaren düsteren Ton: »Ich sterbe, wenn ich ihn nicht heiraten darf! Ich sterbe. Ich sterbe …«

So gewiss, so ernst. Fühlte sie selbst, Linnet, so etwas eigentlich für Windlesham? Mit Sicherheit nicht. Womöglich würde sie nie so etwas für jemanden fühlen. Es musste wunderbar sein …

Das Geräusch eines Autos drang durch das offene Fenster herauf. Linnet schüttelte sich widerwillig. Es war bestimmt Jackie mit ihrem jungen Mann. Sie musste nach unten gehen, sie begrüßen.

Sie stand in der offenen Tür, als Jacqueline und Simon Doyle aus dem Auto stiegen.

»Linnet!« Jackie kam ihr entgegengelaufen. »Das ist Simon. Simon, das ist Linnet. Ganz einfach der wunderbarste Mensch auf der Welt.«

Linnet betrachtete den großen, breitschultrigen jungen Mann mit den ganz dunkelblauen Augen, den braunen Kräusellocken, dem energischen Kinn und dem anziehenden, arglosen Jungenlächeln …

Sie streckte die Hand aus. Die andere Hand, die ihre ergriff, war fest und warm … Sie mochte, wie er sie ansah, mit naiver, echter Bewunderung.

Jackie hatte ihm erklärt, Linnet sei wunderbar, und es war deutlich, dass er das auch fand …

Ein süßes warmes Rauschgefühl lief ihr durch die Adern. »Ist das nicht alles wundervoll!«, sagte sie. »Kommen Sie herein, Simon, herzlich willkommen, mein neuer Gutsverwalter.«

Dann drehte sie sich um, ging vor und dachte: »Ich bin schrecklich – schrecklich glücklich. Jackies junger Mann gefällt mir … Gefällt mir enorm …«

Und plötzlich ein Stich: »Hast du ein Glück, Jackie …«

Der Tod auf dem Nil

Подняться наверх