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6c. Plan 2: Bresse-Hühner
ОглавлениеZum Geburtstag bekomme ich ein tolles Geschenk: Ein Papierhuhn, das ein Ei legen kann. Mein Mann war wieder kreativ und hat sogar die Kinder mit herangezogen. Denn die Vorlage aus dem Netz hat er nicht selbst ausgemalt, sondern das schön delegiert. Witzige Idee, dass das Huhn ein Ei legen kann: Auf der Rückseite des eindimensionalen Huhns (so ein Huhn hat nicht jeder) sind zwei Papierstreifen befestigt, in die das (ebenfalls eindimensionale) Ei hineingesteckt werden kann. Aber das Huhn ist nur Informationsträger für das eigentliche Geschenk: Ein Gutschein für einen Besuch bei einem Versuchsbauernhof. Im Radio war ein Bericht darüber, dass es dort freitags nachmittags eine „Hühnersprechstunde“ gibt. Das ist toll! Und Eier kann man da auch kaufen. Der Bauernhof ist ganz in der Nähe und ich erinnere mich, dass ich da schon einmal war, als ich mit meiner Freundin spazieren ging und ihr Orientierungssinn sie etwas im Stich ließ (meiner ist sowieso kaum ausgebildet, daher kann ich guten Gewissens alle Schuld von mir weisen). Bei unserem abendlichen Spaziergang über Wiesen und Felder landeten wir damals zunächst mitten auf der Kuhweide und bei unserem Versuch, ohne großen Umweg wieder in bewohnte Gefilde zurückzukehren, auf dem Gelände des besagten Bauernhofs, das man eigentlich nicht so ohne Weiteres betreten darf. Zu allem Übel war dort noch ein Hund unterwegs und meine Freundin hat es mit Hunden überhaupt nicht. Bei mir hängt die Sympathie mit der Größe und dem Gehabe des Tieres zusammen und bei diesem war mir auch nicht so ganz wohl. Wir waren heilfroh, als wir ein Eingangstor fanden und es dann auch noch offen vorfanden und so einen sicheren Zaun zwischen den Hund, das verbotene Gelände und uns bringen konnten.
Um genau diesen Bauernhof handelt es sich also, aber dieses Mal kommen wir ja zu offiziellen Öffnungszeiten durch den Haupteingang von draußen rein - und wollen nicht umgekehrt abends von drinnen wieder heraus. Selbstverständlich ist die ganze Familie dabei, als wir das Gebäude betreten. Dort steht ein Herr, der gerade den Leuten vor uns Eier verkauft. Das ist ja interessant. Ganz bei uns in der Nähe und uns gar nicht bekannt - Eier direkt vom Bauernhof! Für unsere Frage bezüglich der Hühnerhaltung ist seine Kollegin zuständig. Ich sage mein Sprüchlein auf, dass wir uns Hühner anschaffen und nun Expertenrat einholen wollen. Ich zeige zunächst das Foto auf meinem Handy von unserem für die Hühner auserkorenen Stück Land.
„Prima, gut strukturiert und auch groß genug.“
Das hatte auch schon Annegret gesagt. Ich fahre fort, dass ich bei der Wildvogelhilfe bin und wir von dort Seramas haben können.
„Seramas habe ich selbst zuhause auch, das sind sehr schöne Hühner. Aber die würde ich nicht empfehlen, wenn bei Ihnen, wie Sie sagen, eine freie Wiese ans Grundstück anschließt und auch der Wald nicht weit ist. Da kommt der Habicht gern vorbei und der bedeutet eine große Gefahr für die Zwerghühner.“
Ups, das ist erst einmal nicht die Nachricht, die ich hören wollte, denn wir hatten uns das ja eigentlich schon so überlegt und von Annegret ja auch ganz was anderes gehört. „Außerdem sind die Seramas auch nicht so leicht in der Haltung und nicht unbedingt anfängergeeignet.“ Auch davon hatte Annegret nichts gesagt.
„Wir haben hier“, fährt die Dame fort, „Bresse-Hühner. Das sind große Tiere, denen Raubvögel oder ein Fuchs nichts anhaben können. Und sie sind ganz unkompliziert und robust. Da können Sie nichts falsch machen. Ich kann Ihnen die Tiere gleich mal zeigen. Sie sind das Nationalhuhn der Franzosen: blaue Beine, weißes Gefieder, rote Stirnlappen, wie die französische Nationalflagge.“
Ein Huhn mit blauen Beinen, das habe ich noch nie gehört.
„Und Sie könnten von mir Eier bekommen und dann die Küken selbst aufziehen. Dann werden sie ganz zutraulich.“
Das ist natürlich eine Hammernachricht: befruchtete Eier, dass wir die Küken selbst ausbrüten und aufziehen können!!! Die Kinder sind natürlich sofort begeistert von der Idee und auch ich finde die Aussicht sehr verlockend. Obwohl ich mich frage, ob das so leicht ist und diese Frage dann auch äußere.
„Ach was, das ist gar kein Problem. Sie stellen eine Wärmelampe in den Stall und das war’s dann schon.“
Hört sich unaufwendig an und die Hühner sind angeblich ja auch robust, dann wird das wohl auch schon auf die Küken zutreffen.
„Im Prinzip können Sie Eier direkt mitnehmen. Oder Sie könnten im Oktober noch einmal welche haben, da ich dann noch einmal für ein Projekt Küken züchte.“
Ups, jetzt sofort, nein, so weit sind wir ja noch gar nicht mit Stall und Auslauf!! Oktober hingegen, das müssten wir ja auf jeden Fall schaffen und das wird dann sicher auch die letzte Gelegenheit dieses Jahr sein.
„Dann können wir jetzt mal die Hühner angucken gehen.“
Wir folgen der Dame in die Tiefen des Gebäudes.
„Hier sind Eier von den Bresse-Hühnern“, zeigt sie uns. „Sie sehen, dass die auch eine besondere Farbe haben leicht gelblich.“
Okay, die Farbe der Eier, die meine Hühner legen, ist mir eigentlich egal und ich sehe auch nicht so wirklich, dass diese Eier gelb sind, aber gut. Durch die Hintertür verlassen wir das Haus und kommen zum Hühnerstall. Ein richtiges Steinhaus und wirklich groß. Im Auslauf, der nicht bedeutend größer als der Stall ist und nicht besonders attraktiv aussieht, ist kein Huhn zu entdecken.
„Ich gehe mal in den Stall und locke sie raus“, sagt die Expertin.
Sie verschwindet im Stall und kurze Zeit später tauchen Hühner draußen auf. Große Hühner, das muss man wirklich sagen!! Blaue Beine, naja, auf mich wirken sie eher grau. Aber das Gefieder ist weiß und der Kamm rot. Wir beobachten die Schar noch eine Weile und machen dann Anstalten zu gehen. Ich möchte die Dame auch nicht so lange aufhalten, denn wir haben jetzt auch nicht mehr viele schlaue Fragen. Wir verbleiben so, dass wir uns dann im Oktober melden und Bescheid sagen, wann wir Eier abholen kommen.
Wir gehen zurück zum Auto, steigen ein und fahren das kurze Stück nach Hause. Ungefähr eine Stunde haben wir auf dem Bauernhof verbracht und nun sind die Pläne ganz anders als vorher! Ob ich das gut oder schlecht finde, muss ich erst noch herausfinden.
Als ich aus dem Auto aussteige, betrachte ich das für die Hühner ins Auge gefasste Stückchen Erde mit anderen Augen. Vier Bresse-Hühner von der Größe eines Fuß-, wenn nicht sogar Basketballs, sind eine andere Nummer als vier Minihandballgroße Seramas. Reicht der Platz dafür wirklich? Vorteil ist natürlich unbestritten, dass keine umherstreunende Katze und kein Greifvogel einem solchen Tier etwas anhaben wird. Das ist ein unheimlich beruhigender Faktor. Und ein Zaun muss nicht sehr feinmaschig sein, das ist auch nicht schlecht. Und süße Küken haben! Allerdings sind die dann alle einheitlich gelb und nicht so hübsch bunt gefiedert wie die Seramas. Dafür haben wir sie dann von ganz klein auf und sie sind an uns gewöhnt! Aber ob der Stall für vier Riesenhühner ausreicht? Ich schwanke hin und her zwischen „JA, das ist eine gute Lösung.“ und „Ganz sicher bin ich nicht.“ Erst einmal abschalten und keine Entscheidung überstürzen, bis Oktober ist es ja noch weit hin.
Derweil legt Katharina eine Liste an mit potenziellen Hühnernamen. Für Bresse-Hühner bieten sich da schöne französische Namen an: Clodette, Juliette, Claudine, Julie, Francine, … Aber auch Gwendolyn findet sie gut. Katharina befragt auch jedes Familienmitglied und sammelt deren Vorschläge. Wenn auch nicht alle ganz mitziehen. Arne will im Vorfeld gar keinen Namen nennen - er will sein Huhn erst taufen, wenn er es hat. Sicher, so macht man es bei Kindern auch, aber in der Regel hat man sich vorher doch bereits Gedanken über den Namen gemacht. Aber Arne bleibt verschwiegen. Ich favorisiere Agatha oder Agathe, wie das Huhn bei Pettersson und Findus. Klaus-Dieter fällt ganz aus der Reihe. Er will sein Huhn ernsthaft „Red Hen“ nennen, wie das amerikanische Lokal, das Trumps Regierungssprecherin Sanders im Sommer 2018 nicht bewirten wollte. Typisch. Stellung beziehen ist schön und gut, aber da muss das arme Huhn ja nicht drunter leiden. Auf jeden Fall hat Katharina schon schnell eine schöne Liste zusammen, viel mehr Namen als wir Hühner anschaffen wollen.