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Kapitel 12

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Die heiße Dusche ließ seine Lebensgeister ihren Dienst wieder aufnehmen. Liebig schritt im Bademantel in die kleine Küche des Appartements und sah aus dem Fenster in die noch von Dunkelheit gehüllte Außenwelt. Außenwelt. Diesen kreativen Namen hatte er der Welt außerhalb seiner Wohnung gegeben, als er diese für Wochen nicht mehr verließ. Sie erschien ihm zu dieser Zeit als feindliches Territorium, auf dem bösgesonnene Kräfte auf ihn lauerten. Er musste lachen: Diese irreale Angstneurose war mittlerweile in eine eigentlich begründete Angst mutiert und doch verlässt er zu jederzeit seine sichere Burg. Das war das beeindruckende Werk von Hoffmann gewesen. Hoffmann zeigte ihm, wie er die Oberhand über seine Ängste gewinnt und die Ketten der Depressionen sprengt. Ein nicht geringer Teil der Therapie hatte auf hypnotischen Elementen basiert, Hoffmanns Passion.

Der Teekessel auf dem Herd pfiff. Just in diesem Moment mischte sich ein zweiter Ton unter das des pfeifendes Teekessels: das der Türklingel. Und derjenige, der klingelte, machte mit den kurz getakteten Klingelstößen keinen Hehl aus der Dringlichkeit seines Besuches. Liebig ließ den Teekessel weiter pfeifen, lief aus der Küche durch den schmalen Flur und spähte durch den Türspion. Nicht auch das jetzt noch. Er drückte die Klinke herunter und öffnete langsam die Tür. Der Anblick war ihm sehr vertraut.

„Du mieses Schwein, spionierst du uns jetzt schon nachts nach. Welch krankes Hirn kommt auf solch durchgedrehte Ideen?“, schrie die Frau und schlug ihm mit beiden Händen gegen die Brust. Ihre Augen waren verweint und die Haare zerzaust. Das hingegen kam Liebig wenig vertraut vor.

Entgeistert blickte er sie an. „Wovon redest du, Sarah?“

„Spar‘ dir die Mühe. Ich habe die Schuhabdrücke im Schnee gesehen. Und gestern waren die noch nicht da. Du schleichst nachts bei uns ums Haus! Dass du dich nicht vor deiner Tochter schämst!“

„Sarah … Ich weiß wirklich nicht, wovon du sprichst. Ich war gestern Abend …“ stockte er. Ihn durchfuhr ein Schauer, als ob unzählige Nadelstiche seine Haut traktieren würden. Dieses Schwein. Dass er so weit geht. Nach einem kurzen Moment hatte er sich wieder gesammelt.

„Sarah, pass auf. Ich schwöre dir, dass ich gestern Abend zu Hause war und meine Wohnung nicht mehr verlassen habe“. Er blickte ihr tief in die Augen, jedoch kratze er damit nur an der Oberfläche. Der Schutzwall, den sie um sich errichtet hatte, erlaubte kein Durchbrechen. Zwei Tränen rann über ihre Wange. Er konnte erkennen, dass ihr Gehirn arbeitete, versuchte den Wahrheitsgehalt seiner Aussage herauszufiltern.

„Ich glaub‘ dir kein Wort. Wehe, ich sehe dich noch einmal ums Haus schleichen. Dann wirst du deine Tochter nie wieder sehen“. Eigentlich sprach Sarah seit ihrer Scheidung über ihre Tochter immer nur im Vornamen. Sie sagte stets “Lisa“, versuchte tunlichst den Ausdruck “Tochter“ zu vermeiden. Als versuche sie zu verdrängen, dass Lisa unser gemeinsames Fleisch und Blut ist. Doch nun brach sie mit dieser Regel, jedoch nur, weil sie ihm Angst machen wollte.

Sarah machte kehrt und ging schnellen Schrittes und klackernden Absätzen den Flur hinunter. Liebig wusste, es würde keinen Sinn machen ihr nachzulaufen. Er schloss die Tür wieder, lehnte sich mit dem Rücken gegen diese und atmete tief durch.

Dieses Schwein. Das kann nur er gewesen sein. Urgewaltiger Hass stieg in ihm auf. Doch Bezugspunkt war nicht der Rabe. Er war es. Er war schuld, dass der Typ nachts um sein Haus schleicht. Ich habe das zu verantworten. Ich alleine. Unter die wütende Fratze des Hasses mischte sich noch ein weiteres Gefühl. Ohnmacht. Sie drang durch alle Poren und legte sich wie ein erstickender Schleier um ihn. Ich muss irgendetwas machen. Ich kann nicht nur bloß da sitzen und auf mein Ende warten.



Gnadenwolf

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