Читать книгу Gnadenwolf - Alan Lee Hemmswood - Страница 4

Kapitel 1

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Des Nachts vollziehe ich es am liebsten. Umhüllt von der Schwärze der Nacht, geleitet vom Schein der Sterne begebe ich mich auf die Jagd. Die Kälte der sternenklaren Nacht brennt auf meiner Haut, in meinem Gesicht, doch dies verstärkt nur meine Erregung. Mein Atemdunst tanzt wabernd vor mir in der Luft. Gleich einem Raubtier verharre ich regungslos knöcheltief im Schnee stehend hinter einer alten Esche. Sie ist mein Gehilfe. Der Schatten ihrer kahlen Zweige erstreckt sich im Mondschein unheilvoll gen meines –nun, ich nenne ihn- Vertragspartners, wenn auch unsere Leistungen nicht unterschiedlicher sein könnten. Im Wiegen des leichten Windes scheint es, als ob der Schatten der Zweige mir die Richtung zu zeigen vermag. Mit routinierter Gelassenheit beobachte ich sie. Obwohl sie wissen müsste, dass der Zeitpunkt gekommen ist, hat sie nicht die leiseste Ahnung. Ihr unsägliches Leben wird an diesem kalten Wintertag ein befreiendes Ende nehmen. Darauf habe ich sehnsüchtig gewartet: Die Kirchglocken erklingen unheilverkündend und leiten die Geisterstunde ein. Der Moment, auf den ich gewartet habe …

Lediglich ein einsamer Jogger, der seine letzte Runde durch den Park dreht, steht ihrer Erlösung noch entgegen. Ich blicke dem Läufer hinterher, wie er leichten Schrittes das Sichtfeld verlässt. Nun denn, der Zeitpunkt ist gekommen.

Ich schreite aus dem Sichtschutz des Baumes heraus und stapfe durch den tiefen Schnee über die Wiese in Richtung meines Ziels. Sie kauert, mir abgewandt, auf einer Parkbank. Selbst das Knarzen des komprimierten, von einer ächzenden Eisdecke überzogenen Schnees lässt sie nicht aufschrecken. Langsamen Schrittes, die Hände tief in meine Manteltaschen vergraben, gehe ich um die Bank herum und sehe ihr erstmals nach einem zäh dahinfließenden Jahr unmittelbar in die Augen. Für gewöhnlich sehe ich in diesem Moment eine dem Tod ins Gesicht starrende Angst, jedoch nicht so in diesem Fall. Man sagt, die Augen seien der Spiegel der Seele. Wenn dies der Wahrheit entspricht, so kann ich in ihren trüben Augen erblicken, dass ihre Seele vor langer Zeit zerborsten ist. Die Chemikalien, die in ihrem Körper wüten, haben die vernunftbegabte Persönlichkeit in ihr schon vor langer Zeit besiegt und in den Abgrund gerissen. Ihr Gesicht ist eingefallen und von der über sie erhabenen Droge zerfressen. Nun ja, ich muss gestehen, dass ihr Anblick meinem Verlangen die Energie entzieht. Ich bin es, der sein Gegenüber in seinem letzten Moment beherrschen will, wenn er ihm den Tod einhaucht. Und dann dieser armselige Anblick: Ein Junkie, Gefangene ihrer selbst und im festen Würgegriff der Droge. Sie ist ihr Herrscher, nicht ich. Sie hat mich immer noch nicht erkannt. Die Nadel steckt noch in ihrem narbenübersäten Arm. Ich bezweifele, dass sie überhaupt noch mehr von dieser Welt wahrnimmt als das, was das Zeug ihrem Geiste vorgaukelt.

Sei es wie es mag, aber ich bin ein ehrenwerter Mann. Mir ist bewusst, dass der Vertrag nicht gebrochen werden darf. Ich erfülle pflichtbewusst meinen Dienst an der Gesellschaft. Behutsam führe ich die ummantelte Klinge aus der Tasche, befreie sie vom Leder und spüre die fesselnde Kälte und schneidende Schärfe in meinen Handflächen. Die Klinge schimmert im Mondschein. Das Schimmern fährt herab …

Ich fordere stets nur das ein, was mir als Gegenleistung für die Meinige versprochen wurde.



Gnadenwolf

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