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Kapitel 14

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Das trübe Pergament saugt die Tinte gierig auf. Schatten tanzen wild über die geschwungenen Lettern:


Pactum


Was wurd‘ dir gegeben, werde ich dir nehmen. Aber auch dein Lohn soll fürstlich sein. Aufwiegen will ich deine Zeit. Jedoch wirst du dich verweigern der Schuld, die dein,

so wird es die Deinen ereilen, das erbarmungslose Leid. Drum sei dir eines gewiss: Ich hole mir das, was meines ist.


Die Unterschrift besiegelt es. Der Rabe erhebt sich von seinem aus Eichenholz gefertigten Stuhl und reicht die Hand. Gleich werden sich die Hände berühren …

Liebig saß wieder kerzengerade im Bett. Sein Herz pochte wie wild, beschleunigte auf ungeahnte Schlagzahlen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, sein Atem raste, die Augen waren weit aufgerissen. Sein gehastetes Luftschnappen glich beinahe einem tierischen Hecheln, zeugte von unermesslicher Panik. Auch wenn er dreimal so schnell atmete wie sonst, rang sein Körper noch nach Sauerstoff. Es schien, als seien seine Lungen ihrer Funktion überdrüssig geworden. Nach einigen Sekunden des Hyperventlierens beruhigte sich seine Atmung wieder. Er stand auf, zog sein verschwitztes Shirt aus und ging hinüber zur Küche.

Liebig zog die klapprige Kühlschranktür auf und öffnete ein kühles Bier. Das wird meine Nerven beruhigen. Der kühle Gerstensaft strömte seine Kehle herab und löschte die Feuersbrunst, die in ihm tobte. Anschließend tigerte er unruhig, wie ein gefangenes Raubtier, durch seine kleine Wohnung. Verdammt! Er hatte wieder mal die Heizung nachts angelassen. Kein Wunder, dass er bei den tropischen Temperaturen die hässliche Sorte von Träumen erlebte.

Wenn Liebig nervös war, schaute er immer nach, ob es noch da war. Mit einem Küchenmesser bewaffnet ging er von der Küche ins Bad, kniete sich neben die Badewanne, führte das Messer in eine Fuge zwischen zwei Kacheln unter dem Waschbecken, hebelte die obere Kachel heraus und griff in die Öffnung hinein. Zum Vorschein kam ein akkurat sortiertes Bündel an Geldscheinen, umfasst von einer Banderole. Das Corpus Delicti, Quell all meines Übels. Jedes Mal, wenn er das blutige Geld aus seinem Versteck holte, fühlte er sich, als öffne er aufs Neue die Büchse der Pandora. Er wiegte das Bündel. Es lag schwer in seiner Hand, so als bestünde es nicht aus ordinärem Papier, sondern aus schwerem Metall, geschmiedet in Feuersbrunst.

Wie viel Geld braucht es, um eine menschliche Seele aufzuwiegen? Das hängt wohl ganz davon ab, wie viel sie wert ist. Und wie viel sollte das bei der Seele eines Lebensmüden schon sein? Gemessen am Geschenk des Lebens ist es definitiv zu wenig. Aber der Rabe hat auf diesem Markt nun einmal das Monopol und diktiert den Preis. Pures Blutgeld …

Nachdem das Geld auf dem kleinen Berg weiterer Bündel seinen ursprünglichen Platz wieder eingenommen hatte, verschloss er die Öffnung und schlich zurück in die Küche, wo er sich Teewasser aufsetzte. Während das Wasser köchelte, stand Liebig am Fenster. Er mochte den Schnee. Überhaupt mochte er alle Jahreszeiten. Er liebte die Wärme des Sommers, die gefärbten Blätter und Gemütlichkeit des Herbsts, den Schnee des Winters und das Wiedererwachen der Natur im Frühling. Zu Beginn seiner Beziehung mit Sarah waren sie noch zu jeder Jahreszeit in den Urlaub gefahren. Gewiss, es waren keine großen, kostspieligen Reisen, das war ihm bewusst, aber sie konnten alle drei Monate für wenige Tage die Schönheit des neuen Jahresabschnittes erleben. Und dann, als er in die Mordkommission berufen wurde, war es vorbei mit dem Urlaub. Maximal alle zwei Jahre waren sie seitdem verreist.

Bevor Liebig Zeit hatte, sich seinem Selbstmitleid hinzugeben, vibrierte sein Handy. Es war wieder Lisa. Ihre Nachricht beinhaltete nicht einmal auch nur einziges Wort. Nur viele Fragezeichen. Liebig schlug sich vor die Stirn: Ich hab‘ vergessen Lisa für den Geburtstag Bescheid zu geben. Schnell antwortete er ihr, er komme auf jeden Fall und als Wiedergutmachung werde das Geschenk extra groß ausfallen. Nicht dass er die Art von Vater wäre, der versucht, sich die Zuneigung seiner Tochter mit Materiellem und Geld zu erkaufen, denn sein Geschenk an Lisa stand schon seit geraumer Zeit fest, aber Lisa hatte sich das auch verdient. Liebig musste innerlich lachen. Als ob Lisa für derartiges empfänglich wäre.

Liebig goss das kochende Wasser in seine Tasse und stellte sich mit dem Tee in der Hand wieder ans Fenster. Der Schnee hatte etwas Beruhigendes, etwas Reines … Später würde er Hoffmann noch einen Besuch abstatten müssen. Außerdem hatte er noch einen weiteren Ansatzpunkt, den er als letzte Möglichkeit ausschöpfen würde.



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