Читать книгу Pfad des Feuers - Alexander Mosca Spatz - Страница 20

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II

Es hatte begonnen zu regnen.

Schwere Regentropfen erschwerten die Sicht, der Wind peitschte ihr das Wasser ins Gesicht und Luciana zog die Schultern an, starrte auf den Rücken des Pferdes, versuchte das Zittern zu unterdrücken.

Wieso tue ich das überhaupt? Ich habe immer noch die Wahl. Ich könnte einfach nach Hause reiten und es dabei belassen, dass ich General Aaron enttäuscht habe. Es wäre so leicht …

Aber gleichzeitig wusste sie, dass sie das nicht konnte. Godric war tot und sie hatte die Möglichkeit dabei zu helfen, den Mörder zu fassen – da war sie ihm schuldig!

Wenn sie Aaron schon dabei unterstützen konnte, dann würde sie es auch tun. Sie hatte da tatsächlich einen alten Freund, der ihr vielleicht dabei einen Ansatzpunkt liefern konnte, wo etwas über den Mörder herauszufinden war.

Einen Mann, der Kontakt zu den besten Informationsverkäufern in Moréngard hatte.

Damien Keldan … ob er sich überhaupt noch daran erinnern wird, dass ich ihn vor Azard und seinen Männern gerettet habe?

Das war vor beinahe acht Jahren gewesen und sie bezweifelte es stark, doch versuchen konnte sie es; wenn es nicht klappte, so konnte sie wenigstens ihr Gewissen beruhigen.

Leise klapperten die Hufen auf die Straße, begleitet vom Rauschen des Regens. Passanten rannten über die ansonsten verlassene Straße, suchten fluchend Schutz vor dem kalten Nass. Donnernd explodierten Blitze im bewölkten Himmel und irgendwo bellte ein Hund, fauchte eine Katze. Die wenigen Lichter kamen von den Häusern und einigen Fackeln, die das Glück hatten, irgendwo im Trockenen zu hängen. Ihr Ziel lag an der Flussgrenze der Unterstadt. Schaudernd zog sie den Kopf ein und ignorierte die kalten Stiche der Regentropfen auf ihrer Haut, schaute unablässig auf die Schultern ihres Pferdes. Es kannte den Weg, war ihn schon so oft geritten. Aaron hatte Ethgar in Verdacht, Godric ermordet zu haben. Den Mann, der dafür gesorgt hatte, dass man sie in den Orden aufnahm. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor, als sie die Zügel fester umschloss, ihre Lippen bebten. Diese Banditen hatten ihn gehasst – und die Überlebenden taten es immer noch!

Nicht Ethgar, sondern die Banditen haben Godric umgebracht, da bin ich mir ganz sicher! Aaron kann, er darf nicht Recht haben! Nicht dieses Mal!

Zitternd sah sie auf. Die Straße war wie leer gefegt, keiner war mehr unterwegs. Alle hatten sie Schutz gesucht vor dem Sturm, der seit einigen Tagen über der Stadt hing. Im Winter! Die letzten Winter hatte es immer einen klaren Himmel gegeben, Sonne und lachende Kinder, die im Schnee spielten. Dieses Jahr war es düster, die dunklen Wolken verhängten beinahe immer den Himmel und es war ungewöhnlich kalt, selbst für einen Winter in Moréngard.

Langsam ritt sie die Straße entlang und dachte an den Mann in dem schwarzen Mantel, der sie gerettet hatte. Er war erstaunlich gebildet gewesen für jemanden, der sich mit Banditen abgab, er hatte sein Schwert schneller gezogen, als sie es von einem normalen Mensch für möglich gehalten hätte und das Wichtigste: er hatte sie verteidigt! Gegen eine Meute von mordlustigen Muskelpaketen. Alleine!

Schon von Weitem konnte man den Fluss hören. Der Wind peitschte ihr den Regen ins Gesicht, heulte laut auf und doch konnte sie genau hören, wie die Wellen des Flusses gegen die Promenade krachten, die am Ufer entlang führte. Das Pferd wieherte beleidigt und legte die Ohren an, verfiel in einen leichten Trab. Das Unwetter machte es anscheinend nervös. Zärtlich streichelte sie den Hals des Pferdes und sah auf, als sie die Promenade erreichten.

In der Ferne konnte sie durch den Regenschauer die große Brücke erkennen, die zur Oberstadt führte. Sie war nur schemenhaft erkennbar, nur für kurze Augenblicke, wenn der Wind einmal kurz den Regen beiseite wehte. Bis zur Brücke war es noch ein langer Weg. Doch sie wollte ohnehin nicht zu der Brücke. Nicht heute. Ihr Ziel lag ganz in der Nähe, jedoch noch auf der Seite der Unterstadt. Bibbernd gab sie ihrem Pferd die Sporen und wickelte sich dabei enger in den zu ihrem Leidwesen viel zu dünnen Mantel. Das Wasser des Flusses war stark angestiegen und so hoch, dass Luciana fürchtete, es könne eine erneute Flut geben, wie vor vier Jahren, als es so heftig geregnet hatte, dass der Fluss die ganzen Slums unter Wasser gesetzt hatte. Hunderte von Menschen waren gestorben, entweder ertrunken oder, was noch viel schlimmer war, erbärmlich dahingeschieden an irgendwelchen Krankheiten.

Als sie sah, was sie suchte, nahm sie die Zügel ihres Pferdes, schwang sich von dessen Rücken und führte es zu einem nahestehenden Baum, unter dem es nicht ganz so nass war. Dort band sie das Pferd an einen tiefhängenden, dicken Ast und klopfte ihm noch einmal auf die Flanke.

Das Pferd wandte den Blick ab und machte sich daran, einige Grasbüschel, die am Fuße des Baumes wuchsen, zu fressen.

„Lass es dir schmecken“, seufzte Luciana, dann trat sie aus dem Schutz der Wipfel wieder in den Regen hinaus und lief auf ein großes Haus zu, das sich schon rein äußerlich von den anderen unterschied. Ähnelten die anderen Häuser eher unbeholfenen Bauklötzen, so wirkte das Gebäude wirklich luxuriös … obwohl es ein ehemaliger Wachturm war, den man im Krieg gegen die Vampire errichtet hatte.

Ich will mir gar nicht vorstellen, wie die Unterstadt zu Zeiten des Krieges ausgesehen haben muss.

In den Erzählungen heißt es, die Flüchtlinge hätten die ganze Stadt besetzt und die Menschen zu sechst in winzigen Betten geschlafen, um überhaupt irgendwie Platz zu machen; die Straßen sollen voller Obdachloser gewesen sein, die im Winter erfroren waren und deren Leichen man wegen der Gefahr einer Seuche schließlich entfernen musste – es muss schrecklich gewesen sein …

Hier wollte sie den einzigen Mann in der Unterstadt treffen, dem sie es zutraute, Kontakt mit den Schmugglern zu haben. Die Schmuggler waren nicht wie die Banditen, brutal und übertrieben gewalttätig, sondern eine kleine Gruppe von Männern, die wichtige Kontakte zum Hafenviertel pflegten und so an fast alle Waren kamen, die es auf dem legalen Markt gab. Für spezielle Wünsche natürlich auch illegale Ware. Sie handelten im Verborgenen und beherrschten fast die gesamte Stadt, bis auf die Altstadt und das auch nur, weil die Altstadt vom Erzbischof so geprägt war, dass es niemand wagte, laut zu fluchen, aus Angst, der Letzte Herrscher könnte ihn bestrafen. Luciana stellte sich die Schmuggler als reiche Adelige irgendwo in der Oberstadt vor, die in ihren prunkvollen Häusern saßen und Ränke schmiedeten, aber das widersprach den Gerüchten. Bisher hatte es niemand überlebt, wenn er die Schmuggler betrog, absolut niemand, doch es war vielleicht nötig, dass Luciana genau das tat. Sie schluckte schwer, dann trat sie in den Turm ein.

Als sie hineinging, schlug ihr dichter Rauch entgegen. Luciana hustete und zog den Kopf etwas ein, ihre Augen tränten kurz und sie musste blinzeln. Der Boden vibrierte leicht unter der lauten Musik und Luciana hatte das Gefühl, sie befände sich in einem lebenden Organismus. Dies und die Ausgelassenheit der Menschen um sie herum, der Geruch nach Schweiß, Lust, Alkohol … Lachen, Freundesrunden am Trinken und Witzeln, Menschen, die sich fast ekstatisch dem Rhythmus hingaben … all das hatte etwas Ansteckendes und Berauschendes.

Tänzerinnen räkelten sich auf einer Bühne, Gäste brüllten laut Bestellungen und lachten, wenn der Wirt sie wütend anschnaubte.

Luciana trat in die tanzende und laut lachende Menge hinein, wurde einmal von hier nach da gestoßen und als sie endlich an dem Tresen ankam, wünschte sie sich auf einmal, sie könne im Tausch gegen diesen Lärm hier noch einmal gegen eine Horde Banditen kämpfen.

Der Wirt war hoch gewachsen, muskulös und verschiedene Tätowierungen, meist von nackten Frauen, zierten seine Oberarme. Luciana schlug auf das nagelneue Holz des Tresens und der Wirt hob seinen Blick, grinste und beugte sich lässig über den Tresen und seine braunen Augen blitzten auf.

„Was kann ich für dich tun, Schätzchen?“, lachte er leise und Luciana wusste, dass er ihr nicht ins Gesicht sah, sondern schamlos ihre Reize anstarrte. Das Grinsen wurde breiter, offenbar gefiel ihm, was er sah.

„Ich will zu Damien!“, schrie sie laut, um den Lärm zu übertönen und das Grinsen des Wirts gefror augenblicklich. Er bedeutete ihr, näher zu kommen. Misstrauisch tat sie, wie ihr geheißen und beugte sich tief über den Tresen, wobei der Mann einen Moment ungeniert in ihren Ausschnitt sah, bevor er seinen Kopf neben den ihren hielt, so dass sein Mund ganz nahe an ihrem Ohr war.

„Damien ist nicht zu sprechen, selbst für heiße Bräute wie dich!“

Luciana beugte sich weiter vor, ließ eine Hand unauffällig in ihrer Hosentasche verschwinden und das Grinsen des Mannes wurde breiter, er leckte sich über die Lippen und stellte das Glas ab, ohne dabei den Blick von ihr abzuwenden.

„Vergiss doch Damien, Süße, ich kann dir auch einiges bieten. Wie wäre es mit einer kleinen Spezialität?“, fragte er grinsend und streckte eine Hand nach ihr aus.

Der Schatten eines Lächelns legte sich auf ihre Züge, doch bevor der Mann sie berühren konnte, packte sie seinen Arm und knallte ihn laut hörbar gegen den Tresen, mit der anderen holte sie das Siegel der Stadtgarnison heraus und legte es vor seiner Nase auf die Theke.

Selbstgefällig lächelte sie und lehnte sich wieder zurück, ließ dabei langsam den Arm des Mannes los; das Siegel blieb allerdings auf dem Schanktisch liegen.

Wie berechenbar Männer doch sind, lachte sie in Gedanken, ihre Reaktionen vorauszusagen ist nicht schwerer, als bei einem bewölkten Himmel Regen anzukündigen.

„Ich möchte jetzt nichts trinken, sondern zu Damien … sofort!“, wiederholte sie ruhig, aber bestimmt.

Der Wirt hielt sich das schmerzende Handgelenk und funkelte sie wütend an, trat aber hinter dem Tresen hervor, knurrte leise 'Warte hier' und tauchte in die tanzende Menge ab. Wütende Schreie ertönten an den Stellen, wo er sich mit seinen kräftigen Ellenbogen einen Platz durch die Menge bahnte.

Luciana lehnte sich innerlich grinsend auf den Tresen des Wirts und ließ den Blick durch die Menge schweifen. Keine bekannten Gesichter. Kein Wunder, sie war auch wirklich lange nicht mehr in der Unterstadt gewesen, um das Nachtleben zu genießen. Auf einmal beneidete sie das einfache Volk, diese Masse von ahnungslosen Menschen, die nicht wussten, was die Gardisten alles taten, damit die Stadt nicht im Chaos versank.

Sie beschweren sich über das Regime und selbst tun sie alles, damit der Orden noch einen Grund hat, ihnen Freiheiten zu nehmen. Gäbe es keine Verbrecher, wären auch die Gardisten nicht weiter nötig. Ich habe schon so manche Schmerzensträne vergossen, weil ich an meine Grenzen gekommen bin und doch stehe ich hier … und keiner achtet mich dafür; keiner sagt mir, ich mache meine Arbeit gut. Das Einzige, was wir zu hören bekommen ist, dass wir Speichellecker des Ordens wären.

Sie mochte die Herrschaftsform des Letzten Herrschers nicht. Die anderen Reiche des Nordens waren demokratische Reiche und sie existierten bisher auch ziemlich gut; jedoch gab es dort Entscheidungen zu fällen, für die niemand mutig genug war. Dieses Problem hatten sie hier nicht.

„Das da drüben ist sie!“, rief jemand wütend und Luciana wandte überrascht den Kopf. Der Wirt kam zurück, begleitet von vier Männern. Drei davon waren gut zwei Köpfe größer als alle anderen Anwesenden und schienen nur aus Muskeln zu bestehen. Die perfekten Leibwächter. Sie flankierten einen etwas kleineren Mann mit kurzen braunen Haaren und grünen Augen, die einem sofort auffielen. Sie wirkten bedrohlich und schön zugleich, was von dem rätselhaften Lächeln des Mannes nur noch verstärkt wurde. Er war ungewöhnlich schlank, wenngleich sich unter seinem dunkelroten Wams seine Muskeln leicht abzeichneten. Obwohl sie ihn seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hatte, erkannte Luciana ihn sofort.

Damien! Ich habe ihn nur einmal gesehen und das unter ziemlich bedrohlichen Umständen und doch erinnere ich mich an seine Züge, als sei es gestern gewesen.

Damien war an dem Abend, an dem Azard Ragnir töten wollte, alleine auf den Straßen unterwegs und schon für seine Gabe bekannt, Leute gut zu verstecken, da er angeblich Kontakte mit Schmugglern pflegte. Azard und seine Männer flohen Hals über Kopf in die Unterstadt und sahen Damien dort, alleine auf der Flussuferpromenade spazierengehend und nahmen ihn fest, zwangen ihn, sie zu verstecken. Damien schaffte es allerdings zu entkommen und rannte in Luciana hinein, die ihn daraufhin durch einen Geheimgang in Sicherheit brachte. Das war das einzige Mal, dass sie ihn gesehen hatte und ehrlich gesagt war er ihr danach ziemlich egal gewesen.

Aber jetzt brauche ich seine Hilfe! Dringend!

Der Wirt, Damien und seine Leibwächter kamen zielstrebig auf sie zu. Die Leibwächter mussten ihre Ellenbogen nicht einsetzen, ihnen wurde reichlich Platz gemacht. Anscheinend hatte er sich doch ein wenig erinnert. Der Wirt lief voraus, lächelte sie dabei schadenfroh an. Er erwartete wahrscheinlich, dass die Leibwächter sie mit einem heftigen Tritt in ihren Hintern aus der Schenke werfen würden. Sie besah sich noch einmal der Muskeln der Leibwächter und instinktiv bereitete sie sich darauf vor, einen Freiflug zu bekommen.

Wer weiß, wenn sie fest genug treten, fliege ich vielleicht bis zum Fluss?

Damien nickte den Leibwächtern zu und sie stellten sich etwas weiter von ihnen entfernt an den Tresen, holten Gläser und etwas zu Trinken hervor, wandten dabei aber nicht den Blick von Luciana und Damien ab. Dieser schlenderte lässig zu ihr und ließ sich auf einen Stuhl neben ihr sinken, lächelte ihr dabei nonchalant zu.

„Bring uns zwei Bier, bitte“, flüsterte er dem Wirt zu und legte eine Goldmünze auf den Tisch, die er von wer weiß woher genommen hatte. Der Wirt starrte ihn verblüfft an, nahm die Münze entgegen und reichte ihnen zähneknirschend zwei Gläser mit einer gelben Flüssigkeit.

„Ich bin eigentlich nicht zum Trinken hier, Damien“, lachte Luciana leise, trank die Flüssigkeit jedoch bis zum letzten Tropfen aus. Damien nahm einen Schluck und stellte das Glas auf den Tisch, legte den Kopf schief.

„Du bist im Vorteil. Ich kenne weder deinen Namen, noch den Grund deines Besuchs und du scheinst eine Menge über mich zu wissen …“

Luciana grinste und stellte ebenfalls das Glas weg.

„Ich mag es, im Vorteil zu sein, schließlich ist das mein Gewerbe, aber ich werde dich erlösen“, sie reichte ihm die Hand und zwinkerte, „mein Name ist Luciana und ich habe dir während des Umsturzes von Azard dein Leben gerettet – und jetzt brauche ich deine Hilfe.“

Damiens Augen weiteten sich und das Lächeln in seinem Gesicht sah das erste Mal so aus, als wäre es ehrlich gemeint. Lachend reichte Damien ihr die Hand und schüttelte sie fest und bestimmt.

Der Händedruck eines Mannes, der es gewohnt ist, Befehle zu erteilen …

„Luciana! Ich hätte nicht gedacht, dich noch einmal zu sehen! Bei den drei Säulen, das ist schon so lange her!“

Er machte eine Handbewegung in die Richtung der Leibwächter, die gut hörbar schnaubten und dann in der Menge untertauchten, wobei Luciana sich fragte wie derart große Männer so gut verschwinden konnten.

„Womit kann ich dir also helfen? Du hast mir mein Leben gerettet, daher werde ich mein Möglichstes tun, um mich zu revanchieren.“

Er grinste und er musterte sie einmal von oben bis unten.

„Suchst du einen Platz für die Nacht? Ich kenne eine hervorragende Bleibe, in der wir es uns gemütlich machen können. Noch was zu Trinken?“

Lucianas Augenbrauen wanderten in die Höhe und sie grinste leicht, als sie den wütenden Blick des Wirts sah.

„Nein, danke. Wenn die Gerüchte über dich stimmen, dann erwische ich rein zufällig etwas anderes als Bier, wache morgen in deinem Zimmer auf und erinnere mich an nichts mehr“, sie beugte sich zu ihm herüber und ihr Mund berührte fast sein Ohr, „lass uns das wo anders klären. Wir bräuchten einen Ort, an dem wir ungestört reden können …“, sie sah ihn eindringlich an und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, „du verstehst?“

Damiens Lächeln wurde zu einem frechen Grinsen und er erhob sich von seinem Stuhl, reichte ihr eine Hand.

„Ich glaube, ich hätte da etwas Passendes.“

Leise fiel hinter ihnen die Tür der Schenke ins Schloss, das laute Gelächter und die Musik machte dem Heulen des Windes, dem Rauschen des Regens und dem Donnern der Blitze Platz. Damien nieste laut und rieb sich die Nase.

„Ich hasse dieses Wetter, es macht mich vollkommen fertig! Schnee, dann wieder Regen, dann wieder Schnee, nur damit es anschließend wieder regnen kann!“

Luciana erwiderte nichts, sondern nickte nur.

„Wo bringst du uns hin?“, fragte sie stattdessen und sah sich neugierig um. Ihrer Meinung nach war die Schenke immer noch einer der sichersten Orte in der Unterstadt, aber wenn Damien meinte, er kenne einen besseren Platz, würde das wohl so sein. Er führte sie die weitere Promenade entlang, die kalten Stiche der Regentropfen stoisch ignorierend. Sie kamen der Brücke zur Oberstadt näher, sie wurde durch den dichten Dunst des Regens hindurch immer deutlicher erkennbar und Luciana wartete gespannt auf Damiens 'Versteck'. Plötzlich machte er Halt und hielt auf ein altes Haus zu, das aussah, als bräuchte man es nur scharf anzuschauen, damit es in seine Einzelteile zerfiel.

„Das?“, rief Luciana aus und lachte leise.

Vom großen Damien hatte ich mehr erwartet. Ich habe viele Gerüchte über ihn gehört – meist jedoch von wütenden Frauen. Ich sollte doch noch einmal meine Quellen überprüfen, bevor ich über ihn urteile.

Ein vielsagendes Lächeln umspielte Damiens Lippen, als er die Tür zu dem Haus öffnete und eintrat. „Es gibt einen bestimmten Grund, warum dieses Haus eines meiner persönlichen Lieblinge ist.“

Er winkte sie zu sich und Luciana trat ein. Sofort fiel die stechende Kälte von ihr ab, es schien ihr, als werde sie sofort trocken, obwohl der Regen sie vollkommen durchnässt hatte. Sie sah sich um. Es gab kein Feuer, keinen Kamin, keine Fackeln. Nichts, was diese Wärme erklären würde. Der ganze Raum war leer, bis auf zwei angenehme Sessel, die sich gegenüber standen und ein kleiner Tisch, der zwischen den Sesseln stand.

„Und?“, fragte Damien lauernd und bugsierte zu einem der beiden Sessel und setzte sich selbst in einen. Luciana ließ sich auf den Sessel sinken und mit einem Schlag hatte sie das Bedürfnis zu schlafen. Diese Sessel waren gemütlicher, als das Bett, welches sie in ihrem Haus in der Unterstadt stehen hatte.

„Wie kann es sein, dass es hier so warm ist, obwohl es nirgends ein Feuer gibt?“, wunderte Luciana sich und sah Damien fragend an; dieser zuckte ratlos mit den Achseln und verschränkte mit einem breiten Grinsen die Arme hinter dem Kopf.

„Ich habe keine Ahnung … aber dieses Haus hat mal einem Magier gehört, vielleicht erklärt es das. Seit die Banditen ihn vertrieben haben, steht es allerdings leer und als ich diesen kleinen Vorteil mitbekommen habe, habe ich es mir sofort gekauft. Man kann hier drinnen schreien so laut man will, draußen hört man rein gar nichts davon.“

„Der Grund für meinen Besuch hat auch mit den Banditen zu tun“, setzte Luciana an und Damiens Miene verfinsterte sich, doch er sagte nichts, sondern bedeutete Luciana, fortzufahren, „allerdings nur bedingt. Du hast mir vertraut, also werde ich das auch tun. Kennst du die wichtigste Neuigkeit innerhalb Moréngards? Der Orden hält sie zwar geheim, aber ich kann mir denken, dass du deine Quellen hast.“

Damien erhob sich, nahm ein Weinglas von dem kleinen Tisch zwischen den Sesseln und schlenderte zu dem Fenster, schaute hinaus. Draußen marschierte eine Patrouille die Promenade entlang und das Klirren der Rüstungen drang bis zu ihnen.

„Ich habe Gerüchte vernommen, nicht mehr“, erwiderte er schließlich und wandte sich um; jedweder Spott war aus seinem Gesicht verschwunden.

„Jemand soll Pater Godric ermordet haben, richtig? Ich kenne da einen Adepten, der bei den Aufräumarbeiten dabei war …“

Luciana nickte schwach und schlug die Augen nieder.

„Ja“, hauchte sie erstickt und ihre Stimme war so leise, dass Damien Mühe hatte, sie zu verstehen.

Mit einem leisen Seufzen stellte er sich neben seinen Sessel und fuhr fort.

„Die Paladine wissen anscheinend nicht, wer es gewesen ist. Normalerweise kann man einen Mörder schnell anhand der Aura identifizieren, aber dieses Mal … haben sie gar nichts.“

Luciana hob den Blick, kleine Tränen rannen ihre Wangen hinab.

Seit sie von Godrics Tod erfahren hatte, hatte sie keine richte Gelegenheit gehabt, zu trauern. Vor dem Hauptmann wollte sie nicht als schwach dastehen, in der Taverne nicht vor Aaron und vor dem Erzbischof sowieso nicht – und in Damiens Schenke war sie von Wut getrieben worden, Wut auf den Hauptmann, auf den Wirt und auf die Menge, die gar nicht wusste, was der Orden alles für sie tat. Doch nun, da Damien es so endgültig aussprach, überkam sie der Schmerz und sie verlor ein für allemal die Hoffnung, dass dies nur ein Alptraum war, aus dem sie bald erwachen würde.

„Der Mörder hat ihn an die Statue des Letzten Herrschers genagelt“, schluchzte sie und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Augen. Damien eilte zu ihr und legte einen Arm um sie. Schlagartig wurde ihr wärmer und sie bette ihren Kopf an seine Schulter.

„Er war wie ein Vater für mich, Damien“, wimmerte sie leise und Damien strich ihr sanft eine Strähne ihres blonden Haares aus dem wunderschönen Gesicht.

„Er hat mir Lesen und Schreiben beigebracht, nachdem ich dem Orden geholfen hatte, einige Mörder in der Unterstadt zu finden, er hat dafür gesorgt, dass der Erzbischof sich dafür einsetzt, dass man mich als die erste Frau überhaupt in die Stadtgarnison aufnimmt. Er hatte versprochen, dass er mich besuchen würde, sobald ich meinen Auftrag erledigt hätte. Und jetzt … jetzt …“, sie schluchzte erneut, schloss die Augen, als ihre Tränen Damiens Schulter benetzten, „ich werde mich nicht einmal verabschieden können.“

Damien legte ihr eine Hand auf die Wange und wischte mit seinem Daumen ihre Träne weg, lächelte.

„Luciana … ich werde dir helfen. Du hast mir das Leben gerettet, also werde ich mich revanchieren. Sag, wie kann ich helfen?“

Luciana sah aus einem der Fenster und schluckte schwer.

Ich bringe ihn damit unmittelbar in Gefahr, aber das habe ich auch für ihn getan. Ich muss es tun!

„Ich brauch Kontakt zu den Schmugglern, Damien“, antwortete sie schließlich und sie spürte, wie Damiens Hand an ihrer Hand leicht erzitterte.

„Sie könnten etwas über den Mörder wissen und ich brauche sämtliche Beweise, die ich kriegen kann, um dieses Schwein zu fassen!“

Langsam nahm sie seine Hand von ihrer Wange und sah ihm fest in die Augen.

„Hilf mir!“, forderte sie ihn auf und Damien trat einen Schritt von ihr zurück, schenkte sich hastig noch einen Becher Wein ein und stürzte ihn mit einem Mal herunter.

„Bitte, Damien!“, forderte sie mit Nachdruck und trat nahe an ihn heran.

Damien schlug die Augen nieder, erwiderte ihren Blick nicht. Er wusste, dass er nicht würde 'Nein' sagen können, wenn er ihr in die Augen sah. Aber er wollte es. Seine Züge verhärteten sich merklich und er kratzte sich nervös am Kinn, seufzte leise.

„Die Schmuggler sind gefährliche Leute, Luciana. Nicht umsonst beherrschen sie den Großteil der Unterwelt Moréngards! Die werden wissen, dass du zur Garnison gehörst, weswegen sie besonders vorsichtig sein werden … wenn sie sich überhaupt mit dir treffen wollen.“

Endlich sah er auf und ihre Blicke trafen sich, seine Züge wurden weicher und er legte mit einem schwächelnden Grinsen den Kopf schief.

„Ich kann ein Treffen organisieren denke ich, aber überlege du dir solange, was du ihnen als Gegenzug bieten möchtest. Sie werden dir nichts geben, wenn du nichts zum Ausgleich besitzt.“

Luciana unterdrückte einen erleichterten Seufzer und verdrängte den Wunsch, Damien um den Hals zu fallen.

Ich weiß schon, was ich ihnen im Gegenzug anbiete. Es haben zwar schon viele versucht, die Schmuggler über den Tisch zu ziehen, aber bisher hatte niemand die selben Mittel und Möglichkeiten wie ich. Hinter mir steht ein General des Ordens! Sie können mich nicht einfach verschwinden lassen!

„Dann ist es beschlossen“, stimmte Damien mit einem schwermütigen Nicken zu und verschränkte mit gerunzelter Stirn die Arme vor der Brust, „ich werde für morgen ein Treffen ansetzen; doch wenn sie es ablehnen – und dann werden sie wissen, dass du etwas von ihnen willst – dann würde ich verschwinden. Weit weg von Moréngard, so weit es dir möglich ist. Lasse dich versetzen, irgendwohin in die Nähe der Grenze.“

Damien hatte seine Stimme gesenkt und wandte sich nun wieder dem Fenster zu; weit am Horizont brauten sich bereits wieder Wolken zusammen und er schnalzte abwertend mit seiner Zunge, deutete mit einem Nicken auf die Wolken.

„Ein Sturm zieht auf, Luciana. Du solltest dir ein Dach über den Kopf suchen. Wir treffen uns morgen wieder hier, gegen neun Uhr abends.“

Luciana wusste, wie schwer es Damien gefallen sein musste, diese Entscheidung zu treffen.

Sie wusste, mit welchen Risiken ein Treffen mit den Schmugglern verbunden war.

Und trotzdem wird er sie auf sich nehmen … für mich. Vielleicht ist Moréngard doch nicht so verrottet, wie die meisten immer sagen.

Sie schickte sich an, das kleine Haus zu verlassen; auf dem Absatz der Tür drehte sie sich noch einmal um und warf Damien ein dankbares Lächeln zu.

„Danke, Damien“, flüsterte sie; dieser quittierte es mit einem Zucken seiner Mundwinkel und starrte weiter aus dem Fenster hinaus.

Als sich die Tür hinter Lucianas Rücken schloss und klickend ins Schloss fiel, umschloss sie wieder der peitschende Regen, der Wind zerrte an ihrer Kleidung und Luciana stieß einen leisen Fluch aus.

Nun war sie mitten drin, es gab kein Zurück mehr, kein Weg, sich aus der Affäre zu ziehen.

Mit einem Schulterzucken wurde sie sich gewahr, was sie da gerade tat und bettete mit einem Stöhnen die Stirn in Händen, ignorierte die kalten Stiche der Regentropfen auf ihrer Haut.

Wieso tue ich das?

Pfad des Feuers

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