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VORWORT

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Comme l’on serait savant si l’on connaissait bien seulement cinq à six livres …1Gustave Flaubert –

Die unendliche Geschichte ist das erste Buch, an dessen Lektüre ich mich erinnern kann. Im Grunde war ich als Volksschüler sowohl mit dem Inhalt als auch mit dem (für mich) ungewohnt kleinen Schriftbild des Romans heillos überfordert, wollte aber aus kindlichem Ehrgeiz nicht hinter meiner älteren Schwester zurückstehen, die das Buch mit großer Begeisterung gelesen hatte. Daß ich damals dennoch bis zu Bastians glücklicher Rückkehr in die »Menschenwelt« vorgedrungen bin, verdanke ich meiner Mutter, die sich die Zeit nahm, mich durch den Roman zu begleiten, mir manche Passagen vorzulesen und andere, die ich nicht verstand (oder die mich mit Angst erfüllten), kindgerecht zu erklären. Was sie mir bei dieser und unzähligen anderen Gelegenheiten vermittelt hat, zählt zu den wichtigsten Dingen, die man Kindern überhaupt vermitteln kann : die Liebe zu Büchern.

Als ich Jahrzehnte später auf der Suche nach einem passenden Thema für meine Doktorarbeit war, fiel mir dieser Roman, der gleichsam mit mir mitgewachsen war und in dem ich in jeder Lebensphase Neues entdecken konnte, den ich inzwischen aber verschenkt hatte und nicht mehr besaß, durch einen Zufall wieder in die Hand. Probeweise und halb im Scherz versuchte ich mir vorzustellen, wie eine Dissertation über die philosophischen Aspekte dieses Buches – in Verbindung mit Endes Momo, das ich ebenfalls begeistert gelesen hatte – aussehen könnte. Das Ergebnis war derart verheißungsvoll, daß ich sofort mit ersten Entwürfen für diese Arbeit begann. Die Reaktionen, die diese Themenwahl bei anderen hervorrief, waren überraschend positiv – lediglich einige entfernte Bekannte ausgenommen (deren Entfernung zu mir seitdem noch drastisch angewachsen ist), die mich amüsiert fragten, was in aller Welt denn ein »Kinderbuchautor« mit Philosophie zu schaffen haben könne. Ich möchte bei dieser Gelegenheit Herrn Prof. Dr. Gerhard Gotz sehr herzlich dafür danken, daß er sich sich ohne Zögern bereiterklärt hat, die Betreuung meiner Arbeit an diesem doch ungewöhnlichen und scheinbar entlegenen Thema zu übernehmen; natürlich auch für die gewohnt kompetente, umsichtige Betreuung selbst; und ganz besonders für seine große Geduld und Toleranz angesichts meiner Schwäche, Fristen stets bis zum Letzten auszureizen.

Ich möchte dieses Vorwort auch dazu nutzen, ein Mißverständnis von vornherein auszuschließen. Diese Arbeit erhebt den Anspruch, im wissenschaftlichen Interesse das philosophische Denken Michael Endes aus seinen Romanen heraus aufzuweisen; nicht aber jenen, diese Romane dadurch in irgendeiner Weise zu »adeln« oder gar zur Hochkultur »emporzuheben«. Zum einen ist die Einteilung in Hoch- und »populäre« Kultur ohnehin äußerst fragwürdig; zum anderen haben weder Momo noch Die unendliche Geschichte dies in irgendeiner Weise nötig. Beide sind auf ihre jeweilige Weise großartige Bücher, welche weder einer philosophischen noch einer psychologischen noch auch einer literaturwissenschaftlichen Analyse bedürfen, die ihren Wert erst zweifelsfrei und »objektiv« zu beweisen hätte. Ohnehin gilt ewig, was Hermann Broch in den Notizen zum »Tod des Vergil« schreibt: »Ein Kunstwerk rechtfertigt sich nicht durch theoretische Erwägungen, sondern durch sich selbst.«2

Nichtsdestoweniger würde ich es natürlich begrüßen, wenn diese Arbeit, indem sie das philosophische Denken Michael Endes kritisch zu würdigen versucht, auch dabei helfen könnte, einen zugleich tieferen und umfassenderen Blick auf sein Werk zu ermöglichen. Dies wäre mir umso mehr ein Anliegen, als die (öffentliche) Ende-Rezeption diesen Blick bisher eher verstellt hat: Es scheint, daß gerade Michael Ende einer jener Autoren war, die am meisten unter oberflächlicher, verständnisloser und oft auch überheblicher Kritik zu leiden hatten.3 Zwar gibt es, vom Gilgamesch-Epos aufwärts, wohl kaum ein bedeutendes literarisches Werk, über das nicht jeden einzelnen Tag irgendein selbsternannter »Experte« im Brustton der Überzeugung haarsträubenden, hanebüchenen Unsinn von sich gibt. Dennoch macht es schlicht zornig, wenn ein zutiefst systemkritisches Werk wie Momo in der Rezeption auf eine Stufe mit primitiven Esoterik-Büchlein à la »Buddhismus für Manager« gestellt wird;4 mehr noch, wenn ein Roman wie Die unendliche Geschichte, der einige der tiefsten Fragen des Menschengeschlechts in großartige Bilder faßt, in der Verfilmung gegen den erbitterten Widerstand des Autors zu einem plumpen, dumpfen, völlig sinnfreien Actionspektakel verwurstet wird, dessen einziger Zweck es ist, den Kinobesuchern das Geld aus der Tasche zu ziehen;5 und am meisten, wenn dann von ihrer intellektuellen Überlegenheit allzu überzeugte »Kritiker«, die das Buch selbst offenbar gar nicht gelesen haben, sich berufen fühlen, auf Basis dieses filmischen Machwerks in nasalem Tonfall über Michael Ende zu richten.6 Wenn diese Untersuchung nur ein klein wenig dazu beitragen könnte, Rezensenten wie diese vor ihrer eigenen Ignoranz zu schützen, würde mich das von Herzen freuen.

Wie Endes Werke selbst und ein Großteil der verwendeten Sekundärliteratur, so wurde auch diese Arbeit nach den Regeln der sogenannten Alten Rechtschreibung verfaßt, um möglichst einheitliche Orthographie zu gewährleisten.

Wien, im August 2020 Alexander Oberleitner
Michael Endes Philosophie

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