Читать книгу Das wundertätige Unterröckchen. Wobei der Berggeist Rübezahl auch eine Rolle spielt. - Alexander Zaunkönig - Страница 11
Siebentes Kapitel. Welches eine neue Person einführt:
ОглавлениеKlärchen sang noch mit Frau Martha – beide andächtig, wie der Chorschüler auf der Straße – ein Abendlied, als eine Schaar von Reitern in die Burg zog, die kein Ende nehmen wollte.
Dennoch würde das Mädchen mit der vorigen Andacht den Gesang fortgesetzt haben, wenn Frau Martha nicht ein größeres Interesse an den Reitern genommen, und mitten in der Strophe aufgehört hätte, um die Ankommenden zu beschauen.
Klärchen blieb und betrachtete mit stiller Wehmut das Unterröckchen, das sich so unartig gegen ihre Neigung auflehnte. Es war noch so rein und weiß, als ob es eben erst von der Bleiche käme. Sie besaß es schon drei Jahre und doch passte es ihr, ungeachtet sie allen ihren Kleidungsstücken seitdem so merklich entwachsen war, dass sie sie hatte ablegen müssen, immer noch wie angemessen.
Es musste zugleich mit ihr gewachsen sein, anders ließ sich's nicht erklären.
Noch lange nicht war sie mit ihren Gedanken darüber auf's reine, als Frau Martha zur Tür hereinstürzte und Klärchen mit dem Beinamen Braut begrüßte. Die Überbringerin der Nachricht wusste sich vor Freude nicht zu lassen.
Sie küsste dem Mädchen mit großer Lebhaftigkeit die Hände und konnte vor Verwunderung kaum zu sich kommen, dass Klärchen so gleichgültig oder vielmehr verdrießlich bei einer Anrede blieb, die ihr in derselben Lage so viel Vergnügen gemacht hätte. Klärchen nahm es anfangs für einen Scherz, der ihr missfiel; da Frau Martha aber umständlich erzählte, wie alles im Hause von der Sache voll sei, und wie prächtig die Angekommenen angetan wären; da fing sie an es zu glauben, und fragte in dem Tone, in dem sich ein Großer bei einem Kleinen, welchem er durch ein paar Worte einige Ehre erzeigen will, nach dem Wetter erkundigt, nach dem Namen des Bräutigams, als der Vater in das Kämmerlein trat und ihr gebot, sich ein wenig mit Pracht anzukleiden, da noch diesen Abend ihre Verlobung sein solle.
Damals galt das türkische Hausregiment auch unter den Christen.
Die Tochter durfte nicht den leisesten Einwurf gegen die Wahl des künftigen Gatten, die ihr Vater traf, hervorbringen – am wenigsten galt eine Einwendung in Schlössern, wo es so wild herging, wie auf der Weiherhorst. Darum wagte es Klärchen nicht einmal, nach dem Namen des Mannes zu fragen, dem sie ihr ganzes Leben widmen sollte.
Der Vater empfahl die Eile und ging.
Wusste Klärchen vorhin wenig von sich selbst, so wusste sie jetzt gar nichts. Selbst die Frage an Martha, wer der Bestimmte sei, hatte sie eine Zeit lang aus dem Gesichte verloren. Sie fand sie aber endlich doch wieder; Martha suchte die Antwort mit wahrer Kabinettspolitik, durch allerlei künstliche Wendungen zu umschiffen.
Sie erzählte viel von dem Reichtum und Glanze des Schlosses, das ihr künftiger Wohnsitz werden sollte: von dem Zwerge, der ihr zu Gebot stehe, von den Kostbarkeiten, mit welchen sie geschmückt werden würde, und damit sie ja so lange wenigstens, bis sie Klärchens Fantasie von den Schätzen trunken gemacht hätte, die ihrer warteten, die Frage in Vergessenheit brächte, redete sie beim Ankleiden unaufhörlich fort und belästigte Klärchen so schnell mit einer Menge von Fragen, dass die Arme kaum mit antworten fertig werden konnte.
Vergebliche Mühe. Klärchen unterbrach sie geradezu mit der Wiederholung der Frage: „Wer ist er?“
,Ja nu“, antwortete Frau Martha, „wer so viel schöne Sachen hat, der muss doch wohl ein wackerer Ritter sein. Ein Mann in seinen besten Jahren ist er dazu. Ein …“
Klärchen fragte mit starker Stimme dazwischen nach dem Namen.
„Darüber – ja darüber, mein Fräulein, werdet Ihr Euch am meisten wundern. Die Überraschung mit dem Namen ist eben der Spaß bei der Sache, ha ha ha! Nun, das wird ein recht freudiges Erstaunen geben, wenn Euch der alte gute Bekannte als seine Braut begrüßen wird, ha ha ha!“
Klärchen drohte, nicht einen Schritt aus der Kammer zu tun, bevor sie den Namen nicht hörte, und geriet in außerordentliche Unruhe, als der Ritter vom Kynast, prächtig geschmückt, an des Vaters Hand hereintrat, und diesen Überfall mit einer Neigung zu ihr entschuldigte, die sich schlechterdings nicht länger bezähmen ließe.