Читать книгу Das wundertätige Unterröckchen. Wobei der Berggeist Rübezahl auch eine Rolle spielt. - Alexander Zaunkönig - Страница 7
Drittes Kapitel. Worin mehr Edelmut als Wahrscheinlichkeiten enthalten ist:
ОглавлениеDer Turmwächter zeigte Klärchen eines Morgens den Rauch, welcher noch aus den Trümmern der Hütten stieg, die ein Gewitter der vorigen Nacht, das sie verschlafen, zu Grunde gerichtet hatte.
Schnell stieg das Mädchen hinab, raffte alles Geld zusammen, was sie auffinden konnte, und jagte damit vom Schlossberge in das Tal. Atemlos eilte sie der Gegend zu, aus welcher sie den Rauch hatte steigen sehen. Sie wand sich, um den nähesten Weg zu verfolgen, durch das dichte Buschwerk und achtete der Dornen nicht, die an ihre feinen Hände und das noch zartere Gesicht schlugen.
Der Kummer der Abgebrannten und der Druck des eigenen unbefriedigten Herzens waren jetzt die einzigen Gefühle ihres Busens.
Ein Platzregen stürzte herab. Er hielt sie nicht auf.
Dieser und die Güsse der letzten Nacht hatten einen Bach, der sich in den Weg warf, so angeschwellt, dass er Gefahr drohte.
Klärchen achtete nicht darauf. Aber der Strom hob ihre Füße, und mit Mühe nur arbeitete sie sich an das jenseitige Ufer. Das bezwungene Hindernis gab ihr neuen Mut zur Fortsetzung ihres Weges, von dem sie jetzt durch kindliche Jammertöne abgezogen wurde.
Die Hilfe rufende, verzweiflungsvolle Stimme schallte hinter dem Berge hervor.
Klärchen eilte dem Schalle entgegen, als eine Wölfin – ein schreiendes Kind im Rachen – daher kam, welche beim Erblicken des Mädchens, gleichsam um abzuwarten, wo es hinauswollte, in einiger Entfernung stehen blieb.
Klärchen sah in dem Augenblicke nichts, als die Gefahr des Kindes. Mit einem vom nächtlichen Sturm herabgeschlagenen Baumaste stürzte sie über die Wölfin her, die grimmig das Kind fallen ließ und sich auf die Feindin warf, als eben ein Knabe herbeieilte, welcher die Wut des Tiers durch einige Streiche von dem Mädchen ab und zu sich herüberzog.
Klärchen schlug nun so kräftig auf den Kopf der Wölfin, dass sie von dem Knaben zurücktaumelte, und beide ihre Heldentat vollenden konnten.
Das Kind, welches ein Raub des Tiers gewesen war, schien noch völlig unversehrt. Mit Wonne hielten hierauf seine Retter einander in den Armen. Niemals waren sie so glücklich gewesen.
„Der Himmel segne Euch, Ihr lieben Kleinen!“, so erscholl jetzt eine sanfte Stimme neben ihnen. Sie wendeten ihre Augen auf die Seite, und fanden sich in Gesellschaft einer bejahrten Frau, welche einen Korb auf dem Rücken trug.
In den Zügen der so Unerwarteten lebten noch die Schatten verblichener Schönheit. Alles war edel an dem Weibe, und aufs äußerste reinlich.
,,Ich habe“, fuhr die Frau fort, „die schöne Tat beobachtet, und würde Euch beigesprungen sein, wenn ich Hilfe nötig geachtet hätte. So aber wollte ich gern das Gefühl Eurer Kraft, mithin Eures Wertes ungeschwächt in Euch erhalten. Kämpft ferner überall ohne Scheu gegen das Unrecht an. Euer gegenwärtiger Sieg ist zu süß, um Euch nicht zu neuem Streite anzufeuern. Deine Mutter, Klärchen, ist, wie ich weiß, gestorben: ich will deiner Mutters Stelle bei Dir vertreten, wenn Du gut bleibst, wie Du es bist. Zum Andenken trage ein kleines Geschenk von mir, dessen gute Eigenschaften Du einmal aus meinem Munde erfahren sollst.“
Hierauf setzte sie ihren Korb auf die Erde und zog aus ihm ein Unterröckchen von gemeinem Flanell hervor, das sich durch nichts als eine blendende Weiße, und die rote Schleife zum Zu- und Aufziehen auszeichnete.
„Gegen Dich, Fritz!“, sagte sie hierauf, indem ihr Gesicht ernster ward, „würde ich weniger karg sein, als ich es scheine. Auch Du solltest Dich nicht vergebens nach einer geringen Gabe umsehen, wenn ich Dir damit nützen könnte. Ich zweifle indes daran, daher nichts als dieses.“
Sie küsste des Knaben Brust, und sagte ihm, dass der dadurch entstandene rote Flecken bleiben, sobald er aber auf unrechte Taten ausginge, plötzlich eine schwarze Farbe annehmen, ja diese nie wieder ablegen würde, wenn einmal die Güte seines Herzens ganz aufhören sollte.
„Ein anderes Geschenk von mir“, fuhr sie fort, könnte Dir verderblich werden. Rübezahl…“
Kaum hatte sie den Namen gesprochen, als die Erde sich so stark zu bewegen begann, dass die Kleinen ihr Gleichgewicht verloren und niederfielen. Ein dumpfes Gemurmel fuhr unter dem Boden hin, und ein heftig vorüberrauschender Sturm schüttelte die Wipfel der Bäume.
Da die geängsteten Kinder sich wieder aufrichteten, fehlte die Frau, welche soeben noch zu ihnen gesprochen hatte.
Der rote Flecken auf der Brust von fritz war jedoch vorhanden, und Klärchen das Unterröckchen geblieben.
Die Ereignisse folgten einander zu schnell, als dass die Unerfahrenen sogleich ganz zu sich kommen konnten. Mit Wohlbehagen verweilten jedoch ihre Augen ein Paar Augenblicke bei den Andenken, die ihnen die verschwundene Frau zurückgelassen hatte.
Hand in Hand blieben sie so stehen, bis endlich Klärchen mit einem Male die Ursache einfiel, warum sie so früh aus der Burg geeilt.
„Leb wohl, Fritz“, sagte sie nun rasch, „ich muss weiter.“
Fritz wollte sie nicht loslassen.
„Siehst Du nicht Deine Wunden, Klärchen?“, sprach er: „Die muss ich der Mutter zeigen, die hat einen Balsam, der sie gewiss gleich heilen wird.“
Jetzt erst ward es Klärchen gewahr, dass die Wölfin sie verwundet hatte; da aber der Schaden ihr von keiner Bedeutung schien, so machte sie sich von dem Knaben los, mit dem Versprechen, auf den Nachmittag in seiner Mutter Hütte zu kommen, die ihr sehr gut bekannt war. Sie wusch sich ihre Wunden an einer Quelle und eilte den eingeäscherten Häusern zu.
Sie sah die Betrübten zum Teil auf den geretteten Trümmern ihrer Habe sitzend, die noch rauchenden Balken anstarren, zum Teil auch schon von Baumästen sich kleine Hütten bereiten, die bis zu der Herstellung des erlittenen Schadens ihnen Obdach gäben.
Sie verteilte das Geld, das sie noch besaß, unter die Leute; aber leider war ihr nicht viel geblieben. Der größte Teil war in dem Bache verloren gegangen, durch den sie sich mühsam gearbeitet hatte.